# taz.de -- Erste deutsche Holocaust-Professur: Wurde auch Zeit
       
       > Eine Professur für Holocaust-Forschung fehlte in Deutschland bisher. Am
       > Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt wird dies nun geändert.
       
 (IMG) Bild: Das KZ in Auschwitz als Forschungsgegenstand.
       
       FRANKFURT AM MAIN taz | 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird es
       auch in Deutschland die erste reguläre Holocaust-Professur geben, eine
       Stelle, die sich einzig und alleine der Erforschung der Geschichte und
       Wirkung des Holocausts annimmt. Wie das hessische Wissenschaftsministerium
       in der vergangenen Woche mitteilte, entsteht sie am Fritz-Bauer-Institut in
       Frankfurt. Damit schließen die Hessen eine Lücke in der deutschen
       Forschungslandschaft.
       
       Einen Master in Holocaust und Genocide Studies oder einen Bachelor in
       Holocaust-Forschung bieten Universitäten in Schweden, den Niederlanden,
       Österreich und den USA schon längst an – inklusive zugehöriger Professuren.
       
       Auch in Deutschland forschen einige Institute dazu, beispielsweise das
       Institut für Zeitgeschichte in München, das Simon-Dubnow-Institut für
       Jüdische Geschichte und Kultur in Leipzig oder das Zentrum Jüdische Studien
       Berlin-Brandenburg. Eine Professur gibt es bislang aber nirgendwo.
       
       Auch nicht am Frankfurter Fritz-Bauer-Institut. „Mit seiner Ausrichtung ist
       es in Deutschland einmalig“, erklärt Micha Brumlik, Senior Advisor am
       Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Als einzige Einrichtung
       beschäftige sich das Fritz-Bauer-Institut schwerpunktmäßig mit der
       Erforschung des Holocausts und dessen Wirkung auf die folgenden
       Generationen.
       
       Das 1995 gegründete Institut ist geschichtswissenschaftlich aufgebaut.
       Darin unterscheidet es sich beispielsweise vom Dubnow-Institut in Leipzig,
       das aus eher kulturwissenschaftlicher Perspektive das jüdische Leben
       beleuchtet. Gleichzeitig ist der Fokus enger als beim ebenfalls
       historischen Institut für Zeitgeschichte in München. Das forscht
       beispielsweise auch zur Wehrmacht und anderen Aspekten des Kriegs.
       
       ## „So geht das nicht weiter“
       
       Besonders am Frankfurter Institut sei auch, dass es seit seiner Gründung
       von Bürgern getragen werde, betont Jutta Ebeling, Vorsitzende der
       Fritz-Bauer-Stiftung. Gemeinsam mit dem Jüdischen Museum betreibt es zudem
       das sogenannte Pädagogische Zentrum. Dort werden Forschungsergebnisse für
       die breite Masse aufbereitet und zugänglich gemacht – „damit jede
       Generation den Umgang mit dem Holocaust neu erlernt“, sagt Ebeling.
       
       Die Stiftungsvorsitzende hatte zuletzt viel dafür getan, dass das Institut
       eine Professur bekommt. Sie brachte die Beteiligten – Uni, Stadt und Land –
       an einen Tisch. „Spätestes als klar wurde, dass Raphael Gross die Stelle
       des Direktors aufgibt und Frankfurt verlässt, wurde allen klar: So geht das
       nicht weiter“, sagt Ebeling. Gross leitete das Institut ehrenamtlich und
       hatte nebenbei eine befristete Stelle als Honorarprofessor an der
       Goethe-Universität.
       
       In Unipräsidentin Britta Wolff und Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU)
       fand die Stiftung zuletzt Bündnispartner, mit denen die Vorzeichen besser
       standen als bei deren Vorgängern. Nun wird bald die Ausschreibung der
       Professur erfolgen.
       
       „Weil die Position dezidiert einen internationalen Kandidaten suchen wird,
       kann nun wohl auch der Fokus mehr auf globale Auswirkungen des Holocausts
       gelegt werden“, sagt Micha Brumlik. Und geht es nach ihm, wird der neue
       Professor eine Professorin: „Frauen leisten viel in dem Feld, das wäre
       einfach an der Zeit.“
       
       Am Dienstag überraschte die Universität mit einer weiteren Nachricht: Seit
       2001 trugen Institut und Uni eine Gastprofessur für interdisziplinäre
       Holocaustforschung, seit 2013 war die Stelle unbesetzt. Nun kann die
       Gastprofessur ebenfalls für neue fünf Jahre finanziert werden. Hier zeigt
       sich das von Ebeling beschworene Bürgerengagement: Das Geld spendeten zwei
       Frankfurter.
       
       14 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Leimbach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Drittes Reich
 (DIR) Historiker
 (DIR) Frankfurt
 (DIR) Holocaust
 (DIR) Nationalsozialismus
 (DIR) Gentrifizierung
 (DIR) 70 Jahre Befreiung
 (DIR) Erika Steinbach
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Zweiter Weltkrieg
 (DIR) 8. Mai 1945
 (DIR) Joachim Gauck
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Film über Nazi-Jäger: Die Dame ist keine Dame
       
       Der Spielfilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ erzählt von Bauers Versuch,
       Adolf Eichmann aufzuspüren. Nur queer ist er leider nicht.
       
 (DIR) Kolumne Die eine Frage: Das kleine Glück des Protests
       
       Ist das neue Bürgerengagement nur ein
       unterhaltungsorientierter„Verantwortungskonsum“ auf Stadtfesten, Hannelore
       Schlaffer?
       
 (DIR) 70 Jahre nach dem Tag der Befreiung: Die Suche nach einer neuen Heimat
       
       Walter Frankenstein hat als Jude versteckt in Berlin überlebt. Nach dem
       Krieg begann für ihn eine monatelange Odyssee von Deutschland nach
       Palästina.
       
 (DIR) Sowjetische Kriegsgefangene: Doppelt verfolgt
       
       70 Jahre nach Kriegsende: Die Opposition im Bundestag fordert, die
       sowjetischen Kriegsgefangen endlich zu entschädigen.
       
 (DIR) Holocaust-Überlebende in Israel: Jeder Vierte unter der Armutsgrenze
       
       Weniger als 712 Euro im Monat: Rund 45.000 Holocaust-Opfer in Israel leben
       in Armut. Sie müssen an Lebensmitteln und Medikamenten sparen.
       
 (DIR) Jean Le Pen über NS-Gaskammern: Ein „Detail“ des Krieges
       
       Jean-Marie Le Pen nennt Gaskammern abermals ein „Detail“ der Geschichte.
       Seine Tochter Marine ist jedoch anderer Meinung.
       
 (DIR) Berliner Konferenz zur Holocaustforschung: Der verwüstete Kontinent
       
       Auf der 5. Internationalen Konferenz zur Holocaustforschung wurde vor allem
       über die Zeit nach der Befreiung debattiert.
       
 (DIR) 70 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung: Marian Turskis Tag im Bundestag
       
       „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“. Joachim Gauck erinnert
       daran, wie beschämend Deutsche nach der Schoah mit den Opfern umgingen.