# taz.de -- Rammstein, Punk und Männlichkeitswahn: Nie wieder 1984
       
       > Rammstein scheint gedanklich seit 40 Jahren festzustecken. Die
       > Schlagzeilen um Till Lindemann sollten niemanden überraschen. Am
       > wenigsten ihn selbst.
       
 (IMG) Bild: Till Lindemann, als seine Welt noch in Ordnung war. Prag im Juni 2001
       
       Ein Gimmick der aktuellen Bühnenshow von Rammstein ist die angestrahlte
       Mundhöhle von Sänger Till Lindemann. Früher hat er sich dafür über ein Loch
       in der Wange verkabelt, nun kommt das Licht von außen. Leuchten der
       Menschheit stellt sich deshalb aber nicht ein.
       
       Sollten sich die [1][schwerwiegenden Vorwürfe] weiblicher Fans erhärten,
       die öffentlich gemacht haben, bei Aftershow-Partys der Berliner Band von
       Roadies zunächst unter Drogen gesetzt und dann zum nichtkonsensualen Sex
       mit dem Rammstein-Shouter benutzt worden zu sein, dann wäre eine Grenze zum
       [2][sexuellen Missbrauch] und damit zum Strafbaren überschritten. Ist es
       das Ende des Dumpfbacken-Spektakels?
       
       Die Band hat sich in den rund 30 Jahren ihres Bestehens einen Spaß daraus
       gemacht, Grenzen auszutesten, und dafür die düsteren Seiten der Existenz
       nach Verwertbarem abgeklappert. Was als beißende Selbstironie im
       Nachwende-Berlin begann, mit sechs Losern, denen die Freundinnen
       weggelaufen waren, wurde zur weltweiten Erfolgsgeschichte mit
       Konzerttourneen in ausverkauften Stadien, die den Künstlern anscheinend
       über den Kopf gewachsen ist.
       
       Zwischen Baumarkt, Gangbang und Reichsparteitagsästhetik fand sich im
       teutonischen Rumgehample noch stets ein Tabubruch, den Lindemann in
       lieblosen Abzählreimen darstellen konnte. Im Song „[3][Ich tu Dir weh]“ aus
       dem Album „Liebe ist für alle da“ (2010), der wieder in der Setlist steht,
       heißt es etwa: „Du blutest für mein Seelenheil/Ein kleiner Schnitt und Du
       wirst geil/Der Körper schon entstellt/Egal, erlaubt ist, was gefällt“.
       
       Im Refrain bekundet Lindemann, dass es ihm keineswegs leid tue, wenn er
       jemandem Schmerzen bereitet. Aus der Ferne winkt Punk als Kläranlage von
       Machismo. Frech haben Rammstein die Vorzeichen umgedreht und kreuzen
       toxische Maskulinität mit Punkdrastik. Till Lindemann trägt gerade einen
       Irokesen-Haarschnitt, als sei wieder 1984. Punk war die Absage an Machotum,
       Frauen konnten sich dabei ebenso von Rollenbildern lösen. Anders als in der
       Exploitationshölle von Rammstein.
       
       4 Jun 2023
       
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