# taz.de -- Verfassungsgericht kippt Mietendeckel: Die Entscheidung fiel einstimmig
       
       > Berlin durfte kein Gesetz mit Mietobergrenzen beschließen, entschied das
       > Verfassungsgericht. Für eine mögliche Regulierung im Bund bleiben Fragen.
       
 (IMG) Bild: MieterInnen müssen nun wieder bangen, dass sie aus ihrer Nachbarschaft verdrängt werden
       
       FREIBURG taz | Das Land Berlin durfte keinen Mietendeckel einführen. Ein
       derartiges Gesetz wäre nur auf Bundesebene möglich. Das entschied jetzt der
       Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts. Ob der Mietendeckel auch das
       Grundrecht auf Eigentum verletzt, ließ das Gericht offen.
       
       In Berlin trat [1][der sogenannte Mietendeckel] im Februar 2020 in Kraft.
       Damit waren die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin auf dem
       Stand von Juni 2019 eingefroren. Bei Neuvermietungen galten vom Staat
       festgelegte Obergrenzen. Ab November 2021 mussten überhöhte Mieten sogar
       gesenkt werden.
       
       Das Paradeprojekt der rot-rot-grünen Koalition in Berlin war allerdings von
       Beginn an verfassungsrechtlich umstritten. Zum einen war fraglich, ob der
       Mietendeckel per Landesgesetz eingeführt werde konnte. Zum anderen
       monierten Vermieter:innen einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr
       Eigentum.
       
       Gegen den Mietendeckel erhoben 284 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und
       FDP eine abstrakte Normenkontrolle. Das Landgericht Berlin und das
       Amtsgericht Mitte forderten das Bundesverfassungsgericht ebenfalls zum
       Eingreifen auf. Verfassungsbeschwerden von privaten Vermieter:innen und
       Wohnungsgesellschaften kamen hinzu. Weitere Klagen gingen an das Berliner
       Landesverfassungsgericht. Zunächst war also unklar, wer überhaupt als
       Erstes entscheiden wird.
       
       Die Berliner Landesverfassungsrichter ließen Karlsruhe den Vorrang. Und in
       Karlsruhe überließ der für die Verfassungsbeschwerden zuständige Erste
       Senat dem etwas konservativeren Zweiten Senat das Feld.
       
       Die Entscheidung des Zweiten Senats fiel nun aber einstimmig. Das heißt:
       Auch die vier von der SPD und den Grünen nominierten Richter:innen
       tragen die Entscheidung mit.
       
       Das Gericht konzentrierte sich ganz auf die Kompetenzfrage: Durfte das Land
       Berlin einen Mietendeckel einführen oder hätte dies nur der Bundestag
       beschließen können? Die Antwort war eindeutig: Das Land Berlin hatte
       hierfür keine Gesetzgebungskompetenz. Die Kompetenz des Bundestags sei hier
       abschließend.
       
       Die Richter:innen stellten zunächst fest, dass das Mietrecht schon seit
       über 120 Jahren zum Bürgerlichen Recht gehört. Hierfür habe aber der Bund
       die „konkurrierende Gesetzgebung“. Das heißt: Die Länder sind zwar nicht
       völlig von der Gesetzgebung ausgeschlossen. Sie kommen aber nur dann zum
       Zug, wenn der Bund ein Feld nicht abschließend geregelt hat.
       
       ## Mietpreisbremse statt Mietendeckel
       
       Im Bereich des Schutzes der Mieter:innen gegen überhöhte Mieten habe der
       Bund spätesten 2015 mit [2][Einführung der Mietpreisbremse] eine
       abgeschlossene Regelung getroffen, so die Richter:innen. Die
       Mietpreisbemse beschränkt die Miethöhe bei Neuvermietungen in angespannten
       Wohnungsmärkten auf 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete. Seitdem
       habe der Bundestag noch vier weitere Gesetze zum Mieterschutz beschlossen.
       
