# taz.de -- Kabarettistin ausgeladen: Lisa tritt hier nicht mehr auf
       
       > Die umstrittene Kabarettistin Lisa Eckhart sollte im September in Hamburg
       > auftreten. Nun ist der Termin abgesagt – nach Hinweisen auf Protest.
       
 (IMG) Bild: Opfer der „Cancel Culture“? Kabarettistin Lisa Eckhart tritt nicht beim „Harbour Front“-Festival auf
       
       HAMBURG taz | Ist da eine Eskalation vermieden worden, möglicherweise sehr
       reale Gewalt gegen arglose Literaturinteressierte abgewendet? Oder hat sich
       der Kulturbetrieb einem anonym agierenden, Drohungen aussprechenden – ach
       ja: sogenannt linken – Mob gebeugt?
       
       Das kommt darauf an, wem diese Fragen gestellt werden. Unstrittig ist
       zunächst: Anders als geplant und angekündigt, tritt die Kabarettistin Lisa
       Eckhart Mitte September nicht in Hamburg auf. Das hätte sie tun sollen im
       Rahmen des [1][Literaturfestivals „Harbour Front“]. Seit Mittwoch aber ist
       der Termin abgesagt. Und das nicht aus Termingründen oder gar wegen des
       Seuchenschutzes: Es geht um nicht ganz neue Vorwürfe gegen Eckhart, um
       besorgte Veranstalter*innen und irgendwie auch um den (angeblich) etwas
       anderen Stadtteil Hamburg-St. Pauli.
       
       Dass die 27-Jährige in ihren Bühnenprogrammen rassistische, ja:
       antisemitische Klischees reproduziere, das haben Kritiker*innen nicht erst
       jetzt geäußert: Im Mai hatte diese Diskussion einen vorläufigen Höhepunkt
       erreicht, und eine Rolle spielte dabei auch ein da schon nicht mehr ganz
       frischer [2][Auftritt Eckharts im WDR-Fernsehen]. Darin ging es unter
       anderem um #meetoo sowie um Woody Allen, Roman Polanski und Harvey
       Weinstein: Da habe man „die Juden“ gegen den Vorwurf verteidigt, es ginge
       ihnen nur ums Geld, „und jetzt plötzlich kommt heraus: Denen geht's
       wirklich nicht ums Geld, denen geht's um die Weiber, und deswegen brauchen
       sie das Geld.“
       
       Der WDR erklärte auf die vielstimmige Kritik hin, Eckhart habe „ein
       hochaktuelles, für Satire naheliegendes Thema gewählt und dabei Vorurteile
       gegenüber Juden, People of Color, Homosexuellen, Transgendern und Menschen
       mit Behinderungen aufgegriffen, um genau diese Vorurteile schonungslos zu
       entlarven“. Beistand erhielt sie unter anderem vom Kabarettisten-Kollegen
       Dieter Nuhr und, vielleicht überraschender, vom [3][Welt-Kolumnisten Henryk
       M. Broder]. Wohlgemerkt: Nicht im September 2018 war das nötig, als der
       Auftritt erstmals im TV lief. Sondern erst jetzt, im Mai.
       
       Die Einladung zu dem Hamburger Festival brachten Eckhart nun nicht ihre mal
       besser, mal schlechter gelingenden Kabarettstückchen ein, sondern ihr
       anstehender erster Roman: Damit hatte die Österreicherin es in die letzte
       Runde des Wettbewerbs um den Klaus-Michael-Kühne-Preis geschafft: Diese mit
       immerhin 10.000 Euro dotierte Auszeichnung vergibt das Festival alljährlich
       an eine*n Debütant*in.
       
       Wie [4][der Spiegel] und danach [5][die Welt] berichteten, wurde sie
       ausgeladen, und das wegen Sicherheitsbedenken. Was am Donnerstag dann die
       Betreiber*innen des [6][“Nochtspeichers“ in Hamburg-St. Pauli] bestätigten
       – unter Hinweis auf eine aus ihrer Sicht „bedrohlich um sich greifende
       ‚Cancel Culture‘“: Man sehe sich außerstande, im Falle einer Lesung die
       Sicherheit der Besucher*innen und der Künstlerin zu gewährleisten. In einem
       am Nachmittag veröffentlichten Statement verweist der Veranstaltungsort auf
       ähnliche Vorgänge im Jahr 2016: Damals war eine Lesung des Kolumnisten
       Harald Martenstein gesprengt worden.
       
       „Alle Beteiligten sollten ein Recht auf die ungestörte Vorstellung haben“,
       heißt es weiter. Die aber sei eben nicht „zu garantieren, in einem der
       Viertel Hamburgs, wo eine Eskalation am wahrscheinlichsten ist“. Angesichts
       von „besorgten Warnungen aus der Nachbarschaft“ sei man davon ausgegangen,
       dass die Veranstaltung „gesprengt werden würde, und zwar möglicherweise
       unter Gefährdung der Beteiligten, Literaten wie Publikum“. Daher habe man
       sich an die Festivalleitung gewandt – und diese habe Verständnis gezeigt.
       
       Zur Vorgeschichte soll indes auch gehören: Andere Künstler*innen hatten
       sich geweigert, mit Eckhart aufzutreten. Das Narrativ von der Zensur durch
       den autonomen Hafenstraßenmob allerdings verfängt sichtlich besser. Zu Wort
       meldete sich am Donnerstag wiederum – Dieter Nuhr: „Was für ein Skandal!
       Der Protestmob auf der Straße entscheidet also darüber, wer hier bei uns
       seine Kunst ausüben darf“, schrieb der Kabarettist [7][auf Facebook].
       
       6 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://harbourfront-hamburg.com/
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=sbeRwNsgG54&t=3003s
 (DIR) [3] https://www.welt.de/kultur/plus207964637/Henryk-M-Broder-Lisa-Eckhart-ueberfordert-Publikum-und-Berufsempoerte.html
 (DIR) [4] https://www.spiegel.de/kultur/literatur/hamburg-lisa-eckhart-vom-harbour-front-literaturfestival-ausgeladen-a-ab18855d-0381-4e13-a232-2c9e00ef031b
 (DIR) [5] https://www.welt.de/vermischtes/article212971240/Lisa-Eckhart-von-Festival-ausgeladen-Nuhr-ist-empoert.html
 (DIR) [6] https://www.nochtspeicher.de/
 (DIR) [7] https://www.facebook.com/pg/nuhr.de/posts/?ref=page_internal
       
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 (DIR) Alexander Diehl
       
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       selbst zum_zur Gegner_in der Political Correctness. Manchen reicht das
       nicht.