# taz.de -- Warnung vor linksextremer Gewalt: Es kommt der Tag X
       
       > Die Zahl der linken Straftaten sank zuletzt. Doch Verfassungsschutz und
       > BKA geben keine Entwarnung, denn etwas hat sich verändert.
       
 (IMG) Bild: Polizisten bei einer Solidemo für Lina E. in Leipzig im September 2021
       
       BERLIN taz | Die Ansagen sind markig. Es gebe beim Linksextremismus „keine
       Entwarnung“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt.
       Deren Gewalttaten würden „immer hemmungsloser und brutaler“, sagte ihre
       Sprecherin.
       
       Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang warnte erst am vergangenen Montag
       vor dem „hohen Radikalisierungsniveau“ der Szene: Kleine, abgeschottete
       Gruppen begingen akribisch geplante, schwere Gewalttaten. „Das Maß an
       Brutalität ist erschreckend.“ Und auch Sachsens Innenminister Armin
       Schuster (CDU) kündigte zuletzt an, den Kampf gegen Linksextremismus
       „weiter zu intensivieren“.
       
       Und die Warnungen werden [1][vor dem bevorstehenden Urteil gegen die
       autonome Gruppe um Lina E. noch lauter]. Sachbeschädigungen und
       Brandstiftungen seien danach zu befürchten, erklärt der sächsische
       Verfassungsschutz. Für die Demonstration in Leipzig am Samstag nach der
       Urteilsverkündung sei mit Anreisen von Linksextremen „aus dem gesamten
       Bundesgebiet zu rechnen“. Eine Beteiligung von „Nichtextremisten, die auf
       das Umfeld militanter Akteure mildernd einwirken könnte, ist derzeit nicht
       ersichtlich“.
       
       Der Polizeieinsatz am Samstag wird auch so herausfordernd: Am gleichen Tag
       findet in Leipzig auch ein Stadtfest und das Sachsenpokalfinale statt.
       [2][Zudem beunruhigt die Sicherheitsbehörden eine Ankündigung von
       Autonomen, für jedes verhängte Jahr Haft einen Sachschaden von 1 Million
       Euro zu verursachen.]
       
       ## „Strategisch geplant“
       
       Nach taz-Informationen warnte die Polizei deshalb bereits Autohäuser und
       Baufirmen vor Anschlägen und appellierte, Objektschutzmaßnahmen zu treffen.
       Bereits am vergangenen Montag war in Leipzig eine geplante neue
       Polizeiwache mit Steinen und Farbbeuteln beworfen worden.
       
       Grundsätzlich warnt der Verfassungsschutz vor einer zuletzt „nochmals
       gewachsenen Gewaltbereitschaft“ in der linksextremen Szene. Zahlreiche
       Gewalttaten würden inzwischen „strategisch geplant“ und von „klandestinen
       Kleingruppen“ umgesetzt, Tatorte würden „mit hoher Professionalität
       ausgeforscht“.
       
       Auch nach der Festnahme von Lina E. Ende 2020 hatten sich Angriffe auf
       Neonazis in Sachsen und Thüringen fortgesetzt, zuletzt gab es ebenfalls
       einen in Budapest. Hier wird nun nach deutschen Autonomen gefahndet, einige
       noch sehr jung, darunter auch Johann G., der Lebensgefährte von Lina E.
       
       Dass inzwischen mehrere Autonome abgetaucht sind, beunruhigt die Behörden.
       Das habe eine neue Qualität, heißt es in Sicherheitskreisen. Bisher scheine
       dieses Untertauchen aber vorrangig motiviert, um Festnahmen zu entkommen,
       nicht um neue Straftaten zu verüben. Das Wort Terror wird daher öffentlich
       noch nicht in den Mund genommen.
       
       ## Professionellere Straftaten?
       
       Die Zahlen gingen zuletzt sogar zurück. [3][So zählte das Bundeskriminalamt
       (BKA) im Jahr 2022 knapp 7.000 linksextreme Straftaten] – fast ein Drittel
       weniger als im Vorjahr und so wenig wie seit zehn Jahren nicht. Auch die
       Gewalttaten sanken um ein Drittel auf 842 Delikte, ebenfalls ein
       Langzeittief. BKA-Chef Holger Münch warnte jedoch, dass einzelne Straftaten
       heftiger und professioneller würden.
       
       Gleichzeitig wird der Ermittlungsdruck erhöht: Allein die sächsische Soko
       LinX führt derzeit 113 Ermittlungsverfahren gegen Linksradikale – auf
       rechtsextremer Seite sind es 81. Dabei zählt der Verfassungsschutz in
       Sachsen 4.350 Rechtsextremisten und nur 850 Linksextreme.
       
       In der linksradikalen Szene wird durchaus kritisch über Militanz
       diskutiert. [4][Die Leipziger Gruppe „kappa“ will über die „Sinnhaftigkeit
       mancher militanter Praxis“ reden.] Diese könne etwa „zur Gefahrenabwehr“
       notwendig sein, dürfe aber „nicht zum Selbstzweck verkommen“ oder zum
       „Gewaltfetisch“. Auch die Leipziger Gruppe „Rassismus tötet“ erklärte schon
       vor Monaten zum Fall Lina E.: Es sei gut, dass „Faschos in ihre Grenzen
       gewiesen wurden“. Aber: „Militanz als Selbstzweck ist kein Bestandteil
       emanzipatorischer Praxen.“
       
       29 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.lvz.de/lokales/leipzig/lina-e-dankt-nach-plaedoyer-familie-und-freunden-urteil-am-31-mai-XC73ZQMJJJBFZAFXWFRZ7YGSBA.html
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/behoerdenwarnung-vor-neuem-linksterrorismus-hammer-auf-den-kopf-stiche-in-den-bauch-a-89200b53-6808-4dd3-8892-ef2b75b13918
 (DIR) [3] /Statistik-der-Polizei-in-Berlin/!5929512
 (DIR) [4] https://knack.news/5773
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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