# taz.de -- Freiheitsbewegung in Iran: Der Schützengraben der Mullahs
       
       > Das Festhalten der Mullahs am Hidschab hat viel mit dem Islam zu tun.
       > Aber mehr noch mit Sexualität.
       
 (IMG) Bild: 2. Oktober in Teheran: Frauen legen den Hidschab einfach ab, was den Tod bedeuten kann
       
       Es ist dieser eine Satz, der mir nicht aus dem Kopf geht. Der Kommandeur
       der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami, sagte ihn letzte Woche,
       als er die USA, England, Deutschland, Frankreich, Israel und Saudi-Arabien
       als „Drahtzieher der Unruhen“ bezeichnete. Dass er die Kurden in dieser
       Aufzählung vergaß, ist eine Nachlässigkeit, die mittlerweile mit dem
       [1][Beschuss kurdischer Ziele in Iran und Irak] wettgemacht wird.
       
       Was nun hatte Salami über die „Satane“ zu sagen? Er sagte: „Sie wollen
       unseren Frauen den Hidschab wegnehmen, der aber ist unser Schützengraben.“
       
       Klar, dieser Satz, der die ganze Niedertracht und das ganze Elend des
       iranischen Mullahregimes vor Augen führt, hat viel mit dem Islam, aber noch
       mehr mit unterdrückter Sexualität zu tun. Man muss nicht der Psychoanalyse
       zugeneigt sein, um sich mit diesem Satz vorzustellen, wie diese Versager
       mit ihrer erbärmlichen Angst vor Sexualität wimmernd in jenem Graben
       liegen, den die Frauen und LGBTQs mit ihrer Freiheit bezahlen.
       
       Schön wäre es, diesen Satz jenen linken Kulturrelativist:innen, die [2][zu
       den iranischen Protesten] so auffällig wenig zu sagen haben, persönlich ins
       Postfach zu legen. Er erinnerte mich an ein Buch, das auf sehr
       eindrückliche Weise Heuchelei und Widersprüche, Unterdrückung und
       Widerstand im Alltag des mörderischen iranischen Systems sichtbar macht:
       „Stadt der Lügen“ [3][von Ramita Navai] ist bereits 2014 im Original und
       2016 auf Deutsch erschienen.
       
       Es erzählt in acht collagierten Texten vom Leben der Teheraner:innen
       und gibt ohne plakativ zu moralisieren einen tiefen Einblick in die
       Verfasstheit einer Gesellschaft, in der die Lüge zur Überlebensbedingung
       geworden ist.
       
       ## Legendäre Fatwa
       
       Dabei sind es gerade die skurrilen Geschichten, die eine Ahnung von dem
       verbrecherischen Konnex aus Sexualität und Unterdrückung geben. Wie die
       legendäre Fatwa eines Mullahs etwa, die erörtert, ob ein Kind nicht doch
       legitim sei, das aus dem Verkehr eines jungen Mannes mit seiner Tante
       hervorgehe, angenommen der Mann fiele während eines Erdbebens mit
       eregiertem Penis auf seine Tante, beide wären zufällig nackt und die
       Penetration in diesem Sinne auch nur zufällig.
       
       Die Geschichten amüsieren, enden aber meist tragisch in diesem ebenso
       terroristischen wie neurotischen Regime, in dem Vertrauen und Solidarität
       kaum möglich sind. Umso beschämender, dass die Proteste erst am Donnerstag
       dem UN-Menschenrechtsrat, dem immer bloß einfällt, Israel zu verurteilen,
       eine Sondersitzung wert waren.
       
       Auch bleibt zu hoffen, dass die USA und Deutschland den Fokus vom ohnehin
       gescheiterten Atomabkommen auf die Unterstützung der iranischen Bevölkerung
       verlagern, wie es nun aus dem Außenministerium hieß. Oder wer um Himmels
       Willen glaubt an ein Abkommen mit Leuten, die die zufällige Penetration
       aufgrund eines Erdbebens für möglich halten?
       
       27 Nov 2022
       
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