# taz.de -- Verfahren wegen Staatsverschuldung: EU geht gegen Sünder vor
       
       > Die EU-Kommission leitet Defizitverfahren gegen Frankreich, Italien und
       > und fünf weitere EU-Länder ein, die zu hohen Geldbußen führen können.
       
 (IMG) Bild: Für Frankreichs Präsident Macron kommt der blaue Brief aus Brüssel zur Unzeit
       
       BRÜSSEL taz | Es geht wieder los: Nach jahrelanger Pause wegen der
       Coronapandemie will die EU-Kommission erneut gegen „Schuldensünder“ und
       hohe Budgetdefizite vorgehen. Frankreich, Italien und fünf weitere
       EU-Länder müssen mit der Eröffnung eines sogenannten Defizitverfahrens
       rechnen, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Zur Begründung
       verwies die Kommission auf die neuen Schuldenregeln, die seit April in
       Kraft sind. Sie sehen enge Grenzen für die Staatsverschuldung und das
       laufende Budgetdefizit vor. Als Nächstes müssen noch die Finanzminister
       zustimmen, das ist im Juli geplant. Defizitverfahren können zu hohen
       Geldbußen führen.
       
       Für Frankreich kommt der blaue Brief aus Brüssel zur Unzeit. Präsident
       Emmanuel Macron hat [1][nach Verlusten bei der Europawahl für den 30. Juni
       Neuwahlen angesetzt]. Umfragen zufolge liegen die Nationalisten von Marine
       Le Pen vorn. Ihr Wahlsieg könnte Frankreich in eine Finanzkrise stürzen,
       Spekulanten wetten bereits eifrig gegen Paris.
       
       Auch in Italien und Belgien schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. In
       Belgien haben gerade die Verhandlungen für eine [2][neue Regierung unter
       Führung des flämischen Nationalisten Bart De Wever] begonnen. Harte
       Sparauflagen der EU gefährden die Koalitionsgespräche. Und in Italien lehnt
       man neue Kürzungsprogramme aus Brüssel ohnehin ab.
       
       Die EU-Kommission versuchte, ihren harten Kurs freundlich zu verpacken. Die
       neuen Schuldenregeln sähen angepasste, länderspezifische Pläne zum
       Defizitabbau vor, hieß es. Außerdem werde man soziale Probleme sowie
       Investitionen in die Rüstung und in den Klimaschutz berücksichtigen.
       
       ## 3 Prozent Wirtschaftsleistung einsparen
       
       Auf Nachfrage räumte die Behörde ein, dass die Defizitverfahren eine „milde
       dämpfende Wirkung“ auf die Konjunktur haben: Das ohnehin schwache
       Wirtschaftswachstum wird weiter gebremst. Nach Berechnungen der Denkfabrik
       Bruegel müsste Belgien staatliche Ausgaben im Wert von 3 Prozent der
       Wirtschaftsleistung kürzen, Frankreich 3,7 und Italien sogar 4,3 Prozent.
       Dies dürfte zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Verschont
       hat die EU Deutschland. Obwohl das größte EU-Land die 60-Prozent-Grenze bei
       der Gesamtverschuldung überschreitet, droht kein Strafverfahren.
       
       Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die neuen EU-Regeln mit
       ausgehandelt hat, könnte sich entspannt zurücklehnen und mehr Geld
       ausgeben. Dennoch will er an der umstrittenen Schuldenbremse festhalten und
       das deutsche Budget kürzen. Deutschland müsse „Stabilitätsanker“ in Europa
       bleiben – „wegen der Entwicklungen in Frankreich, aber auch der
       fiskalischen Lage in Italien“, sagte Lindner. Wenn es dabei bleibt, treten
       bald die beiden größten EU-Länder – Deutschland und Frankreich –
       gleichzeitig auf die Sparbremse.
       
       19 Jun 2024
       
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