# taz.de -- Tote an polnisch-belarussischer Grenze: Brüsseler Balance
       
       > EU-Politikerinnen geben Belarus die Schuld am polnisch-belarussischen
       > Grenzstreit. Der hat jetzt vier Tote gefordert. Zu Polens Rolle schweigt
       > man.
       
 (IMG) Bild: Schutz vor Migranten – Militär und Polizei Anfang September an der polnisch-russischen Grenze
       
       Die EU-Kommission beobachtet die angespannte Lage an der Grenze zwischen
       Polen und Belarus mit wachsender Sorge. Der belarussische Machthaber
       Alexander Lukaschenko heize die Spannungen gezielt an, heißt es in der
       Brüsseler Behörde.
       
       EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach in der vergangenen Woche
       von einem „hybriden Angriff, um Europa zu destabilisieren“. Solange sich
       die EU nicht auf gemeinsame Regeln in der Migrationspolitik einige, würden
       Gegner wie Lukaschenko dies schamlos ausnutzen.
       
       Wesentlich zurückhaltender ist die EU-Kommission, wenn es um die Rolle
       Polens in dem Grenzkonflikt geht. Auf Fragen nach der [1][Sperrzone und dem
       Ausnahmezustand] an der Grenze zu Belarus reagiert die Behörde ausweichend.
       
       „Dass Menschen im Grenzgebiet festsitzen, ist einzig und allein die Schuld
       von Lukaschenko“, sagte der Sprecher von EU-Außenkommissar Josep Borrell.
       Er nutze Flüchtlinge, um „politischen Druck“ auszuüben. Dies sei
       inakzeptabel.
       
       ## Missmanagment der Grenze
       
       Das „Management“ der Grenze liege jedoch bei der polnischen Regierung,
       erklärte ein weiterer Sprecher. Es müsse im Einklang mit den EU-Regeln und
       den Menschenrechten erfolgen. „Wir sind in Kontakt mit den polnischen
       Behörden, um ihnen dabei zu helfen.“ Zum von Warschau verhängten
       Ausnahmezustand wollte er sich jedoch nicht äußern. Man beobachte die Lage
       sehr genau und werde das zugrunde liegende polnische Gesetz prüfen.
       
       Ende August hatten sich auch die EU-Innenminister mit der Flüchtlingskrise
       an der EU-Ostgrenze beschäftigt. Im Mittelpunkt stand damals aber [2][noch
       Litauen]. Die umstrittene EU-Grenzschutzagentur Frontex ist mit einer Art
       Eingreiftruppe vor Ort im Einsatz. Insgesamt seien 127 Beamte, 30
       Streifenwagen und zwei Hubschrauber an der Grenze zwischen Litauen und
       Belarus stationiert, sagte Frontex-Sprecher Piotr Świtalski damals.
       
       Auf die Eskalation in Polen war die EU jedoch offenbar nicht vorbereitet.
       Sie bringt die Europäer in die Bredouille. Einerseits wollen sie
       Solidarität mit Polen üben – genau so, wie sie es Anfang 2020 bei der
       Grenzkrise zwischen der Türkei und Griechenland getan hatten. Damals hatte
       der türkische Präsident Recep Erdoğan einen Übergang zur EU für offen
       erklärt und eine große Flüchtlingsbewegung ausgelöst. Von der Leyen hielt
       dagegen und lobte Griechenland als „europäischen Schild“.
       
       Andererseits liegt die EU-Kommission mit Warschau [3][wegen der polnischen
       Justizreform im Clinch]. Zuletzt hatte Brüssel deshalb sogar
       millionenschwere Strafzahlungen gefordert. Dies könnte ein Grund sein,
       weshalb sich die Brüsseler Behörde mit Kritik zurückhält – auch wenn der
       Grenzstreit nun die [4][ersten Todesopfer] gefordert hat.
       
       21 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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