# taz.de -- Friedensprozess für Libyen: In der Sackgasse
       
       > In Libyen soll noch dieses Jahr gewählt werden, um den Krieg dauerhaft zu
       > beenden. Doch Kriegsherr Haftar droht bereits mit einer neuen Offensive.
       
 (IMG) Bild: Soll das Land einen und im Dezember wieder abtreten: Abdulhamid Dbaiba, Chef der Übergangsregierung
       
       TUNIS taz | Die im Juni [1][auf einer Libyen-Konferenz in Berlin] sowie vom
       UN-Sicherheitsrat bekräftigten landesweiten Parlamentswahlen in Libyen
       sowie der geplante [2][Abzug internationaler Söldner] aus dem Land drohen
       zu scheitern. 75 von den UN bestimmte libysche Delegierte sollten in dieser
       Woche eigentlich ein Wahlgesetz und die Modalitäten der für Dezember
       geplanten Wahl beschließen. Doch das „Libysche Politische Dialogforum“
       (LPDF) in einem Hotel in der Nähe von Genf endete nach hitzigen Debatten
       ohne Resultat.
       
       Die aus verschiedenen Regionen und Gesellschaftsgruppen ausgewählten Libyer
       hatten im Frühjahr eine [3][Übergangsregierung unter Abdulhamid Dbaiba] ins
       Amt gewählt. Doch nun ist man sich über die nächsten Schritte auf dem Weg
       vom Waffenstillstand zu einem landesweit gewählten Parlament nicht mehr
       einig.
       
       Während eine Fraktion zunächst einen Präsidenten wählen lassen will,
       sprachen sich andere für eine Parlamentswahl mit beziehungsweise ohne
       politische Parteien aus. Andere wiederum wollten die Libyer zunächst über
       einen Verfassungsentwurf abstimmen lassen. Die ethnischen Minderheiten
       Libyens lehnen diesen jedoch strikt ab und wehren sich gegen die Dominanz
       der arabischen Kultur und Sprache in dem multiethnischen
       6-Millionen-Einwohner-Land.
       
       26 Mitglieder des LPDF schrieben eine Beschwerde an die UN-Mission für
       Libyen (Unsmil), die in die Schweiz geladen und verschiedene Optionen zur
       Diskussion vorgelegt hatte. Die heftigsten Wortmeldungen, inklusive
       rassistischer Beleidigungen des ghanaischen Unsmil-Vizechefs, gab es bei
       der Idee einer Parlamentswahl bei gleichzeitiger Verlängerung der Amtszeit
       der aktuellen Regierung unter Dbaiba.
       
       ## Umstrittene Wahlen
       
       Dbaiba soll in seiner bis Dezember laufenden Amtszeit die aufgelöste
       ostlibysche Parallelregierung und die Regierung in der Hauptstadt Tripolis
       vereinen und die für Dezember geplante Wahl vorbereiten. Doch nach der
       Vorstellung seines Kabinetts erwähnte er die Wahl im Dezember mit keinem
       Wort mehr. In Berlin hingegen drängten die internationalen
       Konferenzteilnehmer die libysche Delegation im Juni, die Wahl
       durchzupeitschen.
       
       Doch gegenüber der taz äußerten sich Berater von Regierungschef Dbaiba
       skeptisch: „Wahlen gelten in diplomatischen Kreisen als Meilenstein im
       Übergangsprozess von einer Konfliktregion zur Demokratie“, sagte
       Abdelnasser al-Najah, „doch ohne die Etablierung von politischen Parteien
       werden dadurch eventuell nur die bestehenden Stammes- oder
       Milizenstrukturen verstärkt. Zudem benötigen Zivilgesellschaft und
       Politiker die Garantie von den internationalen Partnern (der libyschen
       Akteure, Anm. d. Red.), dass die Ergebnisse auch anerkannt werden.“ 2014
       hatten Milizen aus Misrata und Tripolis die Ergebnisse der Parlamentswahl
       bestritten.
       
       Das einwöchige Arbeitstreffen bei Genf zeigt, wie groß die Spaltungen in
       dem Land weiterhin sind. Delegierte berichten zudem von
       Bestechungsversuchen, Drohanrufen und Geheimabsprachen während der Genfer
       Gespräche. „Diese auf Geld oder Stammesbeziehungen basierenden
       Parallelabsprachen gefährden den Einfluss der Zivilgesellschaft und der
       Frauen auf den demokratischen Übergangsprozess in Libyen“, sagte Elham
       Saudi, Menschenrechtsaktivistin und LPDF-Mitglied, der taz am Telefon aus
       Genf.
       
       Von Deutschland, einem der größten Geldgeber der UN-Mission für Libyen,
       fordern Aktivisten wie Saudi, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die
       sich Wahlen und dem Friedensprozess in den Weg stellen. Der ehemalige
       Leiter der libyschen Wahlkommission, Othman Gajiji, hält die Durchführung
       der Wahl im Dezember kaum noch für möglich und kritisiert den mangelnden
       Druck auf die libyschen Akteure.
       
       Feldmarschall Chalifa Haftar ließ derweil bereits verkünden, er werde einen
       neuen Versuch starten, die Hauptstadt von Milizen zu befreien, sollte die
       Wahl nicht stattfinden.
       
       9 Jul 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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