# taz.de -- Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung: Was die Polizei wissen darf
       
       > Der Innen- und der Justizminister stellen ihren Kompromiss für die
       > Vorratsdatenspeicherung vor. Nur Polizisten sollen an die Daten
       > herankommen.
       
 (IMG) Bild: Es muss Liebe zu Daten sein: Thomas de Maizière (l.) und Heiko Maas.
       
       FREIBURG taz | Union und SPD sind sich einig: In Deutschland soll bald
       wieder die Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden. Innenminister Thomas
       de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) haben einen
       Kompromiss ausgehandelt und stellten am Mittwoch auf getrennten
       Pressekonferenzen die entsprechenden „Leitlinien“ vor.
       
       Zehn Wochen lang, das sind zweieinhalb Monate, sollen künftig alle Telefon-
       und Internetverbindungsdaten gespeichert werden. Davon ist die gesamte
       Bevölkerung betroffen, es handelt sich um eine anlasslose
       Vorratsdatenspeicherung.
       
       Gespeichert wird „wer wen wann wie lange angerufen hat“ und „wer wem wann
       eine SMS schrieb“ sowie „wer wann mit welcher IP-Adresse wie lange ins
       Internet ging“. Die Speicherdauer wurde verkürzt. Früher war eine
       sechsmonatige Speicherung vorgesehen.
       
       Nur vier Wochen lang wird vorsorglich gespeichert, in welcher Funkzelle
       sich ein Mobiltelefon jeweils aufhielt, weil die Standortdaten als
       besonders sensibel gelten. Es sollen auch nur punktuelle Daten abgefragt
       werden („war das Handy am Tatort?“), nachträgliche Bewegungsbilder sind
       nicht erlaubt.
       
       Anders als früher werden die E-Mail-Verbindungsdaten nicht mehr vorsorglich
       gespeichert. Das ist das größte Zugeständnis der Bundesregierung an die
       Kritiker. Wie schon bisher wird auch nicht gespeichert, was am Telefon
       gesprochen wird und welche Webseiten jemand ansurft.
       
       Die Speicherung erfolgt wie früher bei den Telefon- und Internetfirmen,
       also nicht beim Staat. Die Polizei kann nur im konkreten Bedarfsfall die
       Daten anfordern.
       
       ## Entschädigung für Firmen
       
       Die Firmen bekommen, wenn die Speicherung übermäßige Kosten verursacht,
       eine Entschädigung. Das war früher nicht vorgesehen, weshalb die Firmen
       einst gegen die Vorratsdatenspeicherung waren. Die Polizei darf „nur bei
       schwersten Straftaten“ auf die vorsorglich gespeicherten Daten zugreifen.
       
       Hierfür gibt es einen Katalog von Straftaten, der unter anderem
       Mord/Totschlag, Terrorimus, schwere Sexualdelikte und das „Einschleusen von
       Ausländern“ enthält. Laut Minister Maas entspricht die Liste etwa der
       Zulässigkeit des Großen Lauschangriffs (akustische Wohnraumüberwachung).
       Nicht auf der Liste stehen zum Beispiel Betrug und Filesharing.
       
       Wie früher gilt für den Abruf der Daten ein Richtervorbehalt. Es gibt keine
       Eilbefugnis der Staatsanwaltschaft. Betroffene müssen nachträglich in der
       Regel über den Abruf ihrer Daten informiert werden. Die gewaltigen
       Datenmengen, die bei den Firmen anfallen, sollen gut gesichert werden,
       damit nicht Hacker, Kriminelle und ausländische Geheimdienste wie die NSA
       darauf zugreifen könnnen. So sollen die Daten zum Beispiel nur im Inland
       gespeichert werden, nicht etwa in den USA. Der Handel mit gestohlenen Daten
       soll künftig als „Datenhehlerei“ strafbar sein.
       
       Die Daten von Beratungsstellen, wie der Drogenhilfe oder Telefonseelsorge,
       sollen erst gar nicht gespeichert werden. Daten von Ärzten, Rechtsanwälten,
       Pfarren und Journalisten werden jedoch gespeichert, wie die anderer Bürger
       auch. Es diene dem Datenschutz, wenn es keine Listen dieser Berufsgruppen
       gebe, so Justizminister Maas. Es sei der Polizei aber verboten, die
       gespeicherten Vorratsdaten dieser Berufsgruppen abzufragen. Falls die Daten
       versehentlich doch abgerufen werden, soll es ein „Verwertungsverbot“ geben.
       
       Auf die Vorratsdaten darf laut Leitlinien nur die Polizei zur
       Strafverfolgung zugreifen. Dies soll in der Strafprozessordnung, einem
       Bundesgesetz, geregelt werden. Wenn die Polizei die Daten auch zur
       Gefahrenabwehr (etwa zur Abwehr einer Straftat oder zur Suche nach
       vermissten Personen) nutzen will, ist in jedem Bundesland eine Regelung im
       dortigen Polizeigesetz erforderlich. Der Verfassungsschutz, der
       Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst sollen die
       Vorratsdaten nicht nutzen dürfen.
       
       Justizminister Maas kündigte an, dass dieser Kompromiss „in der Substanz
       nicht mehr veränderbar“ ist. Innenminister de Maizière geht davon aus, dass
       Maas nun „so schnell wie möglich“ einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Dieser
       benötigt nur die Zustimmung des Bundestags, nicht des Bundesrats. Die
       Grünen können mit ihrer starken Stellung in der Länderkammer diesmal also
       nichts blockieren.
       
       Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki kündigte am Mittwoch postwendend eine
       neue Verfassungsklage an. Doch Maas zeigte sich überzeugt, dass er die
       Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs
       beachtet hat.
       
       15 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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