# taz.de -- Famoser Umbruch beim SSC Neapel: Neue Blüte am Vesuv
       
       > Der Fußballclub SCC Neapel ist trotz zahlreicher Abgänge in der Serie A
       > und Champions League ungeschlagen. Das liegt nicht nur an der
       > Transferpolitik.
       
 (IMG) Bild: Der SSC Neapel im Höhenflug – hier am eindrücklichsten in Person von Piotr Zielinski
       
       Der SSC Neapel verblüfft in dieser Saison. Trotz des Abgangs einer ganzen
       Reihe von Führungsspielern, vom Lokalhelden Lorenzo Insigne über Goalgetter
       Dries Mertens bis zu Spielgestalter Fabian Ruiz und Defensivtitan Kalidou
       Koulibaly, spielt das Team wie aus einem Guss und führt ungeschlagen die
       Serie A und die Champions League-Gruppe A an. Unter dem Vesuv wird schon
       von einer neuen Titel-Ära geträumt. Anders als unter der letzten, [1][die
       von Diego Armando Maradona geprägt war], hat die aktuelle Welle des Erfolgs
       zahlreiche Väter.
       
       Neapels Hauswände erhalten derzeit neue Farbe. In den Quartieri Spagnoli
       prangt unweit des berühmten Wandbildes von Diego Maradona jetzt das Antlitz
       von Kim. Es handelt sich nicht um einen Vertreter der nordkoreanischen
       Despotendynastie, sondern um Kim Min-Jae. Der 25-jährige Südkoreaner
       verteidigte im vergangenen Jahr noch bei Fenerbaçe Istanbul und war
       lediglich Transfermakt-Nerds ein Begriff. In Neapel füllt er exzellent die
       Lücke aus, die der zum FC Chelsea gewechselte Senegalese Kalidou Koulibaly
       hinterließ.
       
       Kim ist zweikampfstark, stellungssicher und auch technisch nicht ganz
       unbegabt. Dank ihm ist die Defensive des aktuellen Tabellenführers sehr
       solide – eine Basis für die stetig guten Ergebnisse. Dass er auch
       Offensivakzente zu setzen weiß, bewies er mit seinem Kopfballtor beim
       2:1-Sieg bei Lazio Rom ausgerechnet gegen den einstigen Neapel-Coach
       [2][Maurizio Sarri.]
       
       Zweiter Torschütze dort war Khvicha Kvaratskhelia. Der erst 21-jährige
       Georgier ist die Entdeckung dieser Saison. Er ist ein Wirbelwind auf
       Linksaußen, pflegt dank seiner Schnelligkeit und Ballsicherheit die
       Gegenspieler regelrecht auszutanzen und verfügt zudem über einen strammen
       Schuss. Fünf Treffer gelangen ihm bereits in der Serie A und einer in der
       Champions League beim enormen 6:1 gegen Ajax Amsterdam.
       
       ## Wiedergeburt Maradonas
       
       Beim ähnlich überwältigenden 4:1 gegen Liverpool leitete ein Solo von ihm
       den Penalty zum 1:0 ein, ein weiteres Solo Kvaratskhelias krönte
       Mittelfeldnebenmann Zambo Anguissa mit dem 2:0. Beim 3:0 von Giovanni
       Simeone war Kvaratskhelia der direkte Vorbereiter. Als „Kvaradona“, als
       Wiedergeburt Maradonas, bezeichnen ihn die Fans bereits.
       
       Das ist nicht ganz korrekt. Denn als Spielertypen sind sie sich gar nicht
       ähnlich. Sehr schmächtig und immerhin 1,83 Meter groß ist der Georgier. Er
       wirkt sehr elegant und hat gar nicht die Allüren des – späten – Maradona.
       „Als Mensch ist er eher scheu, er will niemals im Mittelpunkt stehen. Aber
       wenn er Fußball spielt, ist er unglaublich selbstbewusst. Er kann jeden
       Ball kontrollieren und ihn sauber weitergeben“, charakterisiert Trainer
       Luciano Spelletti den Neuzugang.
       
       Nach Neapel kam er auch aufgrund des Ukraine-Kriegs. Kvaratskhelia
       unterbrach sein Engagement beim russischen Erstdivisionär Rubin Kasan,
       spielte die Restsaison bei Dinamo Batumi in Georgien und wurde von dort aus
       von Napolis Manager Cristiano Giuntoli verpflichtet. Es war die zweite
       Großleistung auf dem Transfermarkt in diesem Sommer, nach dem Kim-Deal. Und
       auch in heimischen Gefilden war Giuntoli mit Italiens Nationalstürmer
       Giacomo Raspadori (von Sassuolo gekommen) und Giovanni Simeone (von
       Cagliari geliehen) überaus erfolgreich. Raspadori ist eine Art
       Offensivregisseur, der Mittelfeld und Angriff miteinander verbindet und
       aufgrund seiner Schnelligkeit und guten Technik auch selbst torgefährlich
       wird.
       
       Simeone hingegen ist ein Brecher, der in der Schlussviertelstunde noch
       alles richten kann. [3][Der Sohn von Atlético Madrid-Coach Diego Simeone]
       hat in Neapel endlich den Verein gefunden, in dem er zeigen kann, mehr als
       nur der „Sohn von …“ zu sein. Im seit Jahren gut besetzten Mittelfeld
       nutzen die zuvor oft an den Rand gedrängten Piotr Zielinski, Zambo Anguissa
       und Stanislaw Lobotka die Chance zur Führungsrolle nach den vielen
       Abgängen.
       
       Napoli ist dank guter Transfers sowie Konstanz auf der Trainerposition und
       im Management in diesem Herbst regelrecht aufgeblüht. Wie dauerhaft die
       neue Blüte ist, werden die kommenden Monate zeigen. Am Mittwoch kann mit
       einem Sieg im Rückspiel gegen Ajax das erste Zwischenziel, das Überstehen
       der Gruppenphase in der Champions League, vorzeitig erreicht werden. Das
       ist ein Indikator, wie gut das Team mit der Höhenluft des Erfolgs umgehen
       kann. Schon jetzt jedenfalls kann man von einem der erfolgreichsten
       Verjüngungsprozesse im europäischen Spitzenfußball der letzten Jahren
       sprechen.
       
       12 Oct 2022
       
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