# taz.de -- Kommentar EU-Freizügigkeit: Wer arbeitslos ist, der fliegt > Sie war der Kern der europäischen Einigung, nun ist die Freizügigkeit > gefährdet: Mit einer Lex Roma will die Union mehr Osteuropäer ausweisen > können. (IMG) Bild: Die Union arbeitet an der Demontage der europäischen Einigung. Nichts hat der EU eine solche Legitimität verschafft wie die Freizügigkeit. Sich überall in Europa niederlassen zu dürfen ist der Kern der europäischen Einigung. Wer dieses Recht auf sechs Monate befristet, wie die Union es jetzt will, der verstümmelt ein grandioses europäisches Erfolgsprojekt zu einem besseren Touristenvisum. Im Januar, der Europawahlkampf stand vor der Tür, schoss die CSU sich auf die angeblichen Armutsmigranten aus Südosteuropa ein. Ihr Slogan lautete: „Wer betrügt, der fliegt.“ Rumänen und Bulgaren betrügen deutsche Ämter, um die Sozialkassen zu plündern – das war die Botschaft. Und sie blieb hängen. Mit der Realität hat das wenig zu tun. In den letzten Jahren sind Zehntausende fertig ausgebildete Fachleute aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland gekommen und zahlen hier Sozialabgaben. Zuwanderer aus diesen beiden Ländern sind in Deutschland weit seltener ohne Arbeit als die übrigen EU-Bürger insgesamt. Wenn sie Sozialleistungen erhalten, dann deshalb, weil sie ihnen nach EU-Recht zustehen. Machen sie dabei falsche Angaben gegenüber den Behörden, ist das eine Straftat – genauso wie bei Deutschen auch. In ihrem Kampf gegen den vermeintlichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Südosteuropäer kennt die Union gleichwohl kein Halten mehr: Jetzt soll nicht nur „fliegen“, wer das Sozialamt betrügt – sondern auch der, der keinen Job findet und deshalb womöglich Geld kosten könnte. Auch wenn es sich dabei nur um eine kleine Minderheit der Einwanderer handelt. ## Botschaft an die Krisenstaaten Die Union verhehlt dabei nicht, dass ihr Vorhaben vor allem eine Lex Roma ist: ein Gesetz, um die ungeliebte Minderheit aus Deutschland fernzuhalten. Einmal mehr wird in der Öffentlichkeit hängen bleiben, dass sich die Hungerleider vom Balkan auf unsere Kosten die Taschen füllen. Doch das Recht zur Ausweisung, das die Ausländerbehörden damit erhalten sollen, lässt sich dabei ohne Weiteres auch auf Spanier, Griechen und Italiener anwenden. Es wird in den Krisenstaaten schlecht ankommen, wenn Deutschland einerseits Sparauflagen durchsetzt und gleichzeitig der Jugend die Tür vor der Nase zuschlägt. Freizügigkeit schließt soziale Rechte ein, sie darf nicht unter ökonomischen Vorbehalt gestellt werden. Nur dann erhält sie die EU letztlich am Leben. 12 Aug 2014 ## AUTOREN (DIR) Christian Jakob ## TAGS (DIR) EU (DIR) Freizügigkeit (DIR) Roma (DIR) Union (DIR) Arbeitslose (DIR) Basel (DIR) Große Koalition (DIR) EU-Flüchtlingspolitik (DIR) Nick Clegg (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Schwerpunkt Rassismus (DIR) Flüchtlinge ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Schweiz weist Nicht-EU-Musiker aus: „Als wären wir Kriminelle“ In Basel sollen freie Musiker aus Nicht-EU-Ländern ab 2015 ausgewiesen werden. Der Lautenspieler Orí Harmelin ist einer der Betroffenen. (DIR) EU-Einwanderer in Deutschland: Ohne Job droht die Ausweisung Die Bundesregierung beschließt ein Maßnahmenpaket gegen „Sozialmissbrauch“ und „Armutsmigration“. Stimmung dafür hatte vor allem die CSU gemacht. (DIR) Flüchtlingspolitik der EU: Europa im dritten Anlauf Eine Familie wird vor der griechischen Insel Lesvos von der Küstenwache aufgegriffen. Dort ließ die EU ein modernes Internierungslager bauen. (DIR) Einwanderung in Großbritannien: Auch Liberale für „Eintritt verboten“ Als letzte Partei in Großbritannien sind jetzt auch die Liberaldemokraten auf den Antimigrationskurs eingeschwenkt. (DIR) Bürgerwehr in Eisenhüttenstadt: Für die Schönheit der Stadt Bürger wollen auf eigene Faust Kriminelle bekämpfen – und denken dabei an „Ausländer“. Die Bürgermeisterin bringt die Initiatoren mit der Polizei zusammen. (DIR) Roma in Duisburg geräumt: Unbekannt verzogen Die Stadt Duisburg hat das sogenannte Roma-Haus in den Peschen 5 für unbewohnbar erklärt. Die letzten Mieter mussten nun ausziehen. Ihre Zukunft ist unklar. (DIR) Bundesamt will strengere Regeln: Zurück auf den Balkan Migrationsbundesamt fordert, Asylbewerbung vom Balkan schneller auszuweisen. Erst so könne man sich um die kümmern, die Schutz dringender brauchen.