# taz.de -- Wahlvorbereitung im Kongo: Das Kreuz mit den Wahlen
       
       > In der Demokratischen Republik Kongo wächst die Sorge um die nächsten
       > Wahlen. Vor allem die Kirchen warnen vor Unregelmäßigkeiten und Krieg.
       
 (IMG) Bild: Heiligabend 2022: Wahlkommissionschef Denis Kadima lässt sich biometrisch registrieren
       
       BRÜSSEL taz | Finden die nächsten Wahlen in der Demokratischen Republik
       Kongo pünktlich und korrekt statt? Am 20. Dezember dieses Jahres soll ein
       neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt werden. Kongos letzte Wahl,
       im Dezember 2018, fand mit zwei Jahren Verspätung statt und das Ergebnis –
       die Verkündung von Felix Tshisekedi als Wahlsieger – gilt allgemein als
       [1][Resultat einer Manipulation].
       
       „Wir wissen, dass Félix Tshisekedis Wahl eine Fälschung gewesen ist und wir
       haben das damals auch gesagt“, erklärte vor wenigen Wochen der katholische
       Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Fridolin Ambongo, und erinnerte an die
       damalige Kritik der [2][katholischen Bischofskonferenz CENCO], die mit
       ihrem eigenen landesweiten Netzwerk von Wahlbeobachtern andere Ergebnisse
       festgestellt hatte als die [3][kongolesische Wahlkommission CENI].
       
       Heute begleiten die Kirchen im Kongo erneut die Arbeit der Wahlkommission
       bei der Vorbereitung der nächsten Wahlen – und schlagen Alarm. Vor wenigen
       Wochen besuchten Vertreter der katholischen Kirche und der protestantischen
       Église du Christ au Congo (ECC) gemeinsam Brüssel zu Gesprächen mit der EU
       und warnten vor zunehmenden Problemen, die die Integrität des Wahlprozesses
       gefährden.
       
       Aktuell läuft die Aktualisierung des Wahlregisters – alle Wahlberechtigten
       des riesigen Landes mit fast 100 Millionen Einwohnern müssen sich neu
       registrieren, [4][die CENI rechnet mit genau 49.382.552], neun Millionen
       mehr als vor fünf Jahren. Landesweit, gestaffelt nach Provinzen von West
       nach Ost, sind CENI-Mitarbeiter mit Maschinen zur biometrischen Erfassung
       der Wahlberechtigten und Ausgabe neuer Wählerausweise unterwegs.
       
       Im Westen des Landes ist die Registrierung abgeschlossen, nun ist der Osten
       dran. Doch in großen Teilen der Provinz Nord-Kivu, wo die Rebellenbewegung
       [5][M23 (Bewegung des 23. März)] weite Landstriche kontrolliert, kann keine
       Wählerregistrierung stattfinden, warnten CENCO-Generalsekretär Donatien
       Nshole und ECC-Sprecher Eric Nsenga.
       
       Die Unsicherheit in Nord-Kivu und der Nachbarprovinz Ituri habe 4,2
       Millionen Menschen in die Flucht geschlagen. Selbst wenn die
       Binnenvertriebenen es schafften, sich zu registrierten, könnte es
       geschehen, dass sie woanders ihre Stimme abgeben müssen als im Wahlkreis,
       in dem sie registriert sind. Dies würde die Wahl der Wahlkreisabgeordneten
       verzerren.
       
       Nicht nur die Unsicherheit sei ein Problem. Dass Kongos Regierung
       Selbstverteidigungsmilizen ermutigt, als „patriotische“ Milizen gegen die
       als Marionette Ruandas beschriebene M23, verschärfe die Spannungen, so
       Nsenga. Am Ende könnte Ostkongo größtenteils von den Wahlen ausgeschlossen
       bleiben.
       
       ## Merkwürdigkeiten bei der Wählerregistrierung
       
       Die beiden großen Kirchen haben mit ihrer gemeinsamen Wahlbeobachtermission
       bereits bei der ersten Phase der Registrierung im Westteil des Landes
       eine Reihe von Unregelmäßigkeiten festgestellt, die teilweise einen Willen
       zum Wahlbetrug erkennen lassen, sagen sie.
       
       Im Distrikt Masimanimba in der Provinz Kwilu wurden 300 unbedruckte
       Wählerausweise sichergestellt. In der Provinz Kasai gelangte ein Fahrzeug
       der Wahlkommission aus Kinshasa in einen Verkehrsunfall und dabei wurden
       lauter Wählerkarten, Wahlmaterialien und Wählerregistrierungsmaschinen
       gefunden. Beide Vorfälle wurden von der Wahlkommission bestätigt.
       
       Material zur Identifizierung und Registrierung von Wahlberechtigten, so die
       Kirchen, sei vielfach in die Hände unbefugter Personen gelangt. Manche
       würden ihre eigenen Registrierungszentren betreiben und damit frühzeitig in
       die Lage geraten, Wahlurnen mit fiktiven Stimmen vollzustopfen.
       
