# taz.de -- Club Griessmuehle in Gefahr: „Weil wir ein Club sind“
       
       > Ende Januar läuft der Mietvertrag aus. Mit dem Club Griessemuehle will
       > der Eigentümer nicht reden. Interview mit Pressesprecherin Michaela
       > Krüger.
       
 (IMG) Bild: Eine Kulturstätte: ein Teil der Außenanlage des Clubs Griessmuehle
       
       taz: Am 31. Januar läuft der Mietvertrag aus. Dämpft das die Stimmung? 
       
       Michaela Krüger: Der harte Schlag kam eigentlich schon im November, als die
       Baugenehmigung für das Gelände erteilt worden ist. Wir haben uns dann auf
       die Situation eingestellt und einen Schlachtplan entwickelt. Seitdem haben
       wir wahnsinnig viel Unterstützung von allen Seiten bekommen. Täglich
       kriegen wir E-Mails von Leuten, die fragen, wie sie uns helfen können. Es
       hat sich mittlerweile auch eine Bürgerinitiative gegründet. Am vergangenen
       Dienstag fand sogar eine BVV-Sitzung des Ausschusses für Bildung, Schule
       und Kultur bei uns statt.
       
       Kurz nach der Erteilung der Baugenehmigung hat der Verwalter, die S Immo
       AG, mitgeteilt, dass der Mietvertrag nicht verlängert wird. Versuche,
       Verhandlungsgespräche mit der S Immo AG zu vereinbaren, sind aber bislang
       gescheitert. Fühlen Sie sich als Technoladen nicht ernst genommen? 
       
       Mit uns wollen sie gar nicht sprechen. Jegliche Kontaktversuche ignorieren
       sie. Wir sind Untermieter, der Hauptmieter – ein Logistikunternehmen – hat
       zwischendurch etwas Neues gesucht. Er hat mit der S Immo gesprochen und
       gefragt, ob sie nicht uns in der Zwischenzeit als Hauptmieter übernehmen
       wollen. Das käme für den Eigentümer gar nicht in Frage, hat er durchklingen
       lassen, da er sich so eine Art von Geschäftspartner gar nicht vorstellen
       könnte. Weil wir ein Club sind. Das ist schon hart, so etwas ausgerechnet
       in Berlin zu sagen.
       
       Was wissen Sie über den Eigentümer? 
       
       Die S Immo ist der Verwalter, Eigentümer ist SIAG Property II GmbH. Der
       Mutterkonzern ist die österreichische Sparkasse Immobilien AG. Die hat in
       Berlin relativ viele Grundstücke aufgekauft, merkt aber, dass das nicht
       mehr so lukrativ ist, und versucht die Grundstücke nun abzustoßen – Stück
       für Stück. Das Grundstück, auf dem die Griessmuehle sich befindet, verkauft
       sie für den zehnfachen Wert.
       
       Waren Vertreter der S Immo schon mal zu Besuch in der Griessmuehle? 
       
       Der Geschäftsführer der S Immo, Robert Neumüller, war tatsächlich hier und
       hat sich alles angeguckt, wohl gefühlt hat er sich scheinbar nicht. Man hat
       ihm angesehen, dass er nicht verstehen konnte, warum man freiwillig seine
       Freizeit an so einem Ort verbringen würde. Als Teil unserer
       Rettungskampagne haben wir [1][„Save Griessmuehle“] groß auf das Dach
       geschrieben. Er merkte in einem Gespräch mit dem Hauptmieter an, dass wir
       das Dach streichen müssen, obwohl das ganze Gebäude ja abgerissen werden
       soll. Das sind einfach nur Schikanen.
       
       Warum ist Clubkultur so wichtig für die Stadt? 
       
       Clubs sind Orte, an denen jede*r gleichgestellt ist. Es ist scheißegal, ob
       man einen Porsche oder einen Twingo fährt. Auf der Tanzfläche sehen alle
       gleich aus. Sie sind aber auch Orte der Vernetzung, der Freundschaft: Man
       kann alleine hingehen und man ist eigentlich nie alleine, weil die
       Community so herzlich ist.
       
       Diese Clubkultur ist aber gefährdet – durch mangelnden rechtlichen Schutz.
       Seit Jahren erhält die Griessmuehle nur Mietverträge in Abständen von sechs
       Monaten. War die Situation immer so prekär? 
       
       Früher hatten wir einen unbefristeten Vertrag. Der wurde aber gekündigt,
       als die S Immo 2016 das Grundstück kaufte. Seitdem wird der Zusatz zur
       Kündigung alle sechs Monate verlängert – bis jetzt zumindest. Mit unserem
       Vermieter, dem Logistikunternehmen, hatten wir aber schon immer ein gutes
       Verhältnis.
       
