# taz.de -- Sittenpolizei des iranischen Regimes: Der Westen lässt mit sich spielen
       
       > Sittenpolizei hin oder her – Unterdrückung von Frauen und
       > menschenverachtende Ideologie sind Grundpfeiler des Regimes.
       
 (IMG) Bild: Die Sittenpolizei war nur die Spitze des Eisbergs, das wissen die Iraner:innen und ihre Verbündeten
       
       Die Nachricht schlug ein. Zumindest in deutschen Medien. Bild.de titelte am
       Sonntag: „Mullah-Regime löst iranische Sittenpolizei auf!“ Auf allen großen
       Nachrichtenseiten war die Meldung zu lesen, dass der iranische
       Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri am Samstag verkündet hat,
       [1][die sogenannte Sittenpolizei aufzulösen].
       
       Dabei ist noch nicht einmal sicher, ob die Meldung so wirklich stimmt:
       Denn Montaseri hat im gleichen Atemzug gesagt, dass die Kontrollen
       weitergehen sollen. Insgesamt gab es am Sonntag einige widersprechende
       Meldungen. Auch über Dementi vonseiten des iranischen Regimes wurde in den
       sozialen Medien gesprochen. Grundsätzlich kann man sagen: Ob die
       Sittenpolizei abgeschafft wird oder nicht – für die Menschen im Iran macht
       es keinen Unterschied.
       
       Es war ebendiese Sittenpolizei, die Jina Amini am 13. September
       festgenommen hat. Ihr Tod löste die Protestbewegung aus, die nun seit fast
       drei Monaten mit unvorstellbarer Kraft Widerstand gegen das System der
       Islamischen Republik leistet.
       
       Genau darum geht es: [2][um das System]. Über die Sittenpolizei spricht im
       Iran schon lange niemand mehr. Sie spielt bei der Niederschlagung der
       Proteste keine Rolle, ebenso wenig bei der systematischen Ausübung
       sexualisierter Gewalt in iranischen Gefängnissen oder bei der Verhängung
       von Todesurteilen. Die Menschen wollen nur eines: den Sturz des Regimes.
       Sie wollen [3][Frau], Leben, Freiheit.
       
       Die Sittenpolizei ist ohnehin eine eher neue Erfindung in der Islamischen
       Republik. Die „Sitten“, wie sich Frauen zu kleiden, was sie zu tun und zu
       lassen haben, gibt es seit 1979, seit der Machtübernahme Ruhollah
       Chomeinis. Polizei und Basidsch-Milizen kontrollieren und setzen diese
       Regeln mit äußerster Brutalität durch – auch schon vor der Einführung der
       Sittenpolizei 2005.
       
       Im Iran hat die Meldung vom Sonntag viele Menschen gar nicht interessiert.
       Sie wissen, wie das Regime agiert. Im Iran gehen viele davon aus, dass die
       Verkündung, die Sittenpolizei abzuschaffen, eine Ablenkung ist. Westlichen
       Staaten soll signalisiert werden, dass der Iran sehr wohl reformfähig sei
       – ein Spiel, dass das Regime seit vielen Jahren mit dem Westen spielt. Das
       überwältigende Echo deutscher Medien ist ein Hinweis darauf, dass dieses
       Spiel immer noch allzu gut funktioniert.
       
       Unterdrückung der Frauen und menschenverachtende Ideologie sind
       Grundpfeiler des Regimes. Die iranische Führung hat vor 2005 auch ohne die
       Sittenpolizei erfolgreich Frauen unterdrückt und wird es weiter tun –
       Sittenpolizei hin oder her.
       
       4 Dec 2022
       
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