# taz.de -- Bundesverfassungsgericht greift ein: Stopp für Heizungsgesetz
       
       > Der Bundestag kann das Heizungsgesetz diese Woche nicht beschließen. Ein
       > CDU-Abgeordneter war mit einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht
       > erfolgreich.
       
 (IMG) Bild: Nächste Runde beim Heizungsgesetz: Lange wurde gerungen, jetzt ist die Abstimmung gestoppt
       
       KARLSRUHE/BERLIN dpa | Keine 48 Stunden vor dem endgültigen
       Parlamentsbeschluss [1][zum umstrittenen Heizungsgesetz] hat das
       Bundesverfassungsgericht das Vorhaben im Eilverfahren gestoppt. Die für
       Freitagmorgen geplante zweite und dritte Lesung im Bundestag dürfe nicht in
       der laufenden Sitzungswoche stattfinden, teilte das höchste deutsche
       Gericht in Karlsruhe am Mittwoch mit.
       
       Es machte Zweifel geltend, dass die Rechte der Abgeordneten ausreichend
       gewahrt wurden in den Beratungen. Das Verfahren im Bundestag war von der
       Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP eilig organisiert worden. Wer als
       Mieter oder Haus- und Wohnungsbesitzer nach Monaten des Koalitionsstreits
       weitgehende Klarheit erwartet hatte, muss sich nun weiter gedulden.
       
       Für das weitere Verfahren gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder trifft
       sich der Bundestag zu einer Sondersitzung in der Sommerpause, die
       eigentlich nach diesem Freitag beginnt – oder der Beschluss wird auf die
       Zeit ab September vertagt, wenn der Bundestag regulär wieder zusammenkäme.
       
       ## „Folgen für den Parlamentarismus“
       
       Für die Ampel sind die deutlich geäußerten Bedenken der Richter eine
       politische Schlappe, Oppositionsvertreter sprachen von einer „Ohrfeige“.
       Politiker der FDP, deren Partei den Kompromiss mitgetragen hatte, machten
       in ersten Reaktionen die Grünen verantwortlich. Die wiederum erklärten über
       Fraktionschefin Katharina Dröge, man habe Respekt vor dem Urteil und werde
       „schnell in der Ampel über den neuen Termin zur abschließenden Beratung
       entscheiden“.
       
       Im Kern sieht das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vor, dass künftig nur
       Heizungen neu eingebaut werden dürfen, die auf Dauer zu mindestens 65
       Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Die Kosten des
       Umstiegs sollen mit bis zu 70 Prozent aus Steuermitteln gefördert werden –
       ein genaues Konzept gibt es aber noch nicht.
       
       Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann hatte eine einstweilige
       Anordnung beantragt, um dem Bundestag die abschließende Beratung und
       Abstimmung über das Gesetz zu untersagen, wenn der Gesetzentwurf den
       Abgeordneten nicht mindestens 14 Tage vorher schriftlich vorliegt – was
       nicht der Fall war. Heilmann schrieb auf Twitter: „Das ist ein großer
       Erfolg für unseren Parlamentarismus und in diesem konkreten Fall auch für
       den Klimaschutz!“ Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: „Das wird sicher
       Folgen für den Parlamentarismus haben, die ich so spontan noch nicht ganz
       übersehen kann.“
       
       Heilmann hatte argumentiert, seine Rechte als Abgeordneter seien durch das
       Gesetzgebungsverfahren erheblich verletzt worden. „Die Ampel ruiniert die
       Wärmewende mit einem Last-minute-Gesetzespaket und einem
       verfassungswidrigen Verfahren“, warf er der Koalition vor. Wegen der
       maximal verkürzten Beratungen zur Novelle des GEG im Parlament könne man
       keine konzeptionellen Schwächen des Gesetzespakets aufzeigen und ändern.
       
       Dazu erklärte das Gericht nun, Heilmanns Hauptsacheantrag im
       Organstreitverfahren erscheine mit Blick auf sein Recht auf
       gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus
       Artikel 38 des Grundgesetzes weder von vornherein unzulässig noch
       offensichtlich unbegründet. „Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu,
       im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht, zu beraten.“
       
       ## Merz sieht Niederlage der Bundesregierung
       
       Die Folgenabwägung führe zum Ergebnis, „dass die für den Erlass einer
       einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen“. Das Interesse am
       Vermeiden einer nicht rückgängig zu machenden Verletzung der
       Beteiligungsrechte wiege schwerer als der Eingriff in die
       Verfahrensautonomie des Bundestags, der die Gesetzgebung lediglich
       verzögere. Die Entscheidung fiel im Zweiten Senat mit fünf gegen zwei
       Stimmen.
       
