# taz.de -- Menschenrechte in Algerien: Ehefrau misshandelt, 20 Jahre Knast
       
       > Das algerische Parlament beschließt ein Gesetz gegen häusliche Gewalt.
       > Konservative kritisieren das als Eingriff in die Familie und Verstoß
       > gegen den Koran.
       
 (IMG) Bild: Künftig besser vor häuslicher Gewalt geschützt? Bewohnerin von Algier.
       
       MADRID taz | Nach Tunesien ist Algerien seit Donnerstagabend das zweite
       nordafrikanische Land mit einem Gesetz gegen häusliche Gewalt und
       Belästigung von Frauen. Männer, die ihre Frauen misshandeln, müssen künftig
       mit einer Strafe zwischen einem und 20 Jahren Haft rechnen. Kommt die Frau
       zu Tode, steht darauf lebenslänglich. Greift ein Ehemann ohne Erlaubnis auf
       das Vermögen seiner Frau zu oder zwingt er sie, ihr Erspartes
       auszuhändigen, kann dies zwischen sechs Monate und zwei Jahren Haft kosten.
       Außerdem wird auch das Belästigen von Frauen im öffentlichen Raum unter
       Strafe gestellt.
       
       Offiziellen Angaben zufolge liegt die Anzahl von gewaltsamen Übergriffen
       gegen Frauen in Algerien pro Jahr bei 7.000. Die Dunkelziffer dürfte um
       einiges höher liegen, da viele der Betroffenen aus Scham die Vorfälle nicht
       zur Anzeige bringen. Pro Jahr sterben 100 bis 200 Frauen an den Folgen
       häuslicher Gewalt. Algerien hatte bisher nur ein Gesetz aus dem Jahr 2004,
       das den Missbrauch von Autorität gegenüber Frauen zum Beispiel von
       Vorgesetzten am Arbeitsplatz verfolgt.
       
       Als „einen positiven Schritt“, lobte die Abgeordnete der linken
       Arbeiterpartei (PT), Nadia Chouiter das Gesetz. Aber gleichzeitig
       bezeichnet sie, wie auch die algerischen Frauenorganisationen und Amnesty
       International das Paragraphenwerk als „widersprüchlich“. Denn die
       Betroffenen können ihrem Peiniger „verzeihen“. Bei leichten Fällen
       häuslicher Gewalt wird das Verfahren dann eingestellt, bei schweren Fällen
       die Strafe milder.
       
       „Diese Bestimmung ignoriert nicht nur das Machtverhältnis zwischen Männer
       und Frauen, sondern setzt die Frauen der Gefahr aus, mit Gewalt und
       Erpressung zur Rücknahme der Anzeige gezwungen zu werden“, erklärt Amnesty
       International. Die Menschenrechtsorganisation hat dabei auch das familiäre
       Umfeld im Blick. Denn das, was viele Familien für Ehre halten, steht in der
       traditionellen Werteskala weit über den Rechten der Frau.
       
       Die Abgeordneten der größten islamistischen Partei im algerischen
       Parlament, die Allianz für ein grünes Algerien (AAV), boykottierte die
       Parlamentssitzung. Das Gesetz verstoße gegen „die Prinzipien des Korans“
       und ziele darauf ab, „die Familie zu zerstören“, beschwerte sich der
       AAV-Sprecher Naamane Belaour. Eine seiner Kolleginnen sieht die Schuld für
       Belästigung und Misshandlung bei den Frauen selbst. „Schlecht gekleidete
       Frauen begehen Gewalt gegen Männer“, erklärte sie.
       
       Eine kleinere islamistische, konservative Kraft, El Adala, ging noch einen
       Schritt weiter. Sie will ein Gesetz, das Frauen dazu zwingt sich islamisch
       korrekt zu kleiden, denn „der fehlende Schleier und die öffentliche
       Nacktheit von Frauen ist der Grund für Belästigungen“.
       
       6 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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