# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Berlin: Ein Vertrag für alle
       
       > Der Koalitionsvertrag ist ein Signal der CDU, unbedingt regieren zu
       > wollen. Er ist nicht nur als Angebot an die SPD-Basis zu verstehen.
       
 (IMG) Bild: Die Vier von CDU und SPD am Freitag: Saleh, Giffey, Wegner, Evers (v. l.)
       
       Seit drei Wochen verhandeln CDU und SPD in Berlin [1][über ihren
       Koalitionsvertrag]. Die anfängliche Verwunderung über den straffen Zeitplan
       nach der Wiederholungswahl am 12. Februar hat sich gelegt; beide Parteien
       arbeiten rasch, zielorientiert und – wie es vielfach heißt – in
       [2][konstruktiver, angenehmer Atmosphäre]. Am Montag soll der Vertrag
       vorgestellt werden; kaum vorstellbar, dass sich bis dahin noch unlösbare
       Konflikte ergeben.
       
       Die größte Hürde kommt erst danach: Die SPD-Basis muss dem Vertrag und
       damit der Koalition in einer Mitgliederbefragung zustimmen. Viele
       Delegierte in den Kreisverbänden bezweifeln, dass CDU und SPD überhaupt
       zusammenpassen. Offenbar in vorauseilendem Gehorsam hat die CDU daher
       [3][zahlreichen Positionen der SPD zugestimmt]: im Bereich Arbeit und
       Soziales etwa, bei der Gebührenfreiheit der Bildung, bei der Umsetzung des
       Enteignen-Volksentscheids, im Klimaschutz und beim Kampf gegen Rassismus
       und für Vielfalt.
       
       Sogar das vor allem auf Drängen der Linkspartei eingerichtete Programm
       „Housing first“, mit dem Obdachlose vorbehaltlos eine Wohnung bekommen,
       werde weitergeführt, hieß es am Freitag. Darüber hinaus soll die SPD genau
       so viele Senator*innen bekommen wie die Union, obwohl die
       Sozialdemokrat*innen mit 18 Prozent abgeschlagen [4][hinter der CDU
       mit 28 Prozent lagen].
       
       Zwar konnte die CDU auf den Zielgeraden eigene wichtige Punkte durchsetzen:
       die Einführung eines Wahlpflichtfachs „Weltanschauung und Religion“, die
       Stärkung der Gymnasien und Privatschulen und die beabsichtigte
       Eigenheimförderung für Familien. Dennoch darf man schon mal das
       Gedankenspiel wagen, ob auch die CDU-Basis in einer Urabstimmung dem
       Vertrag zustimmen würde.
       
       Doch die CDU, die zuletzt 2001 den Regierenden Bürgermeister stellen
       konnte, ist heiß darauf, das Rote Rathaus endlich wieder übernehmen zu
       können: Für Parteichef und Spitzenkandidat Kai Wegner, von der Bundespartei
       wenig geliebt und im Wahlkampf als [5][„einsamer Kai“ von der SPD]
       verspottet, wäre das die größte Genugtuung. Darüber hinaus ist sein Kurs
       weit in die politische Mitte hinein taktisch notwendig.
       
       ## Machtoptionen jenseits der SPD
       
       Zum einen gibt es in Berlin weiterhin eine strukturell linke Mehrheit, wie
       die Wiederholungswahl zeigte. Zum anderen kann sich Wegner so
       perspektivisch mehr Machtoptionen eröffnen als nur die SPD. Seine Taktik,
       mit Grünen und SPD parallel zu sondieren, war bereits dahingehend
       aufgegangen, dass sie beide Parteien unter Druck setzte und das Misstrauen
       zwischen SPD und Grünen stärkte. Aus Angst, nicht aus freien Stücken in der
       Opposition zu landen, zerriss die SPD das Tischtuch mit ihren bisherigen
       Koalitionär*innen und wählte lieber das Los, Juniorpartner*in in
       einem Bündnis mit der Union zu sein.
       
       Sie eröffnete damit auch die Möglichkeit einer Koalition zwischen Grünen
       und CDU – ohne massive Not würde die Grünen-Basis nie einem Bündnis mit der
       Union zustimmen. Der Vertrag, den Wegner nun mit der SPD ausgehandelt hat,
       muss daher auch als Angebot an die Grünen gelesen werden. Sicher, nicht in
       allen Punkten könnten sie dem komplett zustimmen, vor allem in den
       Bereichen Innere Sicherheit, Stadtentwicklung und Verkehr. Aber der
       CDU-Chef signalisiert damit, dass weitgehende Zugeständnisse möglich sind.
       Sollte die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag nicht zustimmen, könnten die
       Grünen schon in wenigen Wochen erneut mit dem Angebot der CDU konfrontiert
       sein. Und sonst eben 2026.
       
       31 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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