# taz.de -- Putin erkennt die „Volksrepubliken“ an: Schmierenkomödie eines Aggressors
       
       > Mit dem Truppenaufmarsch in der Ostukraine hat Präsident Putin vollends
       > seine Maske fallen lassen. Damit scheint das Minsker Abkommen tot zu
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Putin als Befreier von Donezk, so ließ er sich schon 2014 von seinen prorussischen Anhängern feiern
       
       Wir müssen Wladimir Putin vielleicht sogar dankbar sein: Mit der
       [1][formalen Anerkennung] der beiden sogenannten Volksrepubliken Lugansk
       und Donezk – eine Schmierenkomödie, deren Drehbuch schon lange vorher
       geschrieben worden war – hat Russlands Präsident endlich seine Maske fallen
       lassen.
       
       Jetzt ist amtlich, was schon seit Ausbruch der bewaffneten
       Auseinandersetzungen 2014 mit rund 13.000 Toten offensichtlich ist: Der
       vermeintliche ukrainische Bürgerkrieg war und ist nichts anderes als ein
       bislang primitiv camouflierter russischer Feldzug gegen den Nachbarstaat,
       für den sich die Separatisten, in Wahrheit Marionetten des Kremls,
       bereitwillig zur Verfügung stell(t)en.
       
       Beachtung verdient hier auch Putins Märchenstunde, die der eigentlichen
       Anerkennung am Montagabend vorausging und im Gewand eines historischen
       Exkurses daherkam. Fazit: Die Ukraine gibt es gar nicht, sie ist ein Irrtum
       der Geschichte – ein Staat, der, wie Putin schon des Öfteren gesagt hat,
       keine Existenzberechtigung hat. Wir erinnern uns noch gut daran, als vor
       einigen Jahren bei einer Pro-Putin-Demonstration auf dem Roten Platz in
       Moskau Plakate mit folgender Aufschrift zu sehen waren: „Die Ukraine ist
       Russland, wir werden siegen.“
       
       Auch wenn sich Putin auf der Siegerstraße wähnen mag, die Frage ist jetzt:
       Wie geht es weiter? Per Dekret hat Putin am Montagabend die Entsendung von
       Friedenstruppen in die Ostukraine angeordnet – ein Déjà-vu. Das war auch
       2008 so, als dem Krieg zwischen Russland und Georgien die Anerkennung der
       beiden Regionen Abchasien und [2][Südossetien] sowie die Entsendung
       russischer Truppen folgten. Dort stehen sie bis heute, wobei sich die
       Grenze im Fall Südossetiens immer weiter in das Landesinnere von Georgien
       verschiebt.
       
       ## Kein Gewinn, nur ein Status quo
       
       Doch die Südkaukasusrepublik ist nicht die Ukraine. Da geht es für Putin um
       weitaus mehr. Mit der offiziellen Entsendung von Truppen, um die bedrohten
       russischen Landsleute zu verteidigen, wäre nicht viel mehr gewonnen,
       sondern lediglich der Status quo festgeschrieben.
       
       Russlands Innenminister Wladimir Kolokolzew hat am Montag vorgeschlagen,
       die beiden Volksrepubliken in ihren „historischen Grenzen“ anzuerkennen,
       das heißt in den Grenzen von 2014 und damit vor dem Ausbruch des
       militärischen Konflikts. Aktuell kontrolliert jedoch Kiew den größeren Teil
       der Gebiete Lugansk und Donezk. Seit einem „[3][Referendum]“ von 2014
       betrachten die Separatisten die Grenzen der Volksrepubliken mit denen der
       gleichnamigen Gebiete als deckungsgleich.
       
       In Gesetzen, die 2019 beide Volksrepubliken verabschiedet haben, heißt es
       darüber hinaus, dass die Unverletzlichkeit dieser Grenzen notfalls auch mit
       militärischen Mitteln durchgesetzt werden müsse. Im Klartext heißt das: Es
       ist nicht ausgeschlossen, dass es in der Ukraine demnächst zu einem Krieg
       größeren Ausmaßes kommen könnte. Die Folgen, vor allem für die
       Zivilbevölkerung in der Ukraine, möchte man sich gar nicht ausmalen.
       
