# taz.de -- Förmliches Wettbewerbsverfahren: Google droht Milliardenstrafe
       
       > Die EU-Kommission eröffnet ein Verfahren gegen den Internetkonzern
       > Google. Es geht um einen der wichtigsten Märkte der Welt.
       
 (IMG) Bild: Lieber selbst suchen.
       
       BERLIN taz | Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb, wirkte
       ziemlich entspannt für das große Ereignis. Nach Wochen des Zögerns und
       Zauderns hat die EU-Kommission am Mittwoch ein förmliches
       Wettbewerbsverfahren gegen den Internetgiganten Google eröffnet. Es geht um
       einen der wichtigsten Märkte der Welt und um mögliche Milliardenstrafen.
       Doch die Dänin präsentierte den Fall wie eine Routineuntersuchung.
       
       „Ich habe die Befürchtung“, „ich habe den Verdacht“, „ich möchte
       sicherstellen“: So höflich formulierte Vestager ihren Angriff auf Google,
       dass es fast wie eine Einladung zur Versöhnung klang. Und tatsächlich: Zehn
       Wochen hat der US-Konzern nun Zeit, um auf die Vorwürfe aus Brüssel zu
       antworten. Fast fünf Jahre hatte es gedauert, bis sich die Kommission
       überhaupt zum Handeln entschlossen hatte.
       
       Doch in der Sache geht es nun hart auf hart. Die Brüsseler Wettbewerbshüter
       werfen Google vor, seine dominierende Stellung auf den Märkten für
       allgemeine Internetsuchdienste in der EU auszunutzen. Konkret geht es um
       den Dienst Google Shopping, dessen Treffer bei Suchanfragen prominent
       platziert werden. Damit werde der Wettbewerb behindert, klagt Vestager an.
       Und das ist womöglich erst der Anfang: Andere Geschäftsbereiche wie Google
       Maps (Karten) oder Reisen würden weiter geprüft, so die Kommissarin. Auch
       hier hatte es Beschwerden von Wettbewerbern gegeben.
       
       ## Neue Front gegen Android
       
       Außerdem eröffnete Vestager eine neue Front gegen das Google-Betriebssystem
       Android, das auf den meisten Smartphones läuft. Auch hier geht es um
       möglichen Marktmissbrauch. Die Dominanz von Android nimmt nahezu ähnliche
       Ausmaße an wie die der Google-Suchmaschine. Weltweit läuft das
       Betriebssystem auf über 60 Prozent der Smartphones, in Deutschland sind es
       an die 70 Prozent.
       
       Google wies die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen schade mit seinem Diensten
       nicht dem Wettbewerb, erklärt es in einem Blogeintrag vom Mittwoch. Als
       Indiz dafür führt es eine Reihe anderer Angebote an, die stark nachgefragt
       seien oder in Finanzierungsrunden Geld einsammelten – wie Zalando, Facebook
       oder Amazon.
       
       Zu den Vorwürfen, die marktbeherrschende Stellung bei Android zu
       missbrauchen, betont Google, dass sich das System auch ohne die hauseigenen
       Dienste nutzen lasse. „Im Vergleich zu Apple sind bei Android deutlich
       weniger Google-Apps vorinstalliert als Apple-Apps auf iOS-Geräten.“ Das
       ficht die EU-Kommission nicht an: Sie stört, dass Hersteller, die Android
       auf ihren Systemen verwenden wollen, das Gesamtpaket buchen müssen – und
       sich nicht einzelne Apps, wie den Kartendienst, heraussuchen können.
       
       ## Gegenteil von Transparenz
       
       Daten- und Verbraucherschützer begrüßen den Vorstoß der EU-Kommission.
       „Aufgabe einer Suchmaschine ist es, Transparenz herzustellen – und die
       Bevorzugung von eigenen Diensten ist das Gegenteil von Transparenz“, sagt
       Miika Blinn, Referent für Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale
       Bundesverband (vzbv). Dazu komme: Die meisten Verbraucher seien sogenannte
       vertrauende Verbraucher. Ebenso wie sie darauf vertrauten, dass in der
       Marmelade keine schädlichen Inhaltsstoffe sind, gingen sie davon aus, in
       einer Suchmaschine die besten und relevantesten Ergebnisse oben zu finden.
       
       Rena Tangens vom Verein Digitalcourage findet jedoch, dass das jetzige
       Verfahren nicht ausreicht. Der Fall zeige, wie weit Google bestimme, was
       für die Nutzer wichtig ist – auch politisch oder sozial. „Wir brauchen
       daher Wettbewerb bei den Suchmaschinen selbst.“ Die EU-Kommission müsse
       daher den Aufbau eines eigenen Suchindex fördern, etwa mit einer Stiftung.
       „Nur dann kann man Google die Stirn bieten.“
       
       Das ist aber offenbar nicht die Richtung, in die die EU-Kommission gehen
       will. Ein „europäisches Google“, wie es Internet-Kommissar Günther
       Oettinger gefordert hatte, ist kein Thema mehr. Und ein Eingriff in den
       Such-Algorithmus sei nicht geplant, betonte Vestager. Auch war keine Rede
       davon, besonders profitträchtige Dienste wie Google News oder Ads
       anzugreifen, die vielen Verlagen große Sorgen bereiten.
       
       Aus dem Europaparlament kommt daher Kritik. „Die Kommission sollte nicht
       nur die Wettbewerbsverstöße ahnden, sondern auch die Neutralität von
       Suchmaschinen sicherstellen, damit es erst gar nicht zu
       Wettbewerbsverzerrungen kommt“, fordert der grüne Europaabgeordnete und
       Internetexperte Jan Philip Albrecht. Google nutze seine marktbeherrschende
       Stellung systematisch aus, sagte der CSU-Experte Markus Ferber. Die EU
       sollte daher das gesamte Geschäftsmodell prüfen.
       
       ## Gütliche Einigung nicht ausgeschlossen
       
       Mindestens ein Jahr dürften sich die Untersuchungen hinziehen, heißt es in
       Brüssel. Alle Wege seien noch offen, betonte Vestager, eine gütliche
       Einigung sei nicht ausgeschlossen. Wenn es am Ende keine Lösung gebe, werde
       die EU-Kommission nicht vor einer Strafe zurückschrecken.
       
       Wie hoch die ausfallen wird, sagte Vestager nicht. Allerdings gilt in
       Wettbewerbsverfahren die Regel, dass eine Strafe bis zu 10 Prozent des
       Jahresumsatzes erreichen kann. 2014 Jahr setzte Google 66 Milliarden Dollar
       um, die maximale Höchststrafe liegt also bei 6,6 Milliarden Dollar.
       Außerdem könnte die EU-Kommission Google Auflagen für einzelne Dienste
       machen.
       
       15 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
 (DIR) Svenja Bergt
       
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