       Das Berliner Gesetz zum Mietendeckel habe nun aber versucht, die gleiche
       Frage zu regeln. Dabei sei der Berliner Gesetzgeber mit seinen Obergrenzen
       und der Pflicht, überhöhte Mieten sogar zu senken, deutlich strenger
       gewesen als der Bundestag. Ein solches Gesetz durfte Berlin aber nicht
       beschließen, denn damit setzte die Berliner rot-rot-grün-Koalition ihre
       Interessensabwägung an die Stelle der nicht so mieterfreundlichen
       Interessensabwägung des Bundestags.
       
       Das Land Berlin hatte sich darauf berufen, dass der Mietpreisdeckel nicht
       zum Mietrecht gehöre, sondern zum „Wohnungswesen“. Dafür sei das Land
       eindeutig zuständig. Die Richter räumten ein, dass vor Jahrzehnten
       eventuell auch die „Mietzinskontrolle“ zum Wohnungswesen gehörte. Doch im
       Jahr 2006, als die Kompetenz für das „Wohnungswesen“ vom Bund auf die
       Länder überging, sei das „Wohnungswesen“ eindeutig enger definiert gewesen,
       so die Richter:innen. Die Länder seien danach nur für den sozialen
       Wohnungsbau und die Mietpreisbindung von öffentlich gefördertem Wohnraum
       zuständig.
       
       Die Karlsruher Entscheidung befasste sich nicht mit der Frage, ob der
       Mietendeckel auch das Grundrecht auf Eigentum verletzt. Die Fragen können
       nun auch nicht in weiteren Gerichtsentscheidungen thematisiert werden, denn
       das Berliner Mietendeckel-Gesetz existiert seit diesem Donnerstag nicht
       mehr.
       
       ## Knackpunkt bleibt Recht auf Eigentum
       
       Bei einem Mietendeckel auf Bundesebene, den Mieterbund, SPD, Linke und
       Grüne jetzt fordern, bestehen sicher keine Kompetenzprobleme. Ob er
       allerdings ein unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte wäre, blieb
       ungeklärt.
       
       Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Berliner Gesetz für „nichtig“.
       Mieter müssen nun im Fall von Mieterhöhungen, die am Mietendeckel
       scheiterten, diese sogenannten Schattenmieten nachzahlen. Das Gericht
       verzichtete darauf, das Gesetz erst ab einem Zeitpunkt in der Zukunft außer
       Kraft zu setzen. Grund dafür ist wohl, dass vom Berliner Gesetzgeber keine
       Nachbesserung verlangt wurde.
       
       Az.: 2 BfV 1/20 u.a.
       
       15 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wohnungsmarkt-in-Berlin/!5745202
 (DIR) [2] /Wohnungsnot-und-Mieterrecht/!5663751
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
 (DIR) Mietendeckel
 (DIR) Wohnungspolitik
 (DIR) Berlin
 (DIR) Verfassungsgericht
 (DIR) Karlsruhe
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Mietendeckel
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mietendeckel-Entscheidung in Berlin: Eine Ahnung von düsteren Zeiten
       
       Die Entscheidung des Verfassunggerichts erinnert an 2006: Damals
       verweigerte Karlsruhe Berlin Finanzhilfen – und stürzte das Land in eine
       tiefe Krise.
       
 (DIR) Protest nach Entscheid zum Mietendeckel: Wut und Frust
       
       Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel kippt, ziehen mehrere
       Tausend Berliner:innen durch die Stadt. Sie sind wütend und enttäuscht.
       
 (DIR) Reaktionen auf gekippten Mietendeckel: Jetzt ist der Ball beim Bund
       
       Linkspartei, SPD und Grüne fordern bundesweite Regeln gegen Mietsteigerung.
       Union, FDP und AfD hingegen freuen sich mit der Immobilienlobby.
       
 (DIR) Entscheid zum Mietendeckel: Einseitig und unfair
       
       Das Nein aus Karlsruhe ist problematisch. Inhaltlich hat sich das
       Bundesverfassungsgericht nicht positioniert – es hat damit eine Chance
       vertan.
       
 (DIR) Mietendeckel gekippt: Sie stehen auf der anderen Seite
       
       Nach dem Scheitern des Mietendeckels ist offensichtlich: Die Wohnungsfrage
       wird Wahlkampfthema. Es muss jedem klar sein, wofür FDP und Union stehen.