# taz.de -- Chatbots in der Kundenbetreuung: „Der primäre Grund sind Standards“
       
       > In der Kundenbetreuung werden Menschen oft durch Chatbots ersetzt. Timo
       > Sievers, Chef der Freenet-Kundenbetreuung, erklärt, was sie können.
       
 (IMG) Bild: „Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?“
       
       taz: Herr Sievers, wann hatten Sie das letzte Mal mit [1][einem Chatbot] zu
       tun? 
       
       Timo Sievers: Ich rufe wahnsinnig gerne bei der Konkurrenz oder bei anderen
       Unternehmen an, um zu erfahren, was sich bei denen so tut beim Thema
       Chatbots. Aber mein Eindruck ist: Da passiert noch nicht so richtig viel.
       
       Warum setzen Unternehmen – Sie ja auch – Systeme wie Chatbots oder
       Voicebots ein? 
       
       Kunden denken immer, das machen die Anbieter, um Geld zu sparen. Das stimmt
       aber nicht. Der erste Grund ist die Sortierung von Anliegen: Wir wollen das
       Anliegen der Kunden direkt zu den passenden Mitarbeitern bringen. Der
       zweite ist Automatisierung: Wenn Kunden zum Beispiel ihre SIM-Karte sperren
       lassen wollen, dann können sie das so an 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche
       tun.
       
       Dann geht es doch vor allem ums Geldsparen, weil weniger Mitarbeiter für
       Nachtschichten nötig sind? 
       
       Das ist nicht nennenswert: Wir müssen schließlich trotzdem Menschen dort
       sitzen haben, für den Fall, dass etwas schiefgeht. Etwa, weil ein Kunde
       eine falsche Nummer eingegeben hat. Der primäre Grund sind Standards.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Wenn jeder von uns beim Kundenservice anrufen würde, um die SIM-Karte
       sperren zu lassen, hätten wir ganz unterschiedliche Erlebnisse – einfach,
       weil wir mit unterschiedlichen Leuten sprechen würden. Weil es
       unterschiedliche Persönlichkeiten sind, die wir da am Telefon erreichen,
       sie vielleicht unterschiedlich geschult sind. Im besten Fall hat jeder von
       uns ein positives Erlebnis, aber ganz sicher wird es unterschiedlich sein.
       Bei einem standardisierten, digitalisierten Prozess ist es allerdings immer
       gleich.
       
       Aber wir würden doch immer alle mit unterschiedlichen Erwartungen anrufen. 
       
       Das stimmt. Dennoch zeigen unsere Kundenbefragungen eine große
       Zufriedenheit [2][mit unseren Bots.]
       
       Ehrlich? Egal, mit welcher Bank oder Telefongesellschaft ich zu tun habe –
       spätestens nach 15 Minuten Kommunikation mit Chatbots [3][bekomme ich einen
       Wutanfall,] bis ich endlich auf einen Menschen treffe, der mir dann
       wirklich weiterhilft … 
       
       Positive Erfahrungen macht man doch immer dann, wenn die Erwartungen
       übererfüllt werden. Die Begeisterung ist groß, wenn es funktioniert. Wir
       haben recht einfache Prozesse, Adresse ändern, Rechnung anfordern, so
       etwas. Das funktioniert gut. Wenn man komplexere Probleme hat, etwa den
       Zugriff auf ein Kundenkonto verloren hat, dann kommt auch ein Chatbot an
       seine Grenzen. Ein Chatbot kann bis dato kein Passwort zurücksetzen, das
       kann nur ein Mensch.
       
       Könnte das auch ein Chatbot erledigen, der auf KI basiert? 
       
       Der würde an der Stelle wohl auch Schwierigkeiten bekommen. Es wird
       mittelfristig um trivialere Dinge gehen. KI ist hier noch sehr in den
       Kinderschuhen. Wir haben bislang nur einen derartigen Dienst laufen, das
       ist ein KI-Chatbot in Whatsapp. Da können die Kunden sich eine SIM-Karte
       bestellen und es antwortet eine KI. Das läuft schon sehr gut. Eine zweite
       Anwendung soll Ende des Jahres starten: KI und Sprachausgabe, ähnlich wie
       man das von Amazons Alexa kennt. Nur, dass wir das für den telefonischen
       Support machen wollen.
       
       Wie wird diese KI trainiert? 
       
       Die Basis sind reale Kundengespräche. Darin muss sich die KI später auch
       behaupten. Mithilfe einer eigenen Schnittstelle zu ChatGPT trainieren wir
       dann die Antworten auf Fragen. Die eigene Schnittstelle ist wichtig, weil
       so die Daten aus den Gesprächen bei uns bleiben und nicht an OpenAI gehen.
       Spätestens dann muss sich das ein Mensch genauer ansehen: Ist die Antwort
       gut, oder müssen wir noch mal dran schrauben?
       
       Wie lange dauert dieser Prozess? 
       
       Die erste Trainingsphase hat etwa drei Monate gedauert. Derzeit sind wir in
       der Testphase, in der wir regelmäßig noch mal etwas ändern.
       
       Würden die Kundinnen und Kunden den Unterschied zwischen einem
       herkömmlichen Chatbot und dem KI-Modell bemerken? 
       
       Der KI-Bot sollte besser auf ihre Fragen eingehen können. Und, was man
       nicht vergessen darf: Es geht ja nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um
       das Erlebnis. Also, dass die Kunden aus einer Kommunikation herausgehen und
       denken: Ja, das war gut. Was ich mir als Nächstes vorstellen kann, sind
       Briefe an Kunden. Da bekommt die KI dann das Anliegen und kann einen
       Vorschlag formulieren. Über ein solches Schreiben muss natürlich ein
       Mensch noch einmal drüberschauen. Um die Kommunikation aber komplett einer
       KI zu überlassen, dafür ist die Welt an manchen Stellen doch zu komplex.
       
       Warum brauchen Sie die KI dann überhaupt und lassen das nicht gleich
       Menschen erledigen? 
       
       Weil ein Teil sehr komplex ist, ein anderer Teil aber auch sehr einfach.
       Komplex ist vielleicht der Vergleich verschiedener Mobilfunkangebote. Aber
       auf der anderen Seite gibt es sehr viele Leute, die alle das Gleiche wissen
       wollen – und besonders da müssen wir in den Antworten einen gewissen
       Qualitätsstandard hinbekommen. Damit eben nicht vier Leute mit dem gleichen
       Problem an vier unterschiedliche Gesprächspartner geraten und vier
       unterschiedliche Antworten hören.
       
       Wie viel Prozent der Kundenanfragen, die auf Sie zukommen, werden
       tatsächlich mit Bots beantwortet und gelöst und wie viele werden dann doch
       an eine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter weitergeleitet? 
       
       Die Zahl kennen wir, denn sie ist die Basis dafür, um unsere Angebote zu
       verbessern. Wir möchten sie aber ungern nach außen tragen. Ich kann aber
       sagen, dass wir noch nicht so weit sind, wie wir gerne wären.
       
       Wo wären Sie denn gerne genau? 
       
       Ich kann Ihnen keine Prozentzahl nennen, denn so einfach ist es leider
       nicht. Es ist aus unseren Kundenbefragungen nicht herauszulesen, wer wie
       angesprochen werden will. Alter und Geschlecht zum Beispiel spielen
       überhaupt keine Rolle dabei, ob jemand lieber Chat-Bots nutzt, ob jemand
       aufgeschlossen für KI-Anwendungen ist oder ob jemand lieber telefoniert.
       Das ist eine reine Typsache.
       
       22 Dec 2023
       
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