# taz.de -- Renate Krößner ist tot: Is ohne Frühstück
       
       > Die Schauspielerin Renate Krößner wurde in der Rolle der „Solo Sunny“
       > berühmt. Jetzt ist sie im Alter von 75 Jahren gestorben.
       
 (IMG) Bild: Renate Krößner im September 2011
       
       Der Typ räkelt sich im Bett, super Nacht mit der Kleenen, kann jetzt noch
       ein bisschen weitergehen. Aber sie sagt: „Is ohne Frühstück.“ Er beginnt zu
       mosern, in dieser Art des dandyhaften Draufgängertums, von dem manche
       Männer glauben, sie doch noch rumzukriegen. Aber Sunny kriegt ist nicht
       rumzukriegen, sie schnoddert ihm ein „Is auch ohne Diskussion“ hin.
       
       Es ist nur eine kleine Szene, aber ganz großes Kino. Ikonografisches Kino:
       der Defa-Film „[1][Solo Sunny“ von Konrad Wolf] (Drehbuch: Wolfgang
       Kohlhaase), 1980 in die DDR-Kinos gekommen. Es ist die Geschichte von
       Ingrid, „Sunny“, die als Schlagersängerin über die Dörfer tingelt, in der
       Hoffnung auf die ganz große Karriere. Diese „Sunny“, das ist Renate
       Krößner, die Rolle hat die damals 35-Jährige berühmt gemacht. Jetzt ist die
       Schauspielerin im Alter von 75 Jahren gestorben.
       
       Sunny – und damit Renate Krößner – war eine Projektionsfläche für viele
       junge Frauen im Osten damals: selbstbestimmt, schnoddrig, unangepasst,
       sehnsüchtig. Sie verliebt sich, verliert sich, will sich umbringen. Sie
       fliegt aus Kneipen und aus dem Job, erfährt Gewalt und anhängliche Männer.
       Aber die, die sie wollen, will sie nicht. Die Krößner hat all das
       gleichermaßen mit einer Leichtigkeit und Lebenswucht gespielt, wie das
       vielleicht nur wenige können. Der Song, den sie im Film singt, komponiert
       von Günther Fischer, hat mittlerweile Kultstatus – er gehört zur
       Krößner-Sunny wie die Spelunken, in denen sie das Lied singt.
       
       Wer mit dem Namen Renate Krößner nicht sofort eine Person verbindet, hat
       spätestens das Bild der Frau mit den blonden Locken und der
       paillettenbesetzten Kopfbedeckung vor Augen, sobald man sagt: „Na, die
       Sunny, die Solo Sunny.“ Für die Rolle bekam Renate Krößner auf der
       Berlinale 1980 in Westberlin den Silbernen Bären.
       
       ## Inbegriff weiblicher Unabhängigkeit
       
       Renate Krößner wurde 1945 im Harz geboren, hat an der Berliner
       Schauspielschule studiert, an verschiedenen Theatern in der kleinen
       Republik gespielt und früh in Defa-Filmen mitgewirkt, unter anderem an der
       Seite von Manfred Krug. 1985 reiste sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten
       und späteren Ehemann Bernd Stegemann aus der DDR aus. Stegemann ist
       ebenfalls Schauspieler.
       
       Die Krößner und ihre Sunny sind nicht nur der Inbegriff weiblicher
       Unabhängigkeit und eines kompromisslosen Glücksanspruch, sie sind auch
       Gesellschaftskritik, wie beiläufig in den Film gepackt: als
       [2][Momentaufnahmen im Berliner Hinterho]f, in dem Sunny wohnt, dem
       scheinbar flüchtigen Blick auf die baufälligen Mietskasernen in Prenzlauer
       Berg, auf die abgefuckten Hotels, in denen Sunny und ihre Band unterkommen,
       auf die Versoffenheit der Männer, die um Sunny kreisen.
       
       Die Sunny war Krößners größte Rolle, im Osten wie im Westen. Alles, was
       nach der „Sunny“ kam, darunter Rollen im „Tatort“, in der TV-Reihe
       „Liebling Kreuzberg“ und im „Polizeiruf“, hatte nie die Strahlkraft wie
       diese verlorene Frau mit dem ausgebremsten Leben in der DDR.
       
       26 May 2020
       
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