       Die katholisch-protestantische Beobachtermission spricht von einem ernsten
       Sicherheitsproblem, das geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung und die
       Glaubwürdigkeit der Wahlen zu beschädigen. „Es wäre unverantwortlich, mit
       einem Prozess fortzufahren, dessen Glaubwürdigkeit ernsthaft infrage
       steht“, sagen die Bischöfe.
       
       Das Problem fiktiver Registrierungszentren – also das massenhafte
       Herstellen von Wählerausweisen ohne entsprechende Wahlberechtigte – scheint
       weit verbreitet zu sein. In Matadi, Hauptstadt der Provinz Kongo-Central,
       stellten sich 13 der 35 Registrierungszentren auf der Liste der
       Wahlkommission als nicht existent heraus. „Wie kann es sein, dass eine
       Schule, die es nicht gibt, als Registrierungsort dient?“, fragen sich die
       Bischöfe.
       
       Es gibt auch Mutmaßungen, dass die Wählerregistrierung besonders gut in den
       Hochburgen des Präsidenten funktioniert. In der Provinz Haut-Katanga im
       Süden, Hochburg des Oppositionsführers Moise Katumbi, gibt es 551
       Registrierungsbüros für geschätzte 3 Millionen Wahlberechtigte. In der
       Provinz Kasai-Oriental, Hochburg von Präsident Félix Tshisekedi, gibt es
       574 Büros für nur 1,34 Millionen Wahlberechtigte.
       
       ## Misstrauen zwischen Kirche und Staat
       
       Das Misstrauen zwischen Kirche und Staatsmacht ist ohnehin groß. Einst
       stritten Kongos katholische Kirche und die UDPS (Union für Demokratie und
       Sozialen Fortschritt) von Präsident Tshisekedi gemeinsam für Demokratie im
       Land. Aber die Art, wie Tshisekedi Präsident wurde, hat zu einer Entzweiung
       geführt. 2021 drückte Tshisekedi seinen Kandidaten [6][Denis Kadima] für
       die Präsidentschaft der Wahlkommission CENI gegen den ausdrücklichen Willen
       der Kirchen durch.
       
       Die jetzt bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bestätigen nun diesen
       Vorwurf in den Augen von Tshisekedis Gegnern, an erster Stelle die
       Parteienallianz FCC (Gemeinsame Front für Kongo) von Expräsident Joseph
       Kabila, der sich noch überlegt, ob er selbst wieder kandidieren möchte. Die
       FCC hat die Arbeit der Wahlkommission als „korrupt“ bezeichnet und verlangt
       eine Suspendierung der Wahlvorbereitung.
       
       Muss sich Kongo also auf eine Wahlverschiebung einstellen, wie beim letzten
       Mal? Bischof Nshole, Chef der katholischen Bischofskonferenz, ist dagegen –
       mit einem solchen Manöver hatte schon Kabila das Ende seiner Amtszeit von
       2016 auf 2018 hinausgezögert.
       
       „Die Wahlen müssen 2023 stattfinden“, sagt Nshole. „Aber man muss die
       Voraussetzungen schaffen, insbesondere die Sicherung der Wahlmaterialien.“
       Sein protestantischer Kollege Nsenga ist kritischer: „Die Kirchen werden
       einen fehlerhaften Prozess nicht unterstützen. Wahlen sind kein
       Selbstzweck.“
       
       ## Es fehlt an Geld
       
       Einig sind sich die Wahlkommission und ihrer Kritiker in einem Punkt: Es
       fehlt an Geld für eine korrekte Wahlvorbereitung. CENI-Präsident Kadima hat
       nach eigenen Angaben seit September nichts mehr aus dem Staatshaushalt
       erhalten, ein Plan zur Freigabe von Mitteln werde von der Regierung nicht
       eingehalten.
       
       Die Kirchen haben die internationalen Geldgeber aufgefordert, die Lücken zu
       schließen, und wollen von der EU 15 Millionen US-Dollar für ihre eigenen
       Wahlbeobachter, damit sie der CENI weiter auf die Finger gucken können.
       Bisher gab es nur 1,6 Millionen US-Dollar von den USA und 300.000 von
       Großbritannien, erklärte in Brüssel Clément Makiobo von der kirchlichen
       „Kommission Gerechtigkeit und Frieden“.
       
       Aber die Kirchen fürchten auch, dass am Ende ein erneuter Wahlbetrug von
       den internationalen Partnern gedeckt werden könnte, [7][wie 2018]. Damals
       wussten zwar alle Geberländer, dass Tshisekedi nicht der reguläre Sieger
       war – aber sie erkannten ihn an, um des Friedens willen, trotz der Kritik
       der Wahlbeobachter. „Wir fühlten uns fallengelassen“, erinnert sich Bischof
       Nshole und hofft: „Inzwischen ist Zeit vergangen und sie haben daraus ihre
       Lehren gezogen.“ Das wird sich zeigen.
       
       28 Mar 2023
       
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