# taz.de -- Studienautor über Hamburger Nahverkehr: „Die Straßenbahn fehlt hier im Mix“
       
       > Hamburg sollte Straßenbahnen bauen, damit mehr Menschen den ÖPNV nutzen
       > und das Klima geschützt wird, sagt der Pro Stadtbahn-Verkehrsexperte Jens
       > Ode.
       
 (IMG) Bild: Computerillustrationen gibt es schon: So sahen die Hamburger Straßenbahnpläne von 2010 aus
       
       taz: Herr Ode, wieso braucht Hamburg die Straßenbahn? 
       
       Jens Ode: Weil Hamburg einen zu kleinen Anteil des öffentlichen
       Personennahverkehrs (ÖPNV) von 22 Prozent hat. Die Stadt baut U-Bahn und
       S-Bahn aus, aber das reicht nicht.
       
       Wofür nicht? 
       
       Für die Klimaziele. Der Senat will laut seinem Klimaplan den Bus- und
       Bahn-Anteil bis 2030 auf 30 Prozent steigern. Selbst das wäre im
       EU-Vergleich wenig. Durchschnittlich liegen andere Städte bei knapp 40
       Prozent. Das größte Problem ist, [1][dass Hamburg viel zu wenig Schiene
       hat]. Es gibt zwar S- und U-Bahn, aber bezogen auf Größe und Einwohner ist
       das zu wenig.
       
       Aber Hamburg plant die Mobilitätswende. Zu dem [2][Bau der neuen U5]
       kommen Express- und Quartiers-Busse. Was ist daran schlecht? 
       
       Dass fast alles durch Busse kompensiert wird. Hamburg hat schon jetzt den
       größten Busverkehr in Europa. Das Entscheidende, um Menschen für den ÖPNV
       zu gewinnen, ist eine komfortable, schnelle Verbindung. Und die bieten
       Busse nicht. Sie sind Teil des Individualverkehrs und oft verspätet. Und
       ein Bus ist als Gefäß viel zu klein. Das sieht man bei der Metro-Linie 5,
       die früher eine Straßenbahnlinie war und heute dafür sehr geeignet wäre.
       Dort fahren schon die größten Gelenkbusse, die es gibt. Die kommen ja oft
       im Pulk, weil der erste Bus voll ist und keine Fahrgäste mehr aufnimmt. Das
       wäre mit anderen Verkehrsmitteln undenkbar.
       
       Eine Tram wäre nie zu voll? 
       
       Die ist größer. Der längste Bus in Hamburg misst 22 Meter, eine moderne
       Straßenbahn 37 bis 75 Meter. Das ist eine andere Liga.
       
       Eine U-Bahn ist noch länger. 
       
       Stimmt. Entscheidend ist aber: Wo will der Fahrgast eigentlich hin? Ich
       habe mit dem Verkehrsplaner [3][Dieter Doege für eine Studie ja alle
       Buslinien angeguckt], die die neue U5 ersetzen soll. Diese Busse fahren in
       sehr viele Richtungen mit sehr verschiedenen Fahrgastwünschen oft nur kurze
       Strecken. Die neue U5 würde das alles kanalisieren. Das heißt, die Leute
       müssten erst mit dem Bus zur U5, dann nach zwei, drei U5-Stationen wieder
       weiter mit dem Bus zum Ziel. Die U5 fährt am Bedarf vorbei.
       
       Und wäre erst 2040 fertig? 
       
       Ja. Wir rechnen mit 15 bis 20 Jahren. Das zweite Co-Argument sind die
       astronomischen Kosten. Realistisch sind zehn bis 15 Milliarden. Dazu kommt
       die Klimabelastung durch den Bau, wie eine andere Studie ergab.
       
       Dauert es nicht auch Jahre, bis die Straßenbahn fertig ist? 
       
       Straßenbau passiert ja eh. Hamburg hat in den letzten Jahren 500 Kilometer
       Straße saniert. Das sieht man. Überall gibt es neuen Asphalt und neue
       Busspuren. Da kann man auch gleich die Gleise für die Straßenbahn mitbauen.
       Ob ich nun eine neue Asphaltdecke drauf mache und dann noch zwei Schienen
       dazu lege, das spielt keine Rolle. Ich brauche hier keine Großbauten.
       
       Aber eine Baugenehmigung und Zustimmung von Bürgern. 
       
       Man muss die Bürger überzeugen. Vergleichen Sie mal die Belastung der
       Anwohner durch den jetzigen Bau der U4 in Hamburg-Horn mit der Lage in Wien
       oder Kopenhagen, wo Stadtbahnen gebaut werden. Dort reißt man nicht die
       halbe Stadt auf.
       
       Sie wollen fünf Stadtbahn-Linien im Nordteil Hamburgs. Schaut der Rest in
       die Röhre? 
       
       Nein. Wir haben bereits 2014 ein Netz für ganz Hamburg vorgestellt. Die
       Stadt hatte in der Blütezeit 300 Kilometer Straßenbahn. Das muss heute
       nicht sein, aber 150 Kilometer für ganz Hamburg wären schon gut. Eigentlich
       müsste man das jetzige Netz der Metrobus-Linien eins zu eins umstellen auf
       Straßenbahn.
       
       Was würde das kosten? 
       
       Also, stellt man das Metro-Netz ganz um, ungefähr 3,5 Milliarden Euro. Baut
       man jetzt erst mal nur dieses kleine Netz mit fünf Linien, 1,2 Milliarden
       Euro.
       
       Es gibt andere U5-Kritiker, die stattdessen Busse fordern. Die könnten
       überall fahren. 
       
       Mag sein. Ein Bus kann überall fahren, wo eine Straße ist. Eine Straßenbahn
       kann noch mehr. Sie fährt auch durch Parks und Fußgängerzonen. Sie ist ein
       städtebauliches Mittel, um Stadtkultur zu fördern. Sie fehlt in Hamburg
       einfach im Mix.
       
       Wer ist denn in Hamburg für die Straßenbahn? 
       
       Ich sage umgekehrt: Gegen die Straßenbahn sind eigentlich [4][nur noch
       einige Parteiobere in der SPD]. Selbst der ADAC spricht sich dafür aus. Wir
       hatten gerade ein nettes Gespräch mit einem ADAC-Vertreter aus München. Der
       hat erstaunt gefragt: „Wieso habt ihr in Hamburg keine Straßenbahn? In
       München funktioniert das doch wunderbar.“ Weil die Straßenbahn als
       sichtbares Verkehrsmittel selbst Autofahrer überzeuge, wenn sie jeden Tag
       im Stau stehen und links oder rechts rauscht immer eine Straßenbahn vorbei.
       Und dann sagen die: Das probiere ich jetzt auch mal aus.
       
       9 Sep 2022
       
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 (DIR) [4] /Debatte-um-Hamburgs-Verkehrspolitik/!5852664
       
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