# taz.de -- Ende der Maskenpflicht in Geschäften: Die Vorsicht siegt am „Freedom Day“
       
       > Seit Freitag muss in Berlin beim Einkaufen kein Mund-Nasen-Schutz mehr
       > getragen werden. Trotzdem tun das die meisten Kund*innen. Eine Reportage.
       
 (IMG) Bild: Seit heute gehört die Maske nicht mehr unbedingt zum Einkaufen dazu
       
       BERLIN taz | Die Geschäftsführerin der Bäckerei Süß ist besorgt. „Der
       Großteil meiner Kundschaft kam heute ohne Maske in den Laden, und fast alle
       erzählten mir, wie sehr sich über die neu gewonnene Freiheit freuen“,
       erzählt die Chefin der Bäckerei in der Boxhagener Straße in
       Berlin-Friedrichshain.
       
       Zwar hat auch sie die Schilder im Laden abgenommen, die während der
       Coronapandemie auf die Maskenpflicht hinwiesen. Doch es wäre ihr lieber,
       wenn ihre Kunden weiterhin einen solchen Schutz tragen würden. „Die
       Inzidenzzahlen sind immer noch hoch, aber plötzlich muss man keine Maske
       mehr tragen, das verstehe ich nicht.“
       
       Damit ist die Bäckerin nicht allein. Doch trotz 7-Tage-Inzidenzen von über
       1.000 in der Stadt hatte auch der Berliner Senat am Dienstag entschieden,
       [1][die meisten Corona-Schutzmaßnahmen auslaufen zu lassen]. Grund dafür
       ist das vor zwei Wochen vom Bundestag verabschiedete überarbeitete
       Infektionsschutzgesetzes.
       
       ## Nur noch Basisschutz
       
       Nach dem Senatsbeschluss müssen sich die Berliner*innen zwar noch an
       einige Basisschutzmaßnahmen halten. Dazu gehören etwa die Maskenpflicht in
       Bussen und Bahnen sowie in Arztpraxen, Krankenhäusern, Tageskliniken und
       Pflegeeinrichtungen. Doch die Maskenpflicht beim Einkaufen und in Schulen
       sowie die 3G-Regel bei Restaurantbesuchen und Hotelübernachtungen ist seit
       diesem Freitag aufgehoben.
       
       Nicht in allen von der taz besuchten Geschäften sind die Kund*innen aber
       derart in Feierlaune angesichts des vermeintlichen Freedom Days wie in der
       Friedrichshainer Bäckerei. „Ich würde sagen, nur ungefähr 15 Prozent
       unserer Kunden tragen keine Masken“, berichtet der Filialleiter des nahe
       gelegenen Penny-Discounters.
       
       Auch die Rewe-Filiale in der Pasteurstraße in Prenzlauer Berg ist an diesem
       Freitagmittag schon gut besucht. In den vergangenen zwei Jahren bildeten
       sich vor dem Geschäft, das stets nur so viele Menschen reingelassen hat,
       wie Einkaufswagen zur Verfügung standen, oft lange Schlangen. Mit der
       „verkaufsflächenbezogenen Kundenzahl“ und der Maskenpflicht entfällt hier
       ab heute jedoch auch die Wartezeit. Am Eingang steht kein Security-Personal
       mehr; wer nur ein paar Kleinigkeiten kaufen will, kann das jetzt auch ohne
       Korb tun.
       
       Die „Hygienestation“ vor der Obst- und Gemüseabteilung nutzen die meisten
       trotzdem noch. Zwei Kundinnen desinfizieren die Griffe ihrer Einkaufswagen,
       „aus alter Gewohnheit“, sagt die eine; „weil die Pandemie noch nicht vorbei
       ist“, die andere. Wie auch alle anderen Kund*innen tragen beide eine
       FFP2-Maske über Mund und Nase. Im Zeitungsregal vor der Kassenzone liegt
       der Tagesspiegel aus, der mit „Der große Leichtsinn?“ titelt. Die
       politischen Entscheidungen mag das treffend beschreiben, bei den
       Einkaufenden ist von Leichtsinn bislang jedoch keine Spur.
       
       Auch im „Denns Biomarkt“ auf der Greifswalder Straße ist von der großen
       Wende der Corona-Politik noch nichts zu sehen. Im Fenster hängt weiterhin
       das Schild, das auf die Maskenpflicht hinweist, und auch im Laden mag noch
       keiner von seiner neugewonnenen Freiheit Gebrauch machen: An der Kasse,
       hinter der Käsetheke in den Gängen tragen Kund*innen wie Mitarbeitende
       ausnahmslos einen Mund-Nasen-Schutz.
       
       Adelheid Kirsch, eine zierliche Frau mit braunem Haar und Wollmütze, hat
       mitbekommen, dass sie das eigentlich nicht mehr müsste: „Ich bin noch
       unentschlossen“, sagt sie zwischen den Regalen mit den Konserven, „heute
       lasse ich sie nochmal auf.“ Sie habe sich bisher nicht mit dem Virus
       angesteckt, „und eigentlich möchte ich mir das auch ersparen.“
       
       Etwas weiter die Straße runter in der Greifswalder Apotheke bleibt es bei
       freundlichen Apellen. „#Unverzichtbar“, steht auf einem Schild am Eingang,
       „wir bitten Sie herzlich, weiterhin in der Apotheke eine Maske zu tragen.“
       In Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern ist der Mund-Nasen-Schutz
       zwar weiterhin gesetzlich vorgeschrieben, Apotheken gehören jedoch zum
       Einzelhandel, auch wenn hier potentiell Infizierte sowie Vulnerable ein und
       ausgehen.
       
       Man wolle deshalb weiterhin darauf hinweisen, dass die Maske dem eigenen
       Schutz und dem anderer diene, erklärt eine Mitarbeiterin. „Bislang hat sich
       jeder dran gehalten“, sagt sie. Für eine Bilanz, wie das mit der
       Eigenverantwortung klappe, sei es jedoch einfach noch zu früh.
       
       Im Buchladen „Buchbox“ ist das Infektionsrisiko auch deswegen gering, weil
       um diese Uhrzeit nur zwei Kundinnen im Laden sind. Auf dem Boden kleben
       abgetretene Pfeile, ein Relikt aus zwei Jahren Infektionsschutz: Sie sollen
       verhindern, dass Kundinnen sich zu nahe kommen beim Stöbern zwischen
       Reiseführern und Belletristik.
       
       An diesem Freitagmorgen sei noch niemand ohne Maske da gewesen, sagt eine
       Mitarbeiterin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Sie
       würde sich wohler fühlen, wenn die Maskenpflicht weiter gelte. Durchsetzen
       wollen sie die hier aber nicht: „Wir haben intern darüber gesprochen, das
       über das Hausrecht zu regeln“, erzählt sie, „aber das würde uns einfach zu
       viele Diskussionen einbringen.“ Ein Schild mit der Bitte, weiterhin eine
       Maske zu tragen, wollen sie heute noch in die Tür hängen.
       
       Die Chefin der Friedrichshainer Bäckerei Süß ist sich derweil sicher, dass
       die Abschaffung der Maskenpflicht noch nicht das letzte Coronakapitel ist.
       Sie sei sich sicher, dass die Pflicht nach dem Sommer wieder eingeführt
       werde und fragt sich, wie sie dann den Leuten erklären soll, dass sie in
       ihrem Geschäfft eine Maske zu tragen haben. „Ich kann verstehen wenn die
       Leute sich von der Politik verarscht fühlen.“
       
       1 Apr 2022
       
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