# taz.de -- Pride Parade in Israel: Queer unter Rechtsextremen
       
       > Unter Anfeindungen startet am Donnerstag die Pride Parade in Jerusalem.
       > Für die Sicherheit zuständig ist ausgerechnet der rechte Minister Ben
       > Gvir.
       
 (IMG) Bild: Die Pride Parade im konservativen Jerusalem, hier 2011, war schon immer anders als in Tel Aviv
       
       TEL AVIV taz | Seit jeher hat die [1][Pride Parade in Jerusalem] ein
       anderes Image als im nur fünfzig Autominuten entfernten Tel Aviv. Hier die
       [2][Partystadt Tel Aviv], die liberale Blase des Landes, dort das religiös
       geprägte, extrem konservative Jerusalem. Wer in Jerusalem zur queeren Pride
       Parade auf die Straßen geht, weiß: Dem Marsch weht seit seiner ersten
       Ausrichtung 2002 immer wieder heftiger Gegenwind entgegen.
       
       Doch in diesem Jahr findet die Parade zum ersten Mal unter Benjamin
       Netanjahus [3][extrem rechter und religiöser Regierung] statt. Für die
       Sicherheit der Parade ist der rechtsextreme Minister für Nationale
       Sicherheit, [4][Itamar Ben Gvir], zuständig – ausgerechnet. Denn der ist in
       der Vergangenheit als militanter Gegner der Parade aufgetreten.
       
       Organisiert wird der Marsch vom Jerusalemer Offenen Haus für Stolz und
       Toleranz. Dessen Vorsitzender Yonatan Walfer sieht die Parade in einer
       kafkaesken Situation: „Die Person, die für die Sicherheit der Parade in
       Jerusalem verantwortlich ist, ist nun dieselbe Person, die jahrelang
       versucht hat, die Parade nicht stattfinden zu lassen und gegen sie und die
       homosexuelle Gemeinschaft gehetzt hat.“
       
       Die Organisator*innen hatten sich am Samstag an Netanjahu gewandt und
       ihn gebeten, an Ben Gvirs statt die Parade zu beaufsichtigen. Doch Ben Gvir
       bestätigte Medienberichten zufolge erneut, dass er die Veranstaltung
       beaufsichtigen und sich während der Parade in der Kommandozentrale der
       Polizei aufhalten werde.
       
       ## „Diese ganzen Nichtjuden verbrennen“
       
       Unterdessen hetzen laut der israelischen Internetzeitung [5][Times of
       Israel] in einer Telegram-Gruppe der rechtsextremen Gruppierung [6][Lehava]
       verschiedene Mitglieder der Gruppe gegen die Parade: „Mögen alle
       Demonstranten durch Maschinengewehrfeuer sterben“, heißt es dort unter
       anderem. „Ich verstehe nicht, warum wir nicht diese ganzen Nichtjuden
       verbrennen, die das Land besudeln“, schreibt ein anderer, „Vielleicht wird
       Irans Bombe hier für Ordnung sorgen“ hofft ein dritter.
       
       Kopf der Gruppe Lehava ist Bentzi Gopstein – ein enger politischer
       Verbündeter von Sicherheitsminister Ben Gvir.
       
       Wie wörtlich solche Hetze zu nehmen ist, machen verschiedene Vorfälle in
       der Geschichte der Parade deutlich. Im Jahr 2005 stach Yishai Schlissel,
       ein rechter ultraorthodoxer Aktivist, auf Teilnehmer*innen der Parade
       ein, und verletzte drei.
       
       Zehn Jahre später, 2015, ging der gerade aus dem Gefängnis entlassene
       Schlissel erneut auf Teilnehmer*innen der Parade los. Er [7][tötete
       eine 16-jährige Teilnehmerin] der Parade und verletzte sechs weitere
       Personen.
       
       ## Hoffen auf die Anti-Netanjahu-Proteste
       
       Zu den Aktionen gegen die Pride Parade hatte schon damals der heutige
       Minister Ben Gvir aufgerufen, gemeinsam mit dem derzeitigen Finanzminister
       [8][Bezalel Smotrich]. In Opposition zur Pride Parade hatten sie die
       sogenannte „Bestienparade“ mitorganisiert und zum „heiligem Krieg“ gegen
       die „Abscheulichkeit“ der Pride Parade aufgerufen.
       
       Die Organisator*innen der diesjährigen Pride Parade hoffen dessen
       ungeachtet auf die bislang größte Parade in ihrer Jerusalemer Geschichte.
       Sie setzen darauf, dass sich die Massenproteste des Landes auch in der
       Pride Parade widerspiegeln.
       
       Seit mehr als vier Monaten gehen wöchentlich Hunderttausende auf die Straße
       und [9][demonstrieren] gegen die geplante Justizreform der Regierung, mit
       der die Gewaltenteilung aufgehoben werden soll. Zwischen den israelischen
       Flaggen weht immer wieder auch die Regenbogenfahne, denn die
       LGTBQI-Gemeinschaft dürfte die Folgen mit als erste zu spüren bekommen.
       
       „Der Marsch ist“, so Walfer, „gerade weil er in Jerusalem stattfindet, ein
       Symbol für die Meinungsfreiheit, für den Kampf um Gleichheit vor dem Gesetz
       und für das Recht jedes Einzelnen, in Sicherheit und mit Stolz auf das zu
       leben, was er ist.“
       
       31 May 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Judith Poppe
       
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