# taz.de -- Bundesregierung verkündet Gaspreisbremse: Ein Schirm gegen die Preisexplosion
       
       > Die Regierung will die Energiekosten mit einem
       > 200-Milliarden-Euro-Programm in den Griff bekommen. Der Plan: ein
       > subventionierter Basisverbrauch.
       
 (IMG) Bild: Wegen Coronaquarantäne nur zugeschaltet: Bundeskanzler Olaf Scholz
       
       Private Haushalte und Unternehmen können auf Erleichterungen bei den hohen
       Energiepreisen hoffen – allerdings ist weiterhin unklar, wie das geschehen
       soll. „Die Preise müssen runter“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am
       Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FDP-Chef Christian
       Lindner und dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.„Wir spannen
       einen großen Abwehrschirm auf“, sagte Scholz.
       
       Die Bundesregierung stellt 200 Milliarden Euro für den „Abwehrschirm“
       bereit, damit die Strom- und Gaspreise „dramatisch sinken“. „Man kann
       sagen, das ist ein Doppelwumms“, sagte Scholz mit Blick auf die von ihm als
       „Wumms“ bezeichneten Coronahilfen. Die Strompreisbremse sei auf dem Weg,
       sagte er. Sie soll mit Hilfe abgeschöpfter Übergewinne finanziert werden.
       
       Für Verbraucher:innen soll es einen subventionierten Basisverbauch
       geben, für den Mehrverbrauch ist der hohe Marktpreis fällig. Wie hoch der
       Basisverbrauch sein soll, ist völlig unklar. Wie ein Gaspreisdeckel
       aussehen kann, soll entschieden werden, wenn die von der Bundesregierung
       eingesetzte Expertenkommission Vorschläge macht. „Das wird nicht lange
       dauern“, sagte Scholz.
       
       Bis die Details der Strom- und Gaspreisbremse feststehen, ist offen, wie
       Bürger:innen und Unternehmen tatsächlich entlastet werden. Denn dafür
       entscheidend ist das konkrete Modell, etwa, ob es ein bestimmtes Budget zu
       subventionierten Preisen gibt und wie hoch es ist. Ist das Budget zu
       niedrig und der bei einem Verbrauch darüber zu zahlende Preis extrem hoch,
       können die Kosten enorm bleiben.
       
       Private Haushalte und Unternehmen ächzen unter den hohen Energiekosten, die
       auch die Inflation vorantreiben. Wirtschaftsforscher:innen sagen eine
       Rezession für Deutschland voraus, die vor allem den steigenden Gaspreisen
       geschuldet ist. Die Industrie braucht Gas nicht nur zur Energieerzeugung,
       sondern auch als Rohstoff.
       
       Definitiv verzichtet die Bundesregierung auf zusätzliche Belastungen. Die
       umstrittene Gasumlage, mit der Haushalte und Unternehmen 34 Milliarden Euro
       zur Rettung angeschlagener Energiekonzerne zusätzlich zu den
       Preissteigerungen aufbringen sollten, ist vom Tisch. Eine Gesetzesänderung
       ist dafür nicht nötig. „Sie wird per Verordnung zurückgezogen“, sagte
       Habeck. Das erforderliche Umlaufverfahren sei eingeleitet.
       
       Millionen Kund:innen haben bereits von ihren Versorgern Mitteilungen über
       ihren Anteil an der Umlage erhalten. Sollten Verbraucher:innen schon
       Zahlungen geleistet haben, müssten die erstattet werden, sagte Habeck. Die
       ursprünglich zum Ausgleich für die Gasumlage gedachte Mehrwertsteuersenkung
       zum 1. Oktober auf Energie kommt. „Das bleibt erhalten als weitere
       Entlastung“, sagte Habeck.
       
       Die Bundesregierung will die Finanzierung des „Abwehrschirms“ über eine
       Reaktivierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds abwickeln. Er habe diesen
       Weg vorgeschlagen, sagte Finanzminister Lindner. „Deutschland zeigt seine
       wirtschaftliche Schlagkraft in einem Energiekrieg“, sagte er. Die
       veranschlagten bis zu 200 Milliarden Euro sollen über Kredite kommen, die
       noch in diesem Jahr aufgenommen werden. Damit wird die Schuldenbremse für
       2023 nicht gelockert – in dieser Frage hat sich die FDP durchgesetzt. Bei
       einer Finanzierung über den Bundeshaushalt wäre die Schuldenbremse kaum zu
       halten gewesen. Die Ampelparteien haben in den vergangenen Tagen hart um
       diese Fragen gerungen.
       
       Verglichen mit seinen Vorgängern ist der neue Wirtschaftsstabilitätsfonds
       mit 200 Milliarden Euro allerdings nicht sehr groß, vor allem, weil auch
       die ursprünglich durch die Gasumlage gewonnenen Milliarden daraus genommen
       werden sollen. Für den 2020 von der damaligen Großen Koalition ins Leben
       gerufenen Fonds, mit dem die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der
       Coronakrise abgefedert werden sollten, standen 600 Milliarden Euro unter
       anderem als Garantien und Kredite zur Verfügung. Darüber wurden unter
       anderem die staatlichen Hilfen für die Lufthansa und den Reisekonzern TUI
       abgewickelt. In der Finanzkrise hatte die damalige Bundesregierung 2008
       einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit 500 Milliarden Euro zur
       Bankenrettung aufgelegt.
       
       In den vergangenen Wochen ist der Druck gerade von Industrieverbänden auf
       die Regierung massiv gestiegen, die Gasumlage fallen zu lassen und
       Preisbremsen einzuführen. Rund ein Dutzend europäischer Staaten haben
       Energiepreisdeckel in verschiedenen Varianten. Am Mittwochabend hatten die
       Ministerpräsident:innen der Bundesländer noch mal richtig Druck
       gemacht. Sie fordern einen Energiepreisdeckel für Strom, Gas und Wärme.
       „Die Maßnahmen müssen wirksam, spürbar, einfach, verständlich und schnell
       umsetzbar sein“, heißt es einem gemeinsamen Beschluss. Auf ein konkretes
       Modell hatten sich die Länder nicht geeinigt, das müsse der Bund
       vorschlagen.
       
       29 Sep 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Krüger
       
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