# taz.de -- Umfrage zur Fußball-Nationalmannschaft: Sylt. Ein Sommermärchen
       
       > Jeder Fünfte findet die DFB-Elf zu divers. Der Bundestrainer hält
       > Rassismus-Umfragen trotzdem für überflüssig. Wo bleibt der große
       > Aufschrei?
       
 (IMG) Bild: Trainer Julian Nagelsmann mit İlkay Gündoğan: 17 Prozent finden es „schade“, dass der Kapitän der DFB-Elf türkische Wurzeln hat
       
       Kurz vor der Heim-Fußballeuropameisterschaft hat der WDR die Ergebnisse
       einer repräsentativen Umfrage präsentiert: „Deutschland den Deutschen,
       Ausländer raus!“ – 21 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage zu.
       
       Okay, das stimmt nicht ganz. Denn jener Satz sorgte zuletzt in einem
       anderen Kontext für Furore: [1][Sylter Partygäste] hatten ihn gegrölt, ein
       Video davon ging viral und bestürzte die ganze Nation. Der Satz, dessen
       Mehrheitsfähigkeit die von Infratest dimap [2][durchgeführte Umfrage]
       testen wollte, lautete: „Ich fände es besser, wenn wieder mehr weiße
       Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen.“ Was das Institut auch
       herausfand: 17 Prozent finden es „schade“, dass der Kapitän der DFB-Elf
       İlkay Gündoğan türkische Wurzeln hat.
       
       Der eine Satz mag nun martialischer klingen als der andere; aber wenn man
       sie konsequent zu Ende denkt, haben beide Sätze die gleiche Bedeutung.
       Trotzdem lösen sie gegensätzliche Reaktionen aus. Wer Unbehagen bei der
       großen Empörung um Sylt empfunden hat, der weiß spätestens jetzt, warum.
       Das Nebeneinander der Sylt-Gesänge und der WDR-Umfrage zeigt, wie
       schizophren die Auseinandersetzung mit Rassismus in Deutschland ist.
       
       Das ganze Land hat sich über die rassistischen Gesänge aus Sylt erregt,
       obwohl es sie auch schon bei vielen anderen Festen in Deutschland gegeben
       hat. Sogar der Bundeskanzler hat sich betroffen zu diesem vermeintlichen
       Skandal geäußert („eklig“, „nicht akzeptabel“), der für viele Menschen
       offenbar zur Party-Playlist gehört.
       
       ## Zusammenhalt, auch wenn es keinen Erfolg gibt
       
       Unsere deutschen Fußballhelden dagegen machen sich ehrlich: „Ich hoffe, nie
       wieder so was von so einer Scheißumfrage lesen zu müssen“, sagte
       [3][Bundestrainer Julian Nagelsmann] bei einer Pressekonferenz vor dem
       Testspiel gegen die Ukraine. Er sei schockiert darüber, dass solche Fragen
       gestellt werden. Zuvor hatte Nationalspieler Joshua Kimmich mitgeteilt, er
       finde die Umfrage „absolut kontraproduktiv“. Es sei „schon absurd, so eine
       Frage zu stellen, wo es eigentlich darum geht, das ganze Land zu vereinen“.
       Beide kritisierten die Umfrage als rassistisch. Die ausbleibende Empörung
       über ihre Statements lässt vermuten, dass sie mit einer Zustimmung rechnen
       dürften, die größer als 21 Prozent ist.
       
       Der WDR hat sich [4][gegen diese Kritik gewehrt]: Ihr Reporter sei bei den
       Dreharbeiten zur Doku [5][„Einigkeit und Recht und Vielfalt“] mit der
       Aussage konfrontiert worden, dass zu wenige „echte Deutsche“ auf dem
       Fußballplatz stünden, was Anlass zur Befragung gegeben habe.
       
       Wie kann es nun sein, dass erst rassistische Gesänge tagelange für
       Aufregung sorgen und wenig später der Bundestrainer und einer seiner
       Spieler behaupten, Umfragen zu Rassismus seien überflüssig? Sylt, das sind
       die anderen, die reichen, verwöhnten Schnösel, „die Champagner-Nazis“, wie
       der Stern titelte – das hat nichts mit uns zu tun. Aber Fußball lieben wir,
       wir alle sind [6][die Nationalmannschaft] – und jetzt bei der Heim-EM
       müssen wir verdammt noch mal zusammenhalten!
       
       Doch was, wenn Nagelsmann und sein Spieler zumindest damit recht haben,
       dass es in der Nationalmannschaft selbst keinen Anlass für solche Fragen
       gibt? Schließlich finden ja auch 66 Prozent der Befragten ein DFB-Team mit
       Migrationsgeschichte gut. Dann sollten Kimmich und Co lieber eine Antwort
       auf dem Platz geben. Mit gutem Fußball. Und mit Zusammenhalt – [7][auch
       dann, wenn es keinen Erfolg gibt].
       
       5 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rechte-Reiche-im-rassistischen-Video/!6012658
 (DIR) [2] https://presse.wdr.de/plounge/wdr/programm/2024/06/20240601_umfrage_nationalspieler.html
 (DIR) [3] /Rassismus-im-Fussball/!6011761
 (DIR) [4] https://presse.wdr.de/plounge/wdr/unternehmen/2024/06/20240601_kritik_umfrage.html
 (DIR) [5] https://www.ardmediathek.de/video/sportschau/einigkeit-und-recht-und-vielfalt-die-nationalmannschaft-zwischen-rassismus-und-identifikation/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3Nwb3J0c2NoYXUvMjAyNC0wNi0wNV8yMS0zMC1NRVNa
 (DIR) [6] /EM-Trikot-wird-Verkaufsschlager/!5996343
 (DIR) [7] /Mesut-Oezil-beendet-Fussballkarriere/!5923773
       
       ## AUTOREN
       
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