# taz.de -- Englische Nationalmannschaft bei der EM: Das Rätsel des Turniers
       
       > England qualifiziert sich fürs Achtelfinale. Auf Torgefahr wartete man im
       > Spiel gegen Slowenien vergebens. Trainer Southgate steht weiter unter
       > Druck.
       
 (IMG) Bild: Die Reaktion des englischen Nationalspielers Jude Bellingham auf das 0:0 gegen Slowenien am vergangenen Dienstag
       
       KÖLN taz | Mit einem einzigen Satz zum gerade beendeten Spiel hat Gareth
       Southgate sogleich einen guten Überblick über die dürftige Vorrunde der
       Engländer gegeben. „Das war heute definitiv eine Verbesserung“, lobte
       Gareth Southgate [1][das torlose Remis gegen Slowenien], das zumindest den
       ersten Gruppenplatz und die Qualifikation fürs Achtelfinale bescherte. Und
       wer noch einmal einordnen wollte, gegen wen diesem Ensemble aus so
       begnadeten Fußballern diese Steigerung gelungen war, der musste nur zuvor
       dem slowenischen Trainerkollegen Kek Matjaz zugehört haben.
       
       Bei einem Land mit nur zwei Millionen Einwohnern sei die Auswahl nicht
       groß, gab er zu bedenken. Einige Nationalspieler seien in ihren Vereinen
       nicht gesetzt und alle drei, vier Tage Fußball auf so hohem Niveau seien
       sie im Unterschied zu den Engländern überhaupt nicht gewöhnt. In der
       zweiten Hälfte sei man zwar stark unter Druck geraten. „Aber Jan hatte gar
       nicht so viel zu tun.“ Drei Paraden schrieb die Uefa dem Torhüter Jan Oblak
       freundlicherweise zu. Wirklich strecken musste sich der 31-Jährige aber
       nie.
       
       Es ist vielleicht das bislang größte Rätsel dieses Turniers, wie einfach es
       für jeden Außenseiter ist, diese hoch veranlagten Engländer auf ihr Niveau
       herunterzuziehen. Ursächlich dafür könnte sein, dass Southgate, der
       einstige Innenverteidiger, seinem Team einen gewissen Kontrollzwang
       übertragen hat. So hob der 53-Jährige den für ihn wohl größten Fortschritt
       hervor, dass man gegen Slowenien die zweite Halbzeit komplett unter
       Kontrolle gehabt habe – offensiv wie defensiv.
       
       Auf überraschende Momente, die unumgänglich risikobehaftet sind, wartete
       man allerdings auch in dieser Partie meist vergebens. Wenn sich
       beispielsweise einmal der schnelle Bukayo Saka mit einem unerwarteten
       Laufweg rechts anbot, wurde der Ball knapp links neben ihm dem Gegner in
       die Füße gespielt. Eingespielt wirkt diese Elf nur, wenn sie in ihrem
       Schema bleibt.
       
       ## Englands Erfahrungsschatz des Scheiterns
       
       Hat England keinen Plan B oder C? Diese Frage begleitet Southgate bei
       dieser EM. Am Dienstag beantwortete er sie in der Kölner Arena so: „Ich
       denke, die Wechsel, die wir heute vorgenommen haben, hatten einen positiven
       Einfluss auf das Spiel.“ Mit der Hereinnahme des erst 19-jährigen Kobbie
       Mainoo zur zweiten Halbzeit, der den defensiver ausgerichteten Conor
       Gallagher ersetzte, veränderte Southgate zwar leicht die Statik des
       Spiels. Cole Palmer verstärkte später etwas den Schwung in der Offensive.
       Genießen konnten die Partie aber nur diejenigen, denen Aufregung vom Arzt
       strengstens untersagt ist.
       
       Während sich ein großer Teil der englischen Fans mit Gesängen eben einfach
       selbst unterhielt, äußerten andere in der Kölner Arena vernehmbar ihren
       Unmut. „Es ist eine seltsame Atmosphäre gewesen“, befand Southgate. „Ich
       habe keine andere Mannschaft gesehen, die sich für das Achtelfinale
       qualifiziert hat und ähnlich viel Kritik bekommen hat.“ Dass die Vorwürfe
       aber sich vor allem gegen ihn richten, ist Southgate nicht entgangen. „Ich
       kenne das Narrativ, das von den Medien über mich verbreitet wird. Aber es
       ist besser, wenn es bei der Kritik um mich geht und nicht um die
       Mannschaft.“
       
       Mit der [2][hohen Erwartungshaltung in der Heimat] habe all das zu tun,
       nachdem das Team in den letzten sechs, sieben Jahren den Menschen wieder
       Spaß beim Zuschauen bereitet hätte. „Wir müssen jetzt sehr vorsichtig
       vorgehen, dass es so weitergeht, dass es so bleibt.“ Southgates
       Achtsamkeit könnte durchaus biografische Gründe haben. Der Druck vor der
       Partie habe ihn an seine eigene Vergangenheit als englischer
       Nationalspieler erinnert, bekannte er. Der Erfahrungsschatz des Scheiterns
       ist in England besonders groß. Aber zu viel Sensibilität und
       Kontrollbedürfnis könnten kontraproduktiv wirken.
       
       Vielleicht hätten Spieler wie Jude Bellingham, Harry Kane, Phil Foden oder
       eben Saka gerade in den Gruppenbegegnungen Phasen des Sich-Ausprobierens
       jenseits der Kontrollräume gutgetan. Im Achtelfinale wird die Risikofreude
       von Southgate nicht wachsen. Ein Fortschritt zur Partie gegen die Slowenen
       wäre vermutlich die realistischste Erwartungshaltung. Viel ist das aber
       eben nicht.
       
       26 Jun 2024
       
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