# taz.de -- Misstrauensvotum in Rom: Salvini beendet Italiens Urlaub
       
       > Innenminister Matteo Salvini stellt die Machtfrage. Der Bau einer
       > Schnellbahnstrecke ist dafür zwar der Anlass, nicht aber der Grund.
       
 (IMG) Bild: Werbetour – oder noch Urlaub? Matteo Salvini mit einem Jetski der Polizei in Milano Marittima
       
       BERLIN taz | Es ist die Zeit, in der sich Italien eigentlich zurückzieht,
       an die Strände, in die Berge – da wo es kühl ist oder das Wasser die Hitze
       erträglich macht. Ferragosto steht vor der Tür, der sommerliche Feiertag am
       15. August. Doch die italienische Politik muss sich von der Vorstellung
       ruhiger Ferien verabschieden: Die Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und
       der rechten Lega von Innenminister Matteo Salvini steht vor dem Aus. Am
       Freitag hat die Lega ein Misstrauensvotum im Senat gegen Regierungschef
       Giuseppe Conte beantragt.
       
       Schon am Donnerstag hatte Salvini erklärt, [1][er strebe möglichst rasche
       Neuwahlen an]. „Ich werde die Italiener auffordern, [2][mir volle
       Befugnisse“ zu geben], sagte er in Pescara in den Abbruzzen.
       
       Der Streit innerhalb der Regierung schwelt seit Monaten. Zum Anlass, nun
       den endgültigen Bruch auszurufen, hatte Salvini eine Abstimmung am
       Mittwochabend im Senat genommen. Bei der ging es um ein umstrittenes
       Milliardenprojekt: den [3][Bau der Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke
       zwischen Turin und Lyon (Tav)].
       
       Die Fünf Sterne hatten stets ihren Widerstand gegen die Trasse bekundet und
       sich auch am Mittwoch dagegen gestellt. Die Lega aber beharrt darauf,
       welche positive Bedeutung die Bahnverbindung für Italiens Wirtschaft haben
       könnte. „Zu viel Nein (…) schadet Italien, das stattdessen wieder zum
       Wachstum zurückkehren und daher schnell wählen gehen muss“, erklärte die
       Lega am Freitag. „Wer Zeit verliert, schadet dem Land.“
       
       ## Koalitionsbruch mit Ansage
       
       Das ist der Anlass – allerdings wohl kaum der wahre Grund. BeobachterInnen
       von Italiens Politik hatten schon lange den Eindruck, dass Salvini einen
       Koalitionsbruch provozieren wollte. Denn [4][die Lega] erreicht in Umfragen
       derzeit zwischen 34 und 39 Prozent – während [5][die Fünf Sterne] heftig
       abgesunken sind. Bei Neuwahlen wären die Rechten so locker die stärkste
       Partei.
       
       „Nach den Europawahlen hat Salvini einfach nach einem Grund gesucht, diese
       Koalition zu beenden“, sagt auch Politikwissenschaftler Paweł Tokarski von
       der Stiftung Wissenschaft und Politik, – und habe diesen nun im Streit über
       die Tav gefunden.
       
       Salvini sei ein „sehr guter Stratege“, der lange auf bessere Umfragewerte
       für seine Lega gewartet habe. Nun hat er die besten in der Geschichte
       seiner Partei – „und die Lega kann potenziell allein regieren“, sagt
       Tokarski.
       
       Der Politikwissenschaftler weist auf die steigende Tendenz der Werte hin.
       Dann bräuchte Salvinis Lega nicht einmal mehr die konservativen Forza
       Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die neben der
       rechtsextremen Fratelli d'Italia mögliche Bündnispartnerin für eine rechte
       Allianz wäre. „Salvini ist sehr gut in politischen Kampagnen“, so Tokarski.
       „Und wir müssen in Betracht ziehen, dass die Wahlen nicht sofort sind,
       sondern frühestens Mitte Oktober.“
       
       ## Conte spricht ein Machtwort
       
       Dem Vernehmen nach hätte Salvini gern eine Neuwahl am 13. Oktober. Bis
       dahin hat der berühmteste Kopf der rechten Partei noch viel Zeit für
       Meinungsmache. Allerdings: So gerne Salvini tut, als bestimme er über die
       gesamte italienische Politik, so stehen vor einer neuen Wahl einige
       Schritte – ganz abgesehen davon, dass nur Staatspräsident Sergio Mattarella
       die Macht hat, das Parlament aufzulösen.
       
       Am Montag um 16 Uhr soll sich auf einer Sitzung der Fraktionsvorsitzenden
       des Senats entscheiden, wann die Abgeordneten für ein Votum aus ihrer
       Sommerpause nach Rom zurückkehren müssen. Natürlich könnte der parteilose
       Ministerpräsident Conte auch einfach zurücktreten – doch das ist
       unwahrscheinlich.
       
       Er hatte Salvini am späten Donnerstag scharf in die Schranken gewiesen und
       erklärt, einem Innenminister stehe nicht zu, das Parlament
       zurückzubeordern. Conte forderte Salvini auf, sich im Senat den
       Abgeordneten und den WählerInnen zu erklären.
       
       Wenn der Misstrauensantrag der Lega durchkommt, könnte Präsident Mattarella
       zunächst ausloten, ob die Kräfteverhältnisse im Parlament eine andere
       Koalition zulassen. Gewinnt Conte die Abstimmung, kann er zwar weiter
       regieren, muss sich dafür aber auch eine neue Mehrheit organisieren. Die
       „Demokratische Partei“ (Partito Democratico, PD) hätte zusammen mit den
       Fünf Sternen zwar eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme, aber die
       beiden Parteien trennt inhaltlich einiges von einer erfolgreichen
       Zusammenarbeit.
       
       Wenn nach dem Ausgang des Misstrauensvotums keine alternative Mehrheit
       zustande kommt, hat Mattarella zwei Möglichkeiten: die Parlamentskammern
       auflösen oder eine Übergangsregierung aus Experten bis zum nächsten
       regulären Wahltermin zu ernennen. Solche sogenannten technischen
       Regierungen haben in Italien durchaus Tradition, zuletzt regierte unter
       Mario Monti von 2011 bis 2013 ein solches Kabinett. Da der neue Haushalt
       für 2020 beschloßen und im Oktober bei der EU eingereicht werden soll,
       spricht einiges dafür, dass Mattarella letzter Variante zuneigen wird.
       
       So lange aber, bis es mit dem neuen Haushaltsgesetz ernst wird, wollte
       Salvini offenbar nicht abwarten – aus Kalkül? „Salvini könnte auch nicht zu
       lange auf die Neuwahlen warten“, sagt Politologe Tokarski. „Denn in der
       Wirtschaftspolitik hat die Lega auch nicht so viel geschafft.“ Hier könnten
       die WählerInnen bald merken, dass Salvini seine Versprechen nicht einhalte.
       
       9 Aug 2019
       
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 (DIR) Eva Oer
       
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