# taz.de -- Griechen und Türken im Erdgas-Streit: Athen droht mit der Marine
       
       > Die Türkei plant Erdgas-Bohrungen in einer mit Libyen vereinbarten
       > Wirtschaftszone im Mittelmeer. Griechenland droht sich militärisch zu
       > wehren.
       
 (IMG) Bild: Sanktionen gegen Türkei: die heutige Ex-EU-Außenbeauftrage Mogherini im November 2019 mit Zyperns Verteidigungsminister Angelides
       
       ISTANBUL taz | Zwischen den Nato-Verbündeten Griechenland und Türkei droht
       ein bewaffneter Konflikt. „Wir werden es nicht hinnehmen, wenn die Türkei
       unsere Rechte verletzt“, sagt Angelos Syrigos, Abgeordneter der
       griechischen Regierungspartei Nea Democratia, „unsere Marine ist in
       Alarmzustand versetzt“.
       
       Auf der anderen Seite macht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       Stimmung: „Es ist ein Skandal, wie die griechische Regierung sich verhält“,
       sagte Erdoğan am Samstag vor Abgeordneten seiner Partei AKP.
       
       Grund für die Aufregung ist der Streit um Förderrechte bei Gas- und
       Ölvorkommen im östlichen Mittelmeer. Seit Jahren sind große Gasvorkommen
       rund um Zypern, südöstlich von Kreta sowie vor der israelischen und der
       ägyptischen Küste bekannt. Unter Ausschluss der Türkei haben sich
       Griechenland, Zypern, Israel und Ägypten zusammengetan, um diese
       Gasvorkommen auszubeuten und das Gas in komprimierter Form nach Europa zu
       verkaufen.
       
       Seit langem fordert die Türkei einen Anteil am Gas im östlichen Mittelmeer.
       Gegen den Protest der griechisch-zypriotischen Regierung hat Ankara bereits
       mehrmals Spezialschiffe für Suchbohrungen in Richtung Zypern geschickt,
       weil auch der türkische nordzypriotische Teil der Insel in die Pläne der
       griechisch-zypriotischen Regierung nicht eingeschlossen ist.
       
       ## Wirtschaftszone mit Libyen
       
       Jetzt hat die Erdoğan-Regierung einen echten Coup gelandet und mit der
       schwachen, aber international anerkannten libyschen Regierung in Tripolis
       eine gemeinsame „exklusive Wirtschaftszone“ quer über das Mittelmeer
       ausgehandelt. Sie erstreckt sich zwischen Kreta im Westen, Zypern im Osten,
       der türkischen Küsten im Norden und der libyschen Küste im Südwesten.
       
       Erdoğan will so die Isolation der Türkei im Mittelmeer durchbrechen und vor
       allem den griechischen Plänen einen Riegel vorschieben, die das Gebiet
       zwischen Zypern und Kreta für sich beansprucht.
       
       Der Ende November geschlossene Vertrag sorgt in Athen für Empörung. Der
       neue konservative Regierungschef Kyriakos Mitsotakis fordert die
       Solidarität der EU und der Nato gegen den „illegalen Vertrag“. Doch beide
       zeigen wenig Neigung sich einzumischen.
       
       Zwar hat die EU wegen der Bohrungen rund um Zypern, die sie als illegal
       betrachtet, zaghafte Sanktionen gegen die Türkei beschlossen. Zu dem neuen
       türkisch-libyschen Vertrag hat sie bislang aber nicht Stellung bezogen.
       Auch die Nato wollte das Thema bei ihrem Treffen Anfang vergangener Woche
       in London nicht aufgreifen, so dass sich Mitsotakis am Ende allein zu einem
       Treffen mit Erdoğan einfand, der ihn aber kühl abblitzen lies.
       
       Kaum zurück in Griechenland nahm sich Mitsotakis den vermeintlich
       schwächeren Gegner vor und kündigte die Ausweisung des libyschen
       Botschafters aus Athen an. Der Mann habe drei Tage Zeit auszureisen, sagte
       der griechische Außenminister Nikos Dendias am Freitag. Libyen habe sich
       geweigert, der griechischen Regierung die Details des Vertrages
       mitzuteilen.
       
       Erdoğan kritisierte die Ausweisung scharf und kündigte an, sobald der
       Ratifikationsprozess des Vertrages abgeschlossen sei, werde man mit den
       Bohrungen in der Zone beginnen. Das werde Griechenland notfalls militärisch
       verhindern, sagte der Abgeordnete Syrigos vergangene Woche gegenüber dem
       TV-Sender Al Jazeera.
       
       ## Erinnerungen an die achtziger Jahre
       
       Während der Streit in der türkischen Öffentlichkeit noch ein Thema unter
       vielen ist, beherrscht er in Griechenland die Medien. Erinnerungen an die
       achtziger Jahre werden beschworen, als es im Streit um die Hoheitsgebiete
       in der Ägäis schon einmal fast zu einem offenen Krieg zwischen Griechenland
       und der Türkei gekommen wäre.
       
       „Wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor“, sagte Verteidigungsminister
       Nikos Panayotopoulos dem griechischen TV-Sender Skai News letzte Woche.
       „Wir warten nicht darauf, dass uns jemand zur Hilfe kommt. Was wir machen,
       machen wir allein.“
       
       Ob die vereinbarte „exklusive Wirtschaftszone“ nach internationalem
       Seerecht zulässig ist oder nicht, ist umstritten, weil sich im östlichen
       Mittelmeer die Einflusszonen der Anrainerstaaten überlappen. Im konkreten
       Fall geht es vor allem um die Frage, ob den griechischen Inseln Kreta,
       Rhodos und Karpathos ein eigener sogenannter Festlandssockel zusteht oder
       nur eine 12 Meilen umfassende Hoheitszone.
       
       Zypern hat angekündigt, die Sache vor den internationalen Gerichtshof in
       Den Haag zu bringen. Zuständig wäre aber wohl eher der internationale
       Seegerichtshof in Hamburg.
       
       8 Dec 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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