# taz.de -- Regierungserklärung in Italien: Postfaschistin im Spagat
       
       > Giorgia Meloni ist eine Meisterin des Sowohl-als-auch. Ihre Relativierung
       > des Mussolini-Faschismus offenbart ihr wahres Geschichtsbild.
       
 (IMG) Bild: Applaus für Meloni: nach der ersten Rede im Parlament
       
       Bei ihrer Regierungserklärung am Dienstag vor dem Abgeordnetenhaus zeigte
       Giorgia Meloni erneut, dass sie Meisterin vor allem in einer Übung ist: im
       Spagat. Diesen Spagat nimmt sie schon vor, wenn sie in den Spiegel schaut.
       Einerseits lobt sie sich – mit Recht – dafür, [1][dass erstmals eine Frau
       Regierungschefin in Italien ist]. Andererseits aber spricht sie von sich
       selbst als „Ministerpräsident“ und lehnt die weibliche Form strikt ab, so
       als wolle sie vor allem als ganzer Kerl durchgehen.
       
       Weiter geht es mit ihrer politischen Biografie. Es ist schon kühn, wenn
       Meloni – [2][die 1992 einer neofaschistischen Partei beitrat] – den
       Abgeordneten erzählt, für den Faschismus habe sie „nie Nähe oder Sympathie“
       empfunden. Zugleich aber verlangt sie die „Pazifizierung“ zwischen den
       Kräften, die zwischen 1943 und 1945 den Bürgerkrieg geführt hätten, ganz
       so, als stehe der Mussolini-Faschismus auf einer Stufe mit den
       antifaschistischen Partisanen.
       
       Und als sie an die Opfer der politischen Gewalt in den 70er Jahren
       erinnert, fallen ihr nur die jungen, von Linken ermordeten Faschisten ein,
       nicht jedoch jene Linken, die von Faschisten umgebracht wurden.
       
       Einen Spagat vollzog sie auch, als es um die Haltung der neuen Regierung zu
       Europa ging. Sie wolle die Integration „nicht sabotieren“, und sie stehe
       fest zu den europäischen Verträgen, versprach Meloni, die samt ihrer Partei
       über Jahre hinweg gegen die EU und den Euro polemisiert hatte. Andererseits
       aber kündigte sie an, Italien werde in Zukunft in Europa „seine Stimme laut
       erheben“ und „erhobenen Hauptes“ seine Positionen geltend machen, „ohne
       Minderheitskomplexe, wie es allzu oft in der Vergangenheit erschien“.
       
       Wohin die Reise wirklich geht, blieb so auch in der Regierungserklärung
       offen. Meloni, in den vergangenen Jahrzehnten Verfechterin eines
       reaktionären, ultranationalistischen Konservatismus, schwört jetzt
       plötzlich auf die „liberale Demokratie“ und auf die europäische Integration
       – am Ende werden es erst ihre Taten sein, die Aufschluss über den
       Wahrheitsgehalt ihrer Worte liefern.
       
       25 Oct 2022
       
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