       Doch wie auch immer die weitere Entwicklung verlaufen wird: Mit der
       jüngsten Volte des Kreml scheint das [4][Minsker Abkommen] tot zu sein –
       ein Instrument, auf dessen Umsetzung vor allem auch die EU gesetzt hat, um
       einen Krieg zu verhindern. Unklar ist, wo jetzt diplomatische Bemühungen
       noch ansetzen können.
       
       Klar hingegen sollte sein, dass es mit Drohungen gepaart mit
       Beschwichtigungsversuchen allein nicht mehr getan ist. Will heißen: Die
       Sanktionen, die ja schon jetzt angeblich küchenfertig auf dem Tisch liegen,
       müssen sofort umgesetzt werden, ohne Wenn und Aber. Wie sonst sollte der
       Westen seine Glaubwürdigkeit bewahren?
       
       Wie lautet doch immer die Solidaritätsadresse an die Ukrainer*innen: „Wir
       stehen fest an Ihrer Seite!“ Eben. Putin hat am Montag die Karten auf den
       Tisch gelegt, der Westen muss die seinigen jetzt ausspielen.
       
       21 Feb 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Separatistengebiete-in-der-Ukraine/!5836431
 (DIR) [2] /Vereinigung-mit-Nordossetien/!5175989
 (DIR) [3] /Ukraine-nach-Abstimmung/!5042477
 (DIR) [4] /Kommentar-Waffenstillstand-Ukraine/!5020091
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Ukraine-Krise
 (DIR) Ostukraine
 (DIR) Minsk II
 (DIR) Volksrepublik Lugansk
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Russland
 (DIR) GNS
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Ukraine-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Taktik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Berliner Reaktionen zu Putins Eskalation: Neue Lage, keine Pipeline
       
       In der deutschen Politik ist man sich recht einig: Russlands Präsident ist
       zu weit gegangen. Nordstream 2 liegt auf Eis. Und nun?
       
 (DIR) Die Rede des russischen Präsidenten: Putins Geschichtsstunde
       
       Die Rede des russischen Präsidenten Putin zur Anerkennung der
       ostukrainischen Separatistengebiete ist bizarr – und historisch. Was sie
       bedeutet.
       
 (DIR) Eskalation in der Ostukraine: Angst vor Entgrenzung
       
       Nach der Anerkennung der „Volksrepubliken“ durch Moskau mahnt der
       ukrainische Präsident zur Ruhe. Die Frage ist: Geht es um weitere Gebiete?
       
 (DIR) EU zu Russlands Ukraine-Vorstoß: Von Putin kalt erwischt
       
       Die Hoffnung Deutschlands und Frankreichs, weiter im Normandieformat
       verhandeln zu können, ist dahin. Jetzt muss sich die EU neu einigen.
       
 (DIR) Nachrichten zur Russland-Ukraine-Krise: Militäreinsatz gebilligt
       
       Der russische Föderationsrat hat einen Militäreinsatz im Ausland gebilligt.
       Die EU plant weitreichende Sanktionen gegen Russland. Scholz legt Nord
       Stream 2 auf Eis.
       
 (DIR) Reaktionen aus Putins Entscheidung: EU und USA kündigen Sanktionen an
       
       Nach der Anerkennung der Separatistengebiete kündigen EU und USA scharfe
       Reaktionen an. Baerbock beklagt Bruch des Völkerrechts. Röttgen spricht von
       Kriegsrede.
       
 (DIR) Konflikt um Ostukraine: Putin gibt Minsker Abkommen auf
       
       Der Konflikt um die Ostukraine eskaliert weiter. Separatistenführer fordern
       offizielle Anerkennung durch Russland.
       
 (DIR) Putin und der Ukrainekonflikt: Nerven wie ein Mungo
       
       Was Russlands Präsident will, weiß niemand genau. In seinem Taktieren aber
       orientiert er sich erkennbar an seinem Lieblingsautor Rudyard Kipling.