# taz.de -- Toleranz im Sport: Ein politisches Spiel
       
       > Die Münchner EM-Arena wird nun doch nicht in den Regenbogenfarben
       > erleuchtet. Ein typischer Uefa-Skandal und ein Image-Desaster.
       
 (IMG) Bild: Die Allianz Arena in München in ihrer schönsten Beleuchtung
       
       Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Lila – das sind die Farben dieser
       Fußball-Europameisterschaft. Die Arena in München wird am Mittwochabend
       zwar doch nicht in den Regenbogenfarben leuchten, wenn die deutsche
       Nationalmannschaft ihr finales Gruppenspiel gegen Ungarn bestreitet, doch
       die Farben der LGBTIQ+-Community bestimmen bereits jetzt die Wahrnehmung
       des Turniers. Da kann Europameister werden, wer will.
       
       Die Aufregung darüber, dass [1][die Uefa dem Anliegen des Münchner
       Oberbürgermeisters (OB) Dieter Reiters nicht nachgekommen ist], hallte noch
       am Folgetag der Entscheidung nach. Es war ein Imagedesaster, das für den
       ohnehin nicht allzu gut beleumundeten Verband, dessen größte Sponsoren aus
       Katar und China kommen und der die Nähe zu autoritär regierten Ländern wie
       Russland oder Aserbaidschan nicht scheut, eine Dimension ungeahnten
       Ausmaßes angenommen hat.
       
       Die Empörung über die Uefa war auch deshalb so groß, weil sich zuvor so
       viele Menschen positiv zu einer bunt ausgeleuchteten Arena geäußert hatten.
       Nationalspieler Leon Goretzka sagte im Teamquartier der Deutschen in
       Herzogenaurauch: „Ich bin über jedes Zeichen froh, das gesetzt wird.“ Auch
       Bayerns Ministerpräsident Markus Söder meinte, er würde die Aktion
       begrüßen. Der fraktionsübergreifende Antrag im Münchner Stadtrat, in dem
       die Regenbogenbeleuchtung gefordert wird, spricht für die breite
       Unterstützung der Beleuchtungsaktion. CSU, Bayernpartei (!), FDP, SPD
       (inklusive eines Volt-Stadtrats), ÖDP, die Freien Wähler, die Linken mit
       der Partei Die Partei sowie die Grünen, die mit der Rosa Liste eine
       Fraktion bilden, stehen hinter dem Antrag. Nur die AfD, deren drei Hanseln
       im Stadtrat eine Gruppierung und keine Fraktion stellen, fehlt auf der
       Unterstützerliste.
       
       Und doch war von Beginn an klar, dass das Stadion auch am Mittwoch im
       blau-grünen EM-Design der Uefa leuchten würde. Der Verband war in eine
       Falle getappt, die der Münchner Stadtrat der Uefa gestellt hatte. Sie
       konnte dem Antrag nicht zustimmen, denn er war politisch begründet worden.
       Und wenn das Wort Politik irgendwo im Zusammenhang mit Fußball auftaucht,
       igeln sich Sportverbände umgehend ein, ganz so, als könnten sportliche
       Großveranstaltungen in einem politischen Vakuum stattfinden.
       
       ## Von wegen „respect“
       
       Die Uefa hat zwar schöne Kampagnen inszeniert, in der von „equal game“ oder
       „respect“ die Rede ist, doch dass sie im Zweifel für die Werte hinter den
       symbolischen Aktionen kämpfen würde, hat wohl ernsthaft niemand von ihr
       erwartet. Und so wies sie am Tag nach ihrem Beschluss, [2][nichts gegen
       Manuel Neuer zu unternehmen], der in den Spielen gegen Frankreich und
       Portugal mit einer Kapitänsbinde in den Regenbogenfarben aufgelaufen war,
       das Ansinnen zurück, die Arena in München in eben diesen Farben zu
       illuminieren. Während das eine eine Schaufensteraktion für die gute Sache
       ist, hatte Zweiteres einen handfesten politischen Hintergrund.
       
       In Reiters Schreiben heißt es: „Das ungarische Parlament hat am 15. Juni
       mehrere Gesetze geändert, mit denen Informationen über Homosexualität und
       Transgeschlechtlichkeit verboten werden, die für Kinder und Jugendliche
       zugänglich sein könnten. Damit folgt Ungarn dem Vorbild der homo- und
       transphoben Gesetzgebung Russlands.“ Die Antwort der Uefa war
       dementsprechend erwartbar und eindeutig: „Vor dem politischen Hintergrund
       der Anfrage – einer Botschaft, die sich gegen eine Entscheidung des
       ungarischen Parlaments richtet –, muss die Uefa die Anfrage zurückweisen.“
       
       Dass die Uefa in ihrer Antwort vorschlägt, die Arena ersatzweise am 28.
       Juni oder ein paar Tage später ab dem 3. Juli während der Münchner Pride
       Week regenbogenfarben zu beleuchten, passt zur Herangehensweise des
       Verbands, sich nur dann mit Fragen der Gleichstellung zu befassen, wenn
       diese sich entpolitisieren lassen. EM-Spiele finden an diesen Tagen in
       München übrigens nicht statt. Am 2. Juli gibt es noch ein Viertelfinale in
       der Stadt. Danach verabschiedet sich das Turnier aus München.
       
       Die Uefa-Absage an den Münchner OB hat unterdessen eine Welle der
       Solidarität für die LGBTIQ+-Community ausgelöst. Reiter selbst lässt das
       Rathaus am Mittwoch beflaggen, der Olympiaturm und das Windrad direkt am
       Stadion sollen entsprechend angestrahlt werden. Auch der deutsche Fußball
       will mitstrahlen. In Köln und in Frankfurt am Main sollen die großen
       Fußballarenen am Mittwoch die Regenbogenfarben zeigen. Bundesligist
       Eintracht Frankfurt verwies ebenso stolz darauf wie der 1. FC Köln.
       Aktivist:innen wollen am Mittwoch Regenbogenfahnen an die Besucher des
       Spiels verteilen. Wer den Aktionismus aus dem Profifußball und anderen
       gesellschaftlichen Bereichen beobachtet, könnte glatt auf die Idee kommen,
       der deutsche Männerfußball sei ein Paradies für schwule Kicker. Dem ist
       indes keineswegs so.
       
       Philipp Lahm, der deutsche Weltmeisterkapitän von 2014, schreibt in seinem
       jüngst erschienenen Buch „Das Spiel: die Welt des Fußballs“, dass er
       schwulen Kickern nicht raten würde, sich während ihrer Karriere zu outen.
       Lahm glaubt, die Spieler müssten dann mit „gebrüllten Beleidigungen,
       Beschimpfungen und diffamierenden Äußerungen“ von den Rängen rechnen.
       
       Schwulenfeindliche Bekundungen hat es auch bei der laufenden EM schon
       gegeben. Die faschistoid auftretende „Karpaten-Brigade“ aus Ungarn hielt
       beim Spiel ihres Teams gegen Portugal ein Plakat mit der Aufschrift „Anti
       LMBTQ“ in die Höhe. Die Uefa ermittelt in dem Fall. Immerhin.
       
       22 Jun 2021
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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