# taz.de -- Streit über AKW-Weiterbetrieb: „Das ist Basta-Politik“
       
       > Nach dem Machtwort von Scholz im Atomstreit kommt von der Grünen Jugend
       > Kritik. Auch Trittin lässt Dampf ab. Grüne Fraktionsspitze empfiehlt
       > Zustimmung.
       
 (IMG) Bild: Muss nun ein paar klärende Gespräche führen: Wirtschaftsminister Robert Habeck
       
       BERLIN rtr/dpa/taz | Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
       akzeptiert [1][das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz] im Streit über
       den Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke, mit dem sich der Kanzler in
       Teilen über einen Parteitagsbeschluss der Grünen hinwegsetzt. In der ARD
       sprach der Vizekanzler am Montagabend von einer „unüblichen Lösung einer
       verfahrenen Situation“, für die der Kanzler die „maximale Autorität“
       eingesetzt habe. „Mit der Richtlinienkompetenz des Kanzlers wurde heute ein
       Weg gezeigt, wie wir da rauskommen“, sagte Habeck. „Und das ist ein Weg,
       mit dem ich gut arbeiten und leben kann.“
       
       Auch die Spitze der Grünen-Fraktion empfiehlt, den Kompromiss mitzutragen.
       Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte am Dienstagmittag in Berlin, es
       werde dazu am noch am selben Tag Beratungen geben. Mit dem Vorschlag von
       Scholz sei klar, dass der Atomausstieg Mitte April 2023 verbindlich komme.
       Neue Brennelemente würden nicht mehr angeschafft. „Das ist gut und
       wichtig.“
       
       Scholz hatte zuvor im vor allem von Grünen und FDP geführten Streit
       angeordnet, dass die Grundlage für einen Weiterbetrieb aller drei
       Atomkraftwerke bis längstens zum 15. April 2023 geschaffen werden soll. Die
       Grünen wollten das AKW Emsland wie derzeit gesetzlich geregelt [2][Ende des
       Jahres] auslaufen lassen. Die FDP hatte dagegen gefordert, alle drei AKWs
       mindestens bis zum Frühjahr 2024 laufen zu lassen.
       
       ## „Fachlich nicht gerechtfertigt“
       
       Bei seinen [3][irritierten Grünen] warb Habeck für die Entscheidung des
       Kanzlers. Die Grünen-Fraktionsführung will darüber beraten, wie sie damit
       umgehen werde, dass die drei verbleibenden Atomkraftwerke nach dem Willen
       von Olaf Scholz (SPD) bis Mitte April 2023 weiterlaufen können sollen. Der
       frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin kritisierte Scholz'
       Entscheidung, die Grüne Jugend reagierte entrüstet. „Das ist Basta-Politik,
       und die brauchen wir nicht“, sagte der Co-Chef der
       Grünen-Nachwuchsorganisation, Timon Dzienus, der Deutschen Presse-Agentur.
       Nötig sei eine Debatte im Bundestag zu dem Thema.
       
       „Die Entscheidung ist fachlich nicht gerechtfertigt, sie ist nicht durch
       den Stresstest gedeckt, sie ist politisch außerordentlich fragwürdig“,
       sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Trittin dem ZDF. „Das wird, glaube
       ich, noch eine ganz schwierige Operation.“
       
       Am Dienstagmorgen legte Trittin im Deutschlandfunk noch mal nach. „Wenn
       getroffene Verabredungen, zum wiederholten Male im Übrigen, seitens der FDP
       nicht eingehalten werden, der Bruch dieser Vereinbarungen dann vom Kanzler
       per Machtwort versucht wird durchzusetzen, dann sind die Grundlagen einer
       vertrauensvollen Zusammenarbeit in dieser Koalition – ich sag es mal so –
       einem extremen Stresstest ausgesetzt“, sagt Trittin. Es werde sich zeigen,
       ob die Koalition künftig zusammenarbeitet. „Das wird sich zeigen bei den
       nächsten Auseinandersetzungen, wo es zum Beispiel um die Frage geht, soll
       man festhalten an den Sektorzielen im Klimaschutzbereich, da gibt es exakt
       die gleiche Blockadesituation seitens der FDP.“
       
       Angesichts der Misstöne appellierte Habeck an das Verantwortungsbewusstsein
       seiner Partei. Danach gefragt, ob er es für denkbar halte, dass die
       Grünen-Fraktion Scholz im Bundestag die Unterstützung seiner Entscheidung
       versagen könnte, sagte Habeck, er glaube nicht, dass es dazu komme. „Weil
       das Land, Europa sich ja in einer schweren Krise befindet und in dieser
       Situation dann die Regierung aufs Spiel zu setzen, scheint mir überhaupt
       nicht verhältnismäßig zu sein“, sagte er in der ARD.
       
       Zugleich wies Habeck darauf hin, dass es sich beim Thema Atom um eine
       politisch „hochaufgeladene Frage“ handele. „Diese Frage hat Generationen
       geprägt, hat die deutsche Politik geprägt, und insofern ist das schon eine
       Ausnahmesituation.“ Scholz habe in der „verfahrenen Situation“ nun einen
       Vorschlag gemacht, „mit dem ich arbeiten kann, mit dem ich leben kann“,
       sagte Habeck. „Wir mussten da irgendwie rauskommen“, fügte er mit Blick auf
       Streit hinzu.
       
       Die Vorsitzenden der Grünen wiesen daraufhin, dass mit der Entscheidung ein
       Hauptanliegen der Partei erfüllt wird: dass keine neuen Brennstäbe
       beschafft werden und letztlich alle deutschen AKW vom Netz gehen werden.
       Das AKW Emsland sei für die Netzstabilität aber nicht erforderlich, sagte
       die Co-Vorsitzende Ricarda Lang der dpa. „Entsprechend halten wir den
       Weiterbetrieb für nicht notwendig.“ Ähnlich äußerte sich Co-Chef Omid
       Nouripour auf Twitter.
       
       Die Grünen hatten am Wochenende [4][auf einem Parteitag] beschlossen,
       nötigenfalls einen – von Habeck vorgeschlagenen – sogenannten Streckbetrieb
       für die Meiler Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis Mitte April 2023
       mitzutragen. Die FDP hatte gefordert, auch das dritte Atomkraftwerk Emsland
       am Netz zu halten und alle drei Meiler bis ins Jahr 2024 hinein laufen zu
       lassen. Gegebenenfalls sollten bereits stillgelegte AKWs reaktiviert
       werden.
       
       18 Oct 2022
       
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