       Wie kam das zustande? 
       
       Im Jahr 2011 ist der Geschäftsführer David Ciura hier mit der S-Bahn
       entlanggefahren und hat das Gelände gesehen. Er ist ausgestiegen und hat es
       sich angeschaut. Ein Mitarbeiter kam auf ihn zu und hat ihn gefragt, was er
       will. David meinte, er würde gerne mit dem Geschäftsführer sprechen, und
       wurde gleich hochgebracht. Zehn Minuten später hatte er einen
       Untermietvertrag in der Hand. Der Vermieter hat schon früh erkannt, dass
       wir hier nicht nur Party machen wollen, sondern einen kulturellen Standort
       aufbauen wollen.
       
       Was geht an diesem kulturellen Standort verloren, wenn die Griessmuehle
       schließt? 
       
       Wir bezeichnen uns ja selber als Kulturstätte, nicht nur als Club. Soziale
       Projekte werden durch den Clubbetrieb kofinanziert. Wir machen Workshops
       mit Kindern und Jugendlichen. Wir bieten sozialen Organisationen einen
       Stand beim Mühlenmarkt umsonst an. Unter der Woche finden Kino- und
       Pingpong-Abende statt. Es gibt auch einen Plattenladen und die Kantine CC
       nebenan. All das wird verloren gehen.
       
       Gibt es noch eine letzte Hoffnung, dass die Griessmuehle doch gerettet
       werden kann? 
       
       Am Dienstag gibt es Gespräche zwischen der S Immo AG und dem Abgeordneten
       Georg Kössler, der Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und gegebenenfalls dem
       Bezirksbürgermeister Martin Hinkel. Wir werden nicht mit dabei sein. Wir
       haben zwei Investoren vorgeschlagen, die auch unsere Existenz für sieben
       bis zehn Jahre zusichern würden. Beide wurden aber bislang nicht
       berücksichtigt. Natürlich hoffen wir, dass diese Gespräche etwas bringen.
       
       Und wenn nicht? 
       
       Das Thema ist mittlerweile auch im Abgeordnetenhaus angekommen. Ein Antrag
       wurde in den Kulturausschuss überwiesen, der besagt, dass der Senat uns bei
       der Suche nach einer alternativen Location durch die landeseigenen
       Gesellschaften unterstützen soll. Wir hoffen aber auch, dass die Situation
       sich ein paar Monate hinauszögern lässt, damit wir Zeit haben, einen
       geeigneten Standort zu finden.
       
       Gibt es überhaupt solche Standorte noch oder wurden sie schon längst
       weggentrifiziert? 
       
       Klar, es gibt den einen oder anderen, den wir uns vorstellen könnten, aber
       wir wollen im innerstädtischen Ring bleiben. Und wenn der Club an diesem
       Standort wegfallen sollte, dann bricht in Neukölln ein Stück Kultur weg!
       Schön wäre es, wenn wir im Bezirk bleiben können. Hier gehören wir auch
       hin.
       
       In der Zwischenzeit läuft Ihre Rettungskampagne weiter. Sie haben eine
       Petition gestartet. 
       
       Die Petition ist uns ganz wichtig. Wir werden sie zur österreichischen
       Sparkasse Immobilien AG schicken, um zu zeigen, dass das nicht nur die
       tausend Partypeople sind, die jedes Wochenende feiern, sondern dass das ein
       viel größeres Thema ist, das nicht nur Berlin bewegt, sondern international
       Resonanz findet. Darin fordern wir einen Bestandsschutz bestehender Clubs,
       eine Berücksichtigung von Clubs in Bebauungsplänen und auch eine
       Anerkennung von Clubs als Kulturstätten, statt bislang nur als
       Vergnügungsstätten.
       
       Sind weitere Aktionen geplant? 
       
       Für Mittwoch haben wir eine Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln zeitgleich
       zur BVV-Sitzung angemeldet. Es wird ein paar Redner*innen geben und der
       offene Brief der Bürgerinitiative wird vorgelesen. Zusätzlich dazu haben
       wir ein paar Überraschungsgäste eingeladen.
       
       Knallen wird es aber nicht? 
       
       Alle erwarten von uns, dass wir richtig Radau und Randale machen. Das
       werden wir nicht tun. Es wird eine leise Kundgebung, weil wir die Leute
       unterstützen wollen, die oben im Rathaus sitzen und alles versuchen, einen
       Weg zu finden, um uns zu helfen.
       
       21 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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