# taz.de -- Parlamentswahl in Mexiko: Acht ermordete Kandidaten
       
       > Vor der Parlamentswahl beherrschen Boykottaufrufe und Morddrohungen die
       > Debatte. Die Regierungspartei dürfte an Macht verlieren.
       
 (IMG) Bild: Heftige Wahlkampagne: Studenten, die gegen die Wahlen protestieren wollten, liefern sich eine Straßenschlacht mit der Polizei.
       
       BERLIN taz | Gewaltsame Demonstrationen, brennende Stimmzettel und
       mindestens acht ermordete Kandidaten – die am Sonntag in Mexiko
       stattfindenden Parlaments- und Kommunalwahlen werfen ihre Schatten voraus.
       Im Bundesstaat Guerrero lieferten sich am Mittwoch Angehörige und
       Kommilitonen der 43 verschwundenen Studenten Straßenschlachten mit der
       Polizei, in Oaxaca blockierten Tausende Mitglieder der Lehrergewerkschaft
       CNTE den internationalen Flughafen und griffen Wahlbehörden an.
       
       Zugleich gehen Mafiaorganisationen gezielt gegen Politiker vor, die sich
       gegen die Interessen der Kriminellen stellen oder auf der Gehaltsliste der
       Rivalen stehen. Zuletzt wurde am Dienstag ein Kandidat der linken Partei
       der Demokratischen Revolution (PRD) in seinem Wahllokal erschossen.
       
       Die MexikanerInnen sind aufgerufen, mehrere Hundert Bundes- sowie
       Länderabgeordnete, neun Gouverneure und mehr als 800 Bürgermeister zu
       wählen. Die Wahl gilt als Stimmungstest für die ehemalige Staatspartei PRI,
       die seit drei Jahren mit dem Präsidenten Enrique Peña Nieto das Land
       regiert.
       
       Zugleich spielen die Kämpfe um die Rathäuser eine große Rolle für die
       kriminellen Kartelle. Wer das Bürgermeisteramt kontrolliert, hat die Macht
       über lokale Polizisten und die Kontrolle über Transportrouten. Die
       Bedeutung der Wahlen machte die Verbrecherbande Los Rojos deutlich, nachdem
       sie im März die PRD-Kandidatin Aidé Nava González folterte und ermordete.
       „Das passiert mit allen Hurenpolitikern, die sich nicht unterordnen
       wollen“, schrieben sie auf ein Transparent, das neben der Leiche gefunden
       wurde.
       
       ## Ex-Staatspartei könnte Mehrheit verlieren
       
       Seit Monaten rufen die Angehörigen der im September 2014 in der Stadt
       Iguala von Polizisten und Söldnern der Mafia verschleppten Studenten des
       Lehrerseminars Ayotzinapa zum Boykott der Wahlen auf. Die Unsicherheit
       sowie der starke Einfluss der Mafia auf die Regierung, die Polizei und das
       Militär ließen keine unabhängigen Wahlen zu, kritisieren sie. Keine Partei
       habe sich um die Aufklärung des Verbrechens gekümmert, ergänzt das
       Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Es gebe keinen soliden Vorschlag, die
       Gewaltspirale zu bremsen und die Verarmung einzudämmen.
       
       Auch die CNTE setzt sich für einen Wahlboykott ein. Die Lehrer drangen in
       Zweigstellen des Nationalen Wahlinstituts in Oaxaca ein, verbrannten 13.000
       Stimmzettel und stahlen 10.000 weitere. Ihr Protest richtet sich gegen die
       Bildungsreform Peña Nietos. Sie wenden sich gegen Kontrollen, mit denen
       ihre Effizienz überprüft werden soll.
       
       Umfragen sagen voraus, dass die PRI im Bundesparlament die Mehrheit
       verlieren könnte. Vor allem der umstrittene Umgang mit dem Fall Ayotzinapa
       hat die Partei in ein schlechtes Licht gerückt. Aber auch die
       parlamentarische Linke dürfte kaum Erfolge verbuchen. Da