       Der Gesetzentwurf sieht vor, dass von 2024 an möglichst jede neu eingebaute
       Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben werden muss.
       Damit soll die Wärmewende vorangebracht werden – als Beitrag zum Erreichen
       der Klimaschutzziele. Von den rund 41 Millionen Haushalten heizt zurzeit
       nahezu jeder zweite mit Erdgas, ein weiteres Viertel mit Heizöl. Es sollen
       aber keine funktionierenden Öl- und Gasheizungen ausgetauscht werden
       müssen. Außerdem sollen defekte Heizungen repariert werden dürfen.
       Umweltverbände kritisieren, dass aufgrund von Schlupflöchern noch jahrelang
       weiter Gasheizungen neu eingebaut werden dürften.
       
       Laut Klimaschutzgesetz muss Deutschland den Ausstoß klimaschädlicher
       Treibhausgase bis 2030 gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 um 65 Prozent
       senken. Zurzeit beträgt die Minderung laut Umweltbundesamt rund 41 Prozent.
       Bis 2045 muss verbindlich Klimaneutralität erreicht werden.
       
       [2][Unionsfraktionschef Friedrich Merz] wertete das Karlsruher Urteil als
       „schwere Niederlage für die Bundesregierung von (Kanzler) Olaf Scholz“.
       „Dem unsäglichen Umgang der Bundesregierung mit dem Parlament und der
       Öffentlichkeit wurde nun ein Riegel vorgeschoben“, sagte der
       CDU-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur. „Olaf Scholz und seine
       Bundesregierung wären gut beraten, das Urteil aus Karlsruhe zum Innehalten
       zu nutzen. So wie bisher kann es im Deutschen Bundestag nicht weitergehen.“
       CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von einer „schallenden Ohrfeige für
       die Bundesregierung“ und forderte: „Das Heizgesetz muss weg und komplett
       neu aufgesetzt werden“.
       
       ## Auch FDP begrüßt Abstimmungsstopp
       
       Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki wertete den Karlsruher
       Eilbeschluss als „verdiente Quittung für die Grünen, die in dieses
       Verfahren einen unerklärlichen Druck hineingegeben haben“, wie er der
       Funke-Mediengruppe sagte. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler begrüßte die
       Entscheidung: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Es war falsch, den
       Grünen hier auf den Leim zu gehen“, schrieb er auf Twitter.
       FDP-Fraktionschef Christian Dürr wertete den Gerichtsbeschluss als Beleg
       für umfangreiche Änderungen an der Novelle – auf diese hatte die FDP in der
       Koalition gepocht. Die nun zu respektierende Entscheidung unterstreiche,
       „dass das Gebäudeenergiegesetz vom Kopf auf die Füße gestellt wurde“, so
       Dürr.
       
       SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte der Rheinischen Post, die
       Entscheidung sei „selbstverständlich zu respektieren“, betreffe aber nicht
       den Inhalt des Gesetzes. „Ausdrücklich weist das Gericht auf die
       Möglichkeit einer Sondersitzung hin, über die nun beraten werden muss.“
       
       Wochenlang hatten die Ampel-Partner über das Heizungsgesetz von
       Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz
       (SPD) gestritten. Vor allem die FDP brachte Bedenken an. Zunächst hatte das
       Kabinett den Gesetzentwurf beschlossen. Aber noch vor der ersten Lesung im
       Bundestag vereinbarte die Ampel weitere Änderungen, die sie in teils vage
       formulierten „Leitplanken“ festhielt – ein sehr ungewöhnliches Verfahren,
       das dazu führte, dass eine erste Expertenanhörung zu dem zu diesem
       Zeitpunkt schon veralteten ursprünglichen Gesetzentwurf stattfand.
       
       Die Koalitionsfraktionen legten dem Bundestag am Freitag vergangener Woche
       Änderungsanträge zum ursprünglichen Gesetzentwurf vor. An diesem Freitag
       sollte das Heizungsgesetz im Bundestag beschlossen werden – noch vor der
       parlamentarischen Sommerpause, die nach dem 7. Juli beginnt. Den Auftakt
       der abschließenden Beratungen bildete die Anhörung im Klima- und
       Energieausschuss des Bundestags am Montag. Der Ausschuss erarbeitet eine
       Empfehlung für das Plenum.
       
       Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch meldete Zweifel am
       geplanten Inkrafttreten des Gesetzes an. „Der 1. Januar 2024 wird nunmehr
       kaum zu halten sein“, sagte er dem Tagesspiegel. Er sieht in der Karlsruher
       Entscheidung eine „schallende Ohrfeige für Robert Habeck“.
       
       Am Abend der Entscheidung konnte sich die Ampel-Koalition noch nicht auf
       eine erste gemeinsame Reaktion verständigen, SPD-Fraktionschef Rolf
       Mützenich kündigte eine Beratung mit seinen Kollegen von Grünen und FDP zum
       weiteren Vorgehen für den Folgetag an. „Wir nehmen die Entscheidung des
       Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis und werden diese Woche im Bundestag
       nicht mehr entscheiden“, erklärte Mützenich. „Über das weitere Vorgehen und
       wann die 2./3. Lesung des GEG stattfinden wird, beraten die
       Fraktionsvorsitzenden der Ampel am Donnerstag.“
       
       6 Jul 2023
       
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