# taz.de -- Linksfraktion aufgelöst: Neue Zeitrechnung für die Linke
       
       > Der Fraktionssaal ist schon geräumt, ab Mittwoch null Uhr ist die
       > Linksfraktion im Bundestag Geschichte. Die Abgeordneten sind jetzt auf
       > sich gestellt.
       
 (IMG) Bild: Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch (r.) und sein Sprecher Michael Schlick nach dem Pressestatement zur Auflösung der Linkspartei im Bundestag
       
       BERLIN taz | Ab Mittwochmorgen um null Uhr hat Thomas Westphal einen neuen
       Job. Acht Jahre lang hat der 51-Jährige das Vorstandsbüro der Linksfraktion
       im Bundestag geleitet, doch dieses Büro gibt es nicht mehr. Westphal ist
       jetzt Liquidator, so heißt das offiziell. Mit einem Team wickelt er die
       Linksfraktion im Bundestag ab, die sich an diesem Mittwoch offiziell
       auflöst. [1][So hat es die Fraktion Mitte November beschlossen und dem
       Bundestag mitgeteilt], weitere formale Schritte braucht es nicht. „Damit
       beginnt eine neue Zeitrechnung“, sagt Westphal.
       
       Mit Uwe Hobler, dem bisherigen Finanzbeauftragten der Linksfraktion, und
       acht weiteren Mitarbeiter*innen macht Westphal nun alles, was zur
       Auflösung einer Fraktion gehört – vom Sozialplan über das Abschalten von
       Technik bis zum Archivieren von Möbelstücken aus bisher genutzten Büros.
       
       Der bisherige Fraktionssaal im Reichstagsgebäude ist schon geräumt, der
       Namensschriftzug verschwunden, die Bilder von Clara Zetkin und Lothar
       Bisky, von Heiner Müller und Jean-Jacques Rousseau sind abgehängt. „Wir
       sind ein lernendes Gebilde“, sagt Westphal. Das soll heißen, dass man sich
       um Korrektheit bemüht und ja nichts verschleppen will, aber den Vorgang
       eben auch zum ersten Mal macht. Zumal es dafür kein Vorbild gibt: Dass sich
       eine Fraktion mitten in der Legislaturperiode auflöst, das gab es im
       Bundestag noch nie.
       
       Die 38 Abgeordneten, egal, ob sie sich weiter [2][der Linken] oder dem
       [3][Bündnis um Sahra Wagenknecht] zugehörig fühlen, sind zunächst
       fraktionslos, also im Bundestag auf sich allein gestellt. Ausschusssitze
       und der Vorsitz im Klima- und Energieausschuss, den bislang der
       Wagenknecht-Vertraute Klaus Ernst innehatte, gehen verloren. Petra Pau
       aber, die Bundestagsvizepräsidentin der Linken, kann ihren Posten behalten:
       Sie ist vom Parlament für die gesamte Legislaturperiode gewählt.
       
       ## Bündnis Sahra Wagenknecht beantragt Gruppenstatus
       
       Die verbleibenden Linken-Abgeordneten haben in der vergangenen Woche beim
       Bundestag die Anerkennung als Gruppe beantragt. Die
       Parlamentarier*innen vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ wollen das nach
       eigenen Angaben in der kommenden Woche tun. Als Gruppen stünden ihnen
       wieder mehr Rechte und Ressourcen zu. Auch die Weiterbeschäftigung eines
       Teils der 108 Mitarbeiter*innen könnte dann möglich sein.
       
       Ältestenrat und Plenum des Bundestags werden sich mit den Anträgen
       beschäftigen; wann die Entscheidungen fallen, ist laut Bundestagsverwaltung
       noch offen. Unklar ist bislang auch, wo die Abgeordneten künftig sitzen
       werden. Viel spricht dafür, dass es in der kommenden Woche, der letzten
       regulären Sitzungswoche in diesem Jahr, noch so bleibt wie bisher. Bevor
       man zu einer neuen Sitzordnung kommt, müsse über die Anerkennung als
       Gruppen entschieden werden, so die Bundestagsverwaltung.
       
       Möglicherweise warten alle Zuständigen auch erst einmal den 19. Dezember
       ab. Dann entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Wiederholung der
       Bundestagswahl in Berlin – und falls es für die Linken ganz extrem schlecht
       läuft, könnte es dramatische Folgen haben. Dann nämlich, wenn auch in den
       Wahlkreisen, in denen Gregor Gysi und Gesine Lötzsch ihre Direktmandate
       holten, neu gewählt werden muss.
       
       Die beiden sorgten neben dem Direktmandat von Sören Pellmann in Leipzig
       dafür, dass die Linken, obwohl sie knapp an der Fünfprozenthürde
       gescheitert waren, wieder in den Bundestag einzogen. Dass Gysi und Lötzsch
       ihre Direktmandate verlieren, ist nach Einschätzung von Experten aber
       unwahrscheinlich – erwartet wird nicht, dass in ihren Wahlkreisen erneut
       abgestimmt werden muss.
       
       6 Dec 2023
       
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