# taz.de -- Machtkämpfe in der DR Kongo: Tropensturm mit Ansage
       
       > In einem Jahr sollen in der Demokratischen Republik Kongo Wahlen
       > stattfinden. Die explosive politische Konstellation weist in Richtung
       > Bürgerkrieg.
       
 (IMG) Bild: Auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen den M23-Rebellen und der kongolesischen Armee, Ende Oktober
       
       Seit die Wahlkommission der Demokratischen Republik Kongo am 26. November
       ihren Wahlkalender veröffentlichte, befindet sich das Land im Vorwahlkampf.
       Am 20. Dezember 2023 sollen mutmaßlich rund 50 Millionen Wahlberechtigte
       einen neuen Präsidenten, ein neues Parlament sowie 26 neue
       Provinzparlamente wählen.
       
       Es wäre eigentlich die Chance für die Generalüberholung einer der
       unfähigsten Politikerklassen der Welt, die mit Selbstbereicherung,
       Vetternwirtschaft, Gewaltanwendung und Volksverdummung eines der potenziell
       reichsten Länder der Welt in den Ruin getrieben hat. Es wird tatsächlich
       wohl eher eine Gelegenheit zum Schaulaufen für selbsternannte Retter der
       Nation, die sich jetzt ein Jahr lang mit demagogischen Versprechen und
       Verfahrenstricks gegenseitig überbieten und notleidende Menschen
       gegeneinander aufhetzen.
       
       Für [1][Präsident Félix Tshisekedi] geht es jetzt ums Ganze. Der Sohn des
       historischen Gründers der kongolesischen Demokratiebewegung, Étienne
       Tshisekedi, braucht endlich eine eigene Legitimation vom Volk. Sein Amt
       verdankt er bisher einer kruden Wahlfälschung seitens des ehemaligen
       Präsidenten Joseph Kabila.
       
       Der wollte nach der Niederlage seines eigenen Lagers bei den Wahlen 2018
       den Durchmarsch der Opposition verhindern und schmiedete daher eine
       Koalition mit Tshisekedi als dem schwächeren Oppositionellen, den er zum
       Wahlsieger erklären ließ und fortan als Marionette manipulieren wollte.
       Zwei Jahre später kündigte Tshisekedi die Koalition mit Kabila auf, aber
       der Makel eines Profiteurs von Wahlfälschung haftet ihm bis heute an, trotz
       aller Bemühungen, als erster Zivilist an der Staatsspitze etwas für die
       Masse der Bevölkerung zu tun.
       
       ## Mobilmachung aus Machtkalkül
       
       Die 2018 von Kabila ausgebootete Anti-Kabila-Opposition sinnt nun gegen
       Tshisekedi auf Rache; diverse Kandidaten aus ihren Reihen laufen sich
       längst warm. Der 2020 wiederum von Tshisekedi ausmanövierte Kabila drängt
       seinerseits zurück an die Macht. Dafür setzt er seine beträchtlichen
       finanziellen und militärischen Mittel ein, die er nach Ende seiner Amtszeit
       behalten konnte – vor allem die Loyalität zahlreicher ehemaliger Generäle
       und Unternehmer, die ihm ihre Karriere zu verdanken haben.
       
       Ganz oben, aber zwischen beiden Lagern gefangen, thront Tshisekedi als
       relativ schwacher Präsident, der weder über die demagogischen noch die
       militärischen Instrumente verfügt, um sich zu behaupten. Er kann weder auf
       die Loyalität des Sicherheitsapparats zählen, dessen erfahrenste Akteure
       Kabila treu geblieben sind, noch auf die Solidarität anderer ziviler
       Politiker, die er alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten hintergangen hat.
       
       In einem auf Gewalt beruhenden Machtsystem muss ein Präsident natürlich in
       der Lage sein, solche Defizite aufzuholen. Und das tut das Tshisekedi-Lager
       jetzt auf denkbar gefährlichste Weise: mit einer populistischen,
       nationalistischen Mobilmachung für das Vaterland im Zusammenhang mit dem
       [2][neuen Krieg im Osten Kongos].
       
       Die ehemalige [3][Rebellenbewegung M23] (Bewegung des 23. März), ein
       Machtvehikel unzufriedener kongolesischer Tutsi-Generäle und
       Interessenvertretung vertriebener kongolesischer Tutsi, hat erneut zu den
       Waffen gegriffen und treibt mit mehr oder weniger diskreter Hilfe aus den
       Nachbarländern Uganda und Ruanda Kongos Armee vor sich her. Sie wird im
       Kongo als Marionette Ruandas verteufelt und die verbreitete Vermutung
       besteht, dass mächtige Kabila-nahe Generäle die Wiederauferstehung der M23
       passiv geduldet, möglicherweise sogar aktiv gefördert haben.
       
       ## Hetze gegen Ruanda
       
       Auch wenn das nicht stimmen sollte – sie profitieren davon, denn der neue
       Krieg lässt Tshisekedi schwach aussehen und die kongolesische Straße
       verlangt jetzt Waffen, um das „besetzte“ Gebiet vom „ruandischen Feind“ zu
       „befreien“. Sie jubelt den Soldaten zu und damit den Trägern militärischer
       Macht, als deren wichtigste Verkörperung Kabila gilt.
       
       Manche Politiker aus dem Tshisekedi-Lager versuchen das durch patriotischen
       Übereifer auszugleichen und stellen sich an die vorderste Front, wenn es
       darum geht, tatsächliche oder vermeintliche „Ruander“ als inneren Feind zu
       jagen. Die Video-Auftritte aufgehetzter, brüllender, machetenschwingender
       junger Kongolesen, die sich vor Hass und Mordeifer kaum noch zügeln können,
       erinnern an die Mordmilizen, die einst in Ruanda für den [4][Völkermord an
       den Tutsi 1994] aufgestellt wurden.
       
       Tshisekedi hat diese Genozid-Geister nicht allein gerufen, aber er
       erscheint gegen sie machtlos. Gewalt, ethnischer Hass und Aufstachelung
       sind nicht nur gegen die „Ruander“ gerichtet. Ganz [5][Ostkongo ist
       Kriegsgebiet]. Extremisten aus Tshisekedis Heimatregion Kasai und aus
       Kabilas Heimatregion Katanga stehen verbal auf Kriegsfuß. Erst in den
       letzten Tagen landeten in Vororten der Hauptstadt Kinshasa Flüchtlinge aus
       einem blutigen Landkonflikt in der Provinz Mai-Ndombe flussaufwärts am
       Kongo-Fluss.
       
       Die Lage ist nicht nur aus politischen Gründen explosiv. Kongo hat gerade
       eine schwere Wirtschaftsrezession hinter sich, bedingt durch Covid-19.
       Hunger und Armut breiten sich aus. Die ohnehin unter dem Existenzminimum
       lebende Bevölkerungsmehrheit verarmt weiter und kämpft um das nackte
       Überleben. Die heutige politisch aktive Generation kennt vor allem Gewalt
       als Mittel der Politik; sie wuchs in einer Ära des Staatszerfalls und
       Krieges auf.
       
       Und wenn nicht einmal die Regierung sagen kann, ob Kongo 90 oder 100
       Millionen Einwohner zählt, wie will da die Wahlkommission innerhalb von nur
       drei Monaten alle Wähler erfassen und ein aktuelles Wahlregister erstellen,
       wie sie es plant? Wie soll ein akzeptables Wahlergebnis zustande kommen und
       damit eine legitime Regierung? Und wie soll überhaupt ein Wahlkampf
       stattfinden, der nicht in einen allgemeinen Bürgerkrieg ausartet, der
       wiederum halb Afrika mit hineinzieht wie vor 20 Jahren? Kongo taumelt
       sehenden Auges in den Abgrund.
       
       5 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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