# taz.de -- Streit um Bau der Autobahn 100 in Berlin: FDP brüskiert die Grünen
       
       > Die Stadtautobahn wird weitergebaut, erklärt das
       > Bundesverkehrsministerium. Das sei so nicht abgesprochen, sagen die
       > Grünen in Bund und Berlin.
       
 (IMG) Bild: Klare Aussage: Protest gegen den Ausbau der A 100 in Berlin bereits 2010
       
       BERLIN taz | Autobahn – das ist im 21. Jahrhundert ein Wort mit einem
       gähnend langen „Baaahnnn“ am Ende. Genauso überholt wirkte zuletzt die
       Debatte um die [1][Verlängerung der Berliner Stadtautobahn 100] bis weit in
       den Stadtteil Friedrichshain, erst recht nach dem Regierungswechsel im Bund
       zur Ampel. Doch ausgerechnet das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium hat
       am Dienstag angekündigt, dass die Trasse mitten durch innerstädtische
       Wohngebiete nun doch gebaut werden soll. Sie bringt damit die Grünen in
       Bund und Berlin auf Tempo 180 und setzt den [2][Profilierungskurs des
       kleinsten Koalitionspartners der Ampel auf Kosten der anderen beiden] fort.
       
       Für den 17. Bauabschnitt sei am Dienstag die Ausschreibung der Planung
       erfolgt, sagte die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela
       Kluckert (FDP), [3][in einem Interview mit der Berliner Morgenpost].
       Kluckert betont: Mit der Ausschreibung „ist nun auch klar, dass weiter
       gebaut wird“. Immerhin soll die bisherige Planung der Strecke noch einmal
       „unter Umweltgesichtspunkten und anderen Kriterien, wie des
       Verkehrsaufkommens oder der Lärmbelastung“ überprüft werden und dann bis
       2025 feststehen.
       
       Derzeit wird der aufwändige und teure 16. Bauabschnitt der Autobahn
       zwischen Neukölln und Treptower Park fertiggestellt. 2024 soll die drei
       Kilometer lange Strecke eröffnet werden. In Berlin war davon ausgegangen
       worden, dass dies der letzte Teil der Verlängerungen sein sollte. Die
       Grünen hatten im vergangenen Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus
       [4][sogar Pläne vorgestellt], Teile des 16. Bauabschnitts zu einer normalen
       Bundesstraße umzuwidmen und mit Radwegen zu versehen.
       
       Kluckerts Vorstoß sorgt denn auch für harsche Reaktionen bei den Grünen.
       Von einer „unnötigen Provokation der FDP“ und einem „Verstoß gegen
       Verabredungen im Koalitionsvertrag“ spricht Stefan Gelbhaar, Berliner
       Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Verkehrspolitik seiner Fraktion.
       Das Ministerium habe es nicht einmal für nötig befunden, die
       Verkehrspolitiker*innen der Ampel über den Schritt zu informieren,
       sagte Gelbhaar der taz. Man werde das Vorgehen in der kommenden
       Sitzungswoche in mehreren Runden thematisieren.
       
       Im [5][Koalitionsvertrag] war ein „neuer Infrastrukturkonsens bei den
       Bundesverkehrswegen“ vereinbart worden. Projekte wie die
       Autobahnverlängerung müssten vorher zumindest zwischen SPD, Grünen und FDP
       abgestimmt werden, sagt Gelbhaar.
       
       Als „Verkehrspolitik von gestern“ bezeichnet Berlins Verkehrssenatorin
       Bettina Jarasch (Grüne) die Ankündigung. „Wir haben gerade alle Hände voll
       zu tun, den ÖPNV auszubauen und attraktiver zu machen, den Klimaschutz zu
       forcieren. Und jetzt soll als Priorität eine Autobahn durch die Stadt
       geschlagen werden?“ Man brauche keine neue Autobahn in der Stadt, sondern
       die Mobilitätswende. Jarasch äußert aber zumindest die Hoffnung, dass „sich
       das Bundesverkehrsministerium hier noch eines Besseren besinnt“.
       
       ## „Autobahn-Fetischismus der FDP“
       
       Und Werner Graf, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Berliner
       Abgeordnetenhaus, nennt die Ausschreibung eine komplette Fehlleistung,
       sowohl verkehrs- wie sicherheitspolitisch. „Wie groß kann der
       Autobahn-Fetischismus eigentlich sein?“ Graf kündigt „erbitterten
       Widerstand aus Berlin“ an, sollte der 17. Bauabschnitt wirklich umgesetzt
       werden.
       
       Das Land selbst aber kann auch nicht viel mehr tun als protestieren: Die
       Verlängerung der A 100 ist in einem Gesetz festgeschrieben, das der
       Bundestag erst ändern müsste. Allerdings war man laut taz-Informationen in
       Berlin zuletzt nicht davon ausgegangen, dass Bundesverkehrsminister Volker
       Wissing den Autobahnausbau tatsächlich angehen will. Auch Stefan Gelbhaar
       erkennt eine Inkonsequenz im aktuellen Vorstoß: „Erst kündigt Wissing an,
       eine Priorität auf die Sanierung etwa von Brücken zu setzen; nun kommt kurz
       danach der Vorstoß für ein Neubauprojekt – das passt nicht zusammen.“
       
       Die Verlängerung der A 100 war [6][lange Jahre eines der bestimmenden
       Themen der Landespolitik]. Grüne und Linke haben sich stets dagegen
       ausgesprochen, der Kurs der SPD war nicht immer eindeutig – denn die Kosten
       dafür trägt komplett der Bund. Für den 16. Bauabschnitt mit seinen gut drei
       Kilometern Länge waren das anfangs rund 500 Millionen Euro; inzwischen
       dürften es mehrere hundert Millionen mehr sein. Die Strecke gilt als
       teuerste Straße Deutschlands.
       
       2011 war am Streit um die A 100 eine Koalition zwischen SPD und Grünen
       gescheitert. Im aktuellen Koalitionsvertrag hat man sich darauf
       verständigt, den 17. Bauabschnitt in dieser Legislaturperiode nicht mehr in
       Angriff zu nehmen.
       
       29 Mar 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /A100/!t5329473
 (DIR) [2] /Kontroverse-um-Genesenenstatus/!5831609
 (DIR) [3] http://www.morgenpost.de/berlin/article234939841/Autobahn-A100-wird-weitergebaut.html
 (DIR) [4] /Gruene-Plaene-fuer-Stadtumbau-in-Berlin/!5786606
 (DIR) [5] http://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
 (DIR) [6] /Weiterbau-der-Berliner-Stadtautobahn/!5750120
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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