# taz.de -- Verbandsvertreterin zu Migrationspolitik: „Das stärkt den rechten Diskurs“
       
       > Nützlichkeit dürfe nicht das Kriterium für Einbürgerungen sein, sagt
       > Deniz Greschner vom Paritätischen. Auch schärfere Abschieberegeln
       > kritisiert sie.
       
 (IMG) Bild: Generell sollen künftig mehrere Staatsangehörigkeiten möglich sein
       
       taz: Frau Greschner, das Forum Migrant*innen im Paritätischen fordert
       seit vielen Jahren eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. [1][Diese
       Woche hat der Bundestag diese nun beschlossen.] Ein Grund zum Feiern? 
       
       Deniz Greschner: Ich tue mich schwer damit, zu feiern. Der Bundestag
       beschließt zwei Gesetze aus dem Bereich Migration. Das
       Rückführungsverbesserungsgesetz enthält kaum begrüßenswerte Änderungen, das
       Staatsangehörigkeitsrecht schon – aber auch da haben wir deutliche Kritik.
       Am Ende des Tages kann man beide Gesetze nicht losgelöst von einem
       Diskursrahmen betrachten, der sich immer weiter nach rechts verschiebt.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Bei den [2][Abschiebeverschärfungen wird massiv in Grundrechte
       eingegriffen]. So wird etwa die Unverletzlichkeit der Wohnung angetastet,
       selbst bei Menschen, die gar nicht selbst abgeschoben werden sollen.
       Menschen werden nachts aus dem Schlaf gerissen, Abschiebungen nicht mehr
       angekündigt, was eine Retraumatisierung bedeuten kann. Das ist absolut
       abzulehnen.
       
       Mit der Staatsangehörigkeitsreform wird jetzt aber zum Beispiel der
       Doppelpass möglich, was Millionen von Menschen den Weg zur Einbürgerung
       ebnen dürfte. 
       
       Ja, das ist sehr zu begrüßen. Genauso wie, dass Menschen künftig früher
       eingebürgert werden können. Aber das politische Recht auf Zugang zur
       deutschen Staatsbürgerschaft wird in Zukunft noch mehr als bisher von der
       Erwerbsleistung von Menschen abhängen. [3][Menschen, die chronisch krank
       sind, alleinerziehend oder Angehörige pflegen verlieren ihren Anspruch auf
       Einbürgerung und sind auf das Ermessen der Behörden angewiesen.] Wer nicht
       „nützlich“ ist, soll sein Recht auf Einbürgerung verwirkt haben? Das trägt
       nicht zum gesellschaftlichen Miteinander bei, sondern stärkt den rechten
       Diskurs, den wir seit Monaten, ja Jahren sehen.
       
       Die Ampel hatte sich eine progressive Migrationspolitik vorgenommen,
       zuletzt aber doch sehr viele restriktive Gesetze verabschiedet. Ist ein
       Schritt wie die Staatsangehörigkeitsreform da nicht ein wichtiger Gegenpol? 
       
       Als solcher wird es leider gar nicht kommuniziert. Stattdessen wird es
       gekoppelt mit massiven Verschärfungen bei Abschiebungen, als brauche es
       einen Ausgleich, um die Lebensleistung Tausender Menschen anerkennen zu
       können. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Rückführungsoffensive
       angekündigt, aber auch viele Verbesserungen, etwa bei der
       Familienzusammenführung. Diese aber [4][hat der Kanzler mit den Länderchefs
       bei der Ministerpräsidentenkonferenz im November einfach abgebügelt]. Es
       ist deutlich, wo die Regierung ihren Fokus setzt. Und das erschüttert das
       Vertrauen rassifizierter Menschen, dass dieses Land sie schützen wird, wenn
       Vertreibungspläne wie die der AfD jemals Realität werden.
       
       Sie sprechen [5][die Correctiv-Recherche an]: Vertreter*innen von AfD,
       Neonazis, Werteunion und anderen haben offenbar Pläne geschmiedet, um
       Menschen mit Migrationshintergrund zu deportieren – unabhängig von ihrer
       Staatsbürgerschaft. 
       
       Ganz ehrlich: Diese Enthüllung hat weder in meinem beruflichen noch im
       privaten Umfeld jemanden überrascht. Menschen, die potenziell von solchen
       Plänen betroffen sind, warnen seit Jahren vor dieser Gefahr. Rechte Politik
       und der rechte Diskurs betreffen diese Menschen schon jetzt ganz konkret.
       Diese Menschen bangen um ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben –
       ihre Sorgen kommen aber in der Realität der meisten Politiker*innen
       kaum vor. Es wäre ihre Aufgabe, diesen Menschen zu zeigen: Ihr habt unsere
       Rückendeckung, ihr seid sicher in diesem Land. Mit Gesetzen aber, die
       Geflüchteten ihre Grundrechte verwehren und sie in „nützliche“ und „nicht
       nützliche“ Ausländer einteilen, wird das kaum gelingen.
       
       Aber nach den Enthüllungen von Correctiv sind doch Tausende auf die Straße
       gegangen. Auch Politiker*innen der Ampel, selbst der Bundeskanzler. 
       
       Es macht mir Hoffnung, [6][dass nun Tausende auf die Straße gehen]. Dennoch
       fehlte die Empörungswelle, als die Ampel im vergangenen Jahr der massiven
       Entrechtung Geflüchteter an den EU-Außengrenzen zugestimmt hat. Als der
       Kanzler erklärt hat, Deutschland müsse endlich mehr abschieben. Als
       CDU-Chef Friedrich Merz sagte, nicht Kreuzberg sei Deutschland, sondern
       Gillamoos. Jedes dieser Ereignisse sorgte dafür, dass der rechte Diskurs
       von der AfD weiter in die Mitte wandert. Es ist längst an der Zeit für
       einen starken Schulterschluss gegen rechts. Aber es reicht nicht, nur gegen
       die AfD zu sein. Solche rassistischen Pläne müssen strukturell bekämpft
       werden, auf allen politischen Ebenen.
       
       19 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gesetzesvorhaben-im-Bundestag/!5983182
 (DIR) [2] /Verschaerfte-Abschieberegeln/!5966568
 (DIR) [3] /Reform-des-Staatsangehoerigkeitsrechts/!5973840
 (DIR) [4] /Bund-Laender-Treffen-zu-Asylpolitik/!5968502
 (DIR) [5] /Geheimtreffen-mit-Rechtsextremen/!5984871
 (DIR) [6] /Proteste-gegen-rechts/!5986385
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dinah Riese
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Staatsangehörigkeit
 (DIR) Einbürgerung
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Abschiebung
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Traumatherapie für Geflüchtete: Alleingelassen in der Wartehalle
       
       Viele Geflüchtete haben traumatische Erfahrungen gemacht, aber geholfen
       wird ihnen kaum. Für die Integration dieser Menschen ist das schlecht.
       
 (DIR) Flucht übers Mittelmeer: Die paar Leichen am Strand
       
       In Deutschland demonstrieren Hunderttausende gegen rechtsextreme
       Deportationsfantasien. Zeitgleich stranden Leichen vor Luxushotels in der
       Türkei.
       
 (DIR) Gesetzesvorhaben im Bundestag: Einbürgerung und Abschiebung
       
       Der Bundestag beschließt in dieser Woche weitreichende Verschärfungen bei
       Abschiebungen. Einbürgerungen hingegen sollen schneller möglich sein.
       
 (DIR) Rechtsruck im politischen Diskurs: Das Problem reicht bis in die Mitte
       
       Beim Fokus auf die Demokratiefeindlichkeit der AfD wird übersehen, was in
       der Mitte passiert. Dort imitieren Parteien zunehmend AfD-Rhetorik.
       
 (DIR) Migrationspolitik im Bundestag: Grüner Redebedarf bei Abschiebungen
       
       Der Bundestag debattiert über Verschärfungen in der Migrations- und
       Lockerungen in der Integrationspolitik. Es ist eine hitzige Diskussion.