# taz.de -- Kurden fordern kulturelle Rechte: „Warum hilft uns Europa nicht?“
       
       > Tausende Kurden solidarisieren sich mit dem Hungerstreik von Gefangenen
       > und protestieren gegen Diskriminierung. Sie fordern Rechte und Freiheit.
       
 (IMG) Bild: Landesweite Proteste: Die Polizei setzte Tränengas gegen die Demonstranten ein.
       
       DIYARBAKIR taz | In Solidarität mit den Tausenden hungerstreikenden Kurden
       in türkischen Gefängnissen sind am Sonntag Zehntausende Menschen in der
       ganzen Türkei auf die Straße gegangen. In Diyarbakir, der inoffiziellen
       Hauptstadt der Kurden in der Osttürkei, versammelten sich Tausende Menschen
       vor dem zentralen Gefängnis.
       
       „Wir sind hier, um die Hungerstreikenden zu unterstützen“, sagte Bilge,
       eine Teilnehmerin des Protests. Immer wieder rief die Menge: „Unser
       Widerstand ist für die Hungerstreikenden.“ Auch in Batman, Erzurum, Van und
       anderen kurdischen Städten fanden Demonstrationen statt.
       
       Vor 62 Tagen hat eine Gruppe von Kurden einen Hungerstreik begonnen.
       Mittlerweile haben sich laut Aktivistenangaben Tausende weitere Gefangene
       dem Hungerstreik angeschlossen. „Ihre Forderungen sind unsere Forderungen“,
       sagte Bilge.
       
       Ihr Ehemann ist ebenfalls im Gefängnis und hat sich vor einer Woche dem
       Hungerstreik angeschlossen. „Wir wollen, dass Abdullah Öcalan Teil einer
       politischen Lösung ist und dass in unseren Schulen auf Kurdisch
       unterrichtet wird“, sagte Bilge.
       
       ## Parlamentsabgeordnete im Hungerstreik
       
       Abdullah Öcalan ist der Anführer der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Seit
       seiner Festnahme im Jahre 1999 sitzt er im Gefängnis auf einer
       abgeschotteten Insel. Seit Monaten wird ihm der Kontakt zu seinen Anwälten
       verwehrt. Für die Mehrheit der Kurden ist er die zentrale Figur des
       Widerstands, ohne den eine dauerhafte politische Lösung nicht möglich ist.
       
       Die Kurden der Türkei fordern mehr politische Teilhabe und kulturelle
       Rechte. Die türkische Regierung geht immer wieder mit Festnahmen gegen
       kurdische Politiker und Aktivisten vor. Gültan Kisanak sowie fünf weitere
       kurdische Parlamentsabgeordnete haben sich am Samstag ebenfalls dem
       Hungerstreik angeschlossen.
       
       „Wir versuchen mit der türkischen Regierung zu sprechen, aber sie reagiert
       nicht“, sagte sie am Samstag der taz. „Wir wollten diesen Hungerstreik
       nicht. Doch wir sehen keine andere Möglichkeit mehr.“ Kisanak sitzt seit
       sechs Jahren für die kurdische Friedens- und Demokratiepartei im türkischen
       Parlament. „Mein Ehemann sagt, der Gesundheitszustand einiger
       Hungerstreikenden ist sehr schlecht“, sagte Bilge.
       
       Die Hungerstreikenden nehmen gezuckertes Wasser und Vitamine zu sich.
       Dennoch ist laut Medizinern nach 60 Tagen mit den ersten Toten zu rechnen.
       Laut Angaben der Menschrechtsorganisation Human Rights Watch wird einigen
       Gefangenen der Zugang zu Ärzten verwehrt. „Wenn die ersten Menschen in den
       Gefängnissen sterben, dann wird die Situation in der Türkei sehr
       gefährlich“, so Kisanak.
       
       ## Zusammenstöße im Osten des Landes
       
       Mit einem großen Aufgebot von Wasserwerfern umzingelte die türkische
       Polizei den Protest in Diyarbakir. Bereits in den vergangenen Tagen war es
       im Osten des Landes immer wieder zu Zusammenstößen gekommen „Wir wissen,
       dass sie uns angreifen werden, doch das kümmert uns nicht“, sagte Derya
       (Name geändert), die zusammen mit ihren fünf Kindern demonstrierte. „Europa
       schläft. Warum hilft uns Europa nicht und übt Druck auf die Türkei aus?“
       Deutschland und die Europäische Union haben die PKK als Terrororganisation
       eingestuft.
       
       Nach dem Ende der Kundgebung vor dem Gefängnis zogen mehrere tausend meist
       Jugendliche Kurden durch die Innenstadt. Nach einer Stunde eskalierte die
       Situation. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und schoss Tränengasgranaten
       in die Menge. Jugendliche antworteten mit Steinwürfen. „Die Polizei hasst
       uns“, sagte Mazlum, einer der jugendlichen Demonstranten. „Wir sind hier,
       weil Freunde von uns eingesperrt sind. Und solange Öcalan nicht frei ist,
       können wir nicht frei sein. “
       
       11 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Raphael Thelen
       
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