# taz.de -- Debatte um Umgang mit Karl May: Winnetous Schmerzen
       
       > Es gibt gute Gründe dafür, den Band „Der junge Häuptling Winnetou“
       > zurückzuziehen. Ein lebendiger Umgang mit den Werken Karl Mays sieht
       > anders aus.
       
 (IMG) Bild: Ein überkommenes Bild aus den 1960er-Jahre-Verfilmungen, Pierre Brice in der Rolle des Winnetou
       
       „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Wer erwachsen ist, kann diesen Spruch,
       tiefstes BRD noir, noch allzu gut kennen. In der alten Bundesrepublik kam
       er gleich nach: Nun stell dich nicht so an!
       
       In dem Filmbuch „Der junge Häuptling Winnetou“ stößt man schnell auf diesen
       Gedanken. „Aber er beachtete den Schmerz nicht. So machten das alle großen
       Krieger, und Winnetou wollte so sein wie sie.“ Solche Sätze stehen ohne
       Brechung da. Das Elternteil möchte man sehen, das es immer noch für
       verantwortungsvoll hält, sie an seine Kinder weiterzugeben.
       
       Außerdem gibt es Sätze wie: „Er stellte das Wohl des Volkes vor das eigene“
       und „Das Überleben unseres Volkes steht an erster Stelle“. Auch das steht
       da ganz ungebrochen. Es sind Leitsätze, die der anfangs egoistische
       Jungspund Winnetou lernen muss, bevor er ein Häuptling werden kann.
       
       So wie man beim Schmerz-Satz nicht gleich mit dem Ansatz von gepanzerten
       Männlichkeitskonstruktionen kommen muss (aber doch kann), so muss man hier
       nicht gleich neorechtes Denken unterstellen. Aber in Zeiten, in denen
       völkisches Denken wieder auf der politischen Agenda zu stehen droht, bieten
       solche Leitsätze doch offene Flanken.
       
       Seitdem der Ravensburger-Verlag dieses Buch wieder vom Markt nahm, kann man
       sehen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der sich Konsense nicht
       mehr einfach voraussetzen lassen. Sentimentales bis rüde um sich tretendes
       Karl-May-Fantum („Als Winnetou starb, habe ich geweint“) steht rassismus-
       und ideologiekritischer Karl-May-Kritik gegenüber.
       
       ## Verantwortungsvolle Verlagsarbeit
       
       Es ist aber auch ganz gut, daran zu erinnern, worum es hier in der Sache
       erst mal geht: um verantwortungsvolle Verlagsarbeit. In ihrem Sinne gibt es
       gute Gründe dafür, den „Jungen Häuptling Winnetou“ – eben kein
       Karl-May-Original, sondern ein hastig geschriebenes Merchandisingprodukt zu
       einem Kinderfilm – zurückzuziehen.
       
       Und was Karl May betrifft: Die intelligentesten Argumente für ihn bestehen
       darin, einen lebendigen Umgang mit seinen Werken einzufordern. Genau. Aber
       lebendiger Umgang bedeutet eben auch kritisches Abklopfen und keineswegs,
       das überkommene Winnetou-Bild aus den 1960er-Jahre-Verfilmungen nostalgisch
       gegen jede Kritik abzuschirmen.
       
       26 Aug 2022
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dirk Knipphals
       
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