# taz.de -- Sozialwohnungen in Deutschland: Klar vorbei ist auch daneben
       
       > Statt der angekündigten 100.000 Sozialwohnungen wurden im vergangenen
       > Jahr nur 22.545 gebaut. Der Bestand ist rückläufig. Verbände schlagen
       > Alarm.
       
 (IMG) Bild: Es fallen mehr Wohnungen jedes Jahr aus der Sozialbindung, als neue gebaut werden
       
       BERLIN taz | Knapp vorbei ist auch daneben – das Sprichwort kann für den
       sozialen Wohnungsbau in Deutschland nicht gelten. Bundesbauministerin Klara
       Geywitz (SPD) hatte versprochen, dass jedes Jahr 100.000 neue
       Sozialwohnungen errichtet werden. Jetzt ist klar: Das Ziel wurde deutlich
       verfehlt. Stattdessen wurden im vergangenen Jahr nur 22.545 Wohnungen für
       Menschen mit kleinem Einkommen gebaut, nicht einmal 25 Prozent der
       geplanten Anzahl.
       
       Auch der Gesamtbestand an Sozialwohnungen [1][ist 2022 erneut gesunken],
       auf rund 1,088 Millionen Wohnungen, 14.000 weniger als noch 2021. Die
       Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der
       Bundestagsfraktion der Linken hervor, welche der Deutschen Presse-Agentur
       vorliegt. Das Minus von 14.000 Wohnungen ergibt sich daraus, dass nicht nur
       zu wenige Wohnungen gebaut wurden. Bei rund 36.500 liefen die
       Preisbindungen aus, wie Caren Lay (Linke), die Antragsstellerin der
       Anfrage, bemerkte. Sie wünscht sich ein Wohnungsbauprogramm nach Wiener
       Vorbild. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. 2010 gab es noch fast
       600.000 Sozialwohnungen mehr, 1990 waren es noch über 3 Millionen laut
       VdK-Präsidentin Verena Bentele.
       
       Gleichzeitig ist der Bedarf an Sozialwohnungen hoch, sogar elfmal höher als
       der Bestand, so der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas
       Siebenkotten. 11 Millionen Menschen hätten einen Anspruch, das sei ein
       „riesiges Problem“, die Zahl der Neubauten nennt er „kläglich“.
       
       ## Verbände fordern Kursänderung
       
       In die gleiche Bresche schlägt der Paritätische Gesamtverband. Der
       Tiefstand sei „sozial verheerend“, ärmere Menschen würden an die
       Stadtränder verdrängt. Das Problem, bezahlbaren Wohnraum zu finden,
       erreiche „schon die Mittelschicht“. Im Bauministerium beruft man sich auf
       eine „Rekordsumme von 18,5 Milliarden Euro“, welche von 2022 bis 2027 den
       Ländern zur Verfügung gestellt wird. Bis sich dies in den
       Fertigstellungszahlen widerspiegelt, „braucht es etwas Zeit“.
       
       Auf eine Sozialwohnung haben Menschen mit Wohnungsberechtigungsschein
       Anspruch. Um diesen zu bekommen, darf, laut dem Wohnraumförderungsgesetz,
       das jährliche Haushaltseinkommen einen Wert von 12.000 Euro einer
       Einzelperson oder von 27.200 Euro einer vierköpfigen Familie nicht
       überschreiten. Diese Zahlen können in einzelnen Bundesländern abweichen.
       Wer eine Sozialwohnung vermietet, erhält staatliche Förderung. Allerdings
       darf als Miete nur ein festgelegter Betrag verlangt werden, die
       „Kostenmiete“.
       
       Aus den Verbänden und der Politik kommen derweil Forderungen, den Kurs zu
       korrigieren. Sowohl Siebenkotten als auch Bentele und der Paritätische
       Gesamtverband fordern die Wiedereinführung einer Wohngemeinnützigkeit.
       Dieses Fördersystem für Sozialwohnungen ohne zeitliche Bindung wurde vor
       über 30 Jahren abgeschafft, im Koalitionsvertrag aber versprochen. Bentele
       verlangt von Bauträger:innen und Investor:innen, die hohen Renditen der
       vergangenen Jahre müssten sie jetzt in bezahlbaren Wohnraum investieren.
       Außerdem hält sie eine Aufstockung der eingeplanten Gelder für den
       [2][sozialen Wohnungsbau für notwendig]. Siebenkotten geht noch weiter: Er
       fordert ein „Sondervermögen von 50 Milliarden Euro“ und ein
       „Sofort-Programm“, um den derzeitigen Bestand aus der zeitlichen Befristung
       in eine dauerhafte Bindung zu überführen.
       
       Die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Christina-Johanne Schröder,
       meint, die Krise am Mietmarkt könne „nicht allein durch den geförderten
       Wohnungsbau bewältigt“ werden. Für eine Verbesserung der Situation in den
       kommenden Jahren sieht der Paritätische Gesamtverband „wenig Grund zum
       Optimismus“.
       
       31 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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