# taz.de -- Unternehmer über Veranstaltungsbranche: „Das Sterben wird kommen“
       
       > Die Kultur- und Eventbranche steckt wegen Corona in einer tiefen Krise.
       > Am Mittwoch demonstriert sie in Bremen für ihre Rettung.
       
 (IMG) Bild: Statt Events organisiert Thorsten Meyer nun Demos – in eigener Sache
       
       taz: Wie schlecht geht es der Veranstaltungsbranche in Bremen, Herr Meyer? 
       
       Thorsten Meyer: Die Lage ist überall in der Branche sehr schwierig. Die
       Reserven der Betriebe gehen langsam zur Neige. Und die Bereitschaft,
       weitere Kredite aufzunehmen und sich so weit zu überschulden, wird immer
       geringer. Die Unternehmen können gar nicht den Umsatz generieren, den sie
       brauchen, um all das zurückzuzahlen. Die Margen beispielsweise der
       Konzertveranstalter sind so gering, dass sie Jahrzehnte bräuchten, um das
       wieder aufzufangen. Und wir können unsere Veranstaltungstechnik nach der
       Krise auch nicht drei Mal so teuer machen, weil sich das sonst keiner mehr
       leisten kann. Für den Privatkunden wäre es dann fast unmöglich, noch eine
       Hochzeit oder dergleichen auszurichten.
       
       Mussten Sie einen Ihrer sieben Mitarbeiter entlassen? 
       
       Ich wollte einen Mitarbeiter zu Beginn der Krise entlassen. Aber dann hätte
       ich gleich schon große Probleme bekommen – weil ich seinen Lohn hätte
       weiterzahlen müssen. Derzeit ergibt es keinen Sinn, Leute zu entlassen,
       weil innerhalb der Kündigungszeit kein Kurzarbeitergeld gezahlt wird.
       
       Brauchen Sie eine andere Lösung für das Kurzarbeitergeld? 
       
       Ja! Das ist eine unserer Hauptforderungen.
       
       Wie groß ist die Veranstaltungsbranche in Bremen? 
       
       In Bremen sind 80 bis 90 Betriebe betroffen, die direkt von der
       Veranstaltungswirtschaft leben. Allerdings sitzen die meisten Dienstleister
       aus dem Messebau im Umland – dann ist Niedersachsen zuständig, obwohl ihr
       Markt in Bremen liegt. Das macht es in Bremen wie auch in Hamburg schwer,
       kommunale Lösungen zu finden. Bundesweit reden wir von 1,5 Millionen
       Mitarbeitern in der Messe- und Eventbranche, die knapp 130 Milliarden Euro
       Gesamtumsatz pro Jahr erwirtschaften. Zusammen mit der Kultur- und
       Kreativbranche sind es sogar rund 2,5 Millionen Beschäftigte mit einem
       Umsatz von knapp 250 Milliarden. Wir sind in vielen Branchen zu Hause – das
       erschwert auch die Verhandlungen mit der Politik.
       
       Erwarten Sie eine Welle der Insolvenz? 
       
       Die Regeln für die Branche werden von der Bundesregierung ja gerade immer
       wieder neu gestrickt, das verschiebt das Problem aber nur. Noch gibt es
       keine Insolvenzwelle bei uns, ein paar Betriebe hat es aber schon
       getroffen. Das große Sterben wird dann mit einem großen Paukenschlag
       kommen.
       
       Sind alle in der Branche gleichermaßen betroffen? 
       
       Alle – außer denen, die im Bereich digitale Medien schon sehr weit vorne
       sind. Die haben gerade Zuwächse. Am Ende der Krise werden die dann aber
       auch Probleme bekommen – weil sie gar nicht alle Nachfragen zeitgleich
       werden bedienen können.
       
       Was würden Ihnen konkret helfen? 
       
       Die Branche hat dafür immer wieder auf eigene Kosten Konzepte entwickelt.
       Die Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) hat uns auch
       signalisiert, dass darüber nachgedacht wird, wie man der Branche gezielt
       helfen kann. Unser Ansinnen ist es, gemeinsam mit der Politik
       herauszufinden, wo konkret subventioniert werden muss, damit bei möglichst
       vielen zielgerichtete Hilfe auch ankommt. Unser Problem ist die Zeit: Wir
       haben lange Planungszeiträume. Was jetzt entschieden wird, wirkt sich also
       erst in zwei, drei Monaten aus. Wir wissen heute schon, dass wir bis in den
       November hinein kaum Geschäft haben werden. Deswegen müssen wir jetzt mit
       der Politik reden.
       
       Ist denn von den 1,2 Milliarden Euro aus dem Bremen-Fonds etwas bei Ihnen
       angekommen? 
       
       Nein. Die meisten Betriebe klagen darüber, dass auch das neue
       Konjunkturpaket der Bundesregierung sogar große Probleme verursacht, weil
       die meisten Kosten, die bei uns anfallen, da ausgeklammert worden sind.
       Deswegen haben auch Betriebe mit Millionenumsätzen kaum fünfstellige
       Beträge bekommen. Die realen Kosten der Veranstaltungsbranche wurden gar
       nicht berücksichtigt. In Bremen gibt es zwar sehr viele staatlich
       geförderte Kulturbetriebe, die öffentliche Gelder erhalten. Die haben zwar
       eine Überlebenschance – aber Angst, dass ihre Zulieferer wegfallen.
       
       In Berlin bekommen Clubs im Schnitt 81.000 Euro vom Senat. Wäre das auch
       eine Lösung für Bremen? 
       
       Es gibt hier ja ein Förderprogramm zur Neugestaltung der Clubs – dann aber
       macht man die Läden eben noch mal schön hübsch, bevor man sie an die Wand
       fährt. Wenn die Miete nicht bezahlt werden kann, nutzen auch neue Toiletten
       nichts. Das ist ein großes Problem.
       
       Fordern Sie Lockerungen der Coronaregeln für Ihre Branche? 
       
       Nein, und das unterscheidet uns auch von vielen anderen. Wir haben die
       staatlichen Schutzmaßnahmen immer gutgeheißen. Unser Leitsatz ist: Safety
       first. Wir setzen auf kreative Lösungen. Der Staat muss dann aber auch
       kommunizieren: „Wenn die was machen und wir das absegnen, dann machen die
       es richtig und dann muss auch kein Gast Angst haben.“ Viele Besucher sind
       ja schon sehr verunsichert – und kommen schon deshalb nicht, auch wenn es
       wieder Veranstaltungen gibt.
       
       Demo: [1][#AlarmstufeRot] zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft,
       Mittwoch, 19. August, 11:30 Uhr, Leibnizplatz
       
       17 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.alarmstuferot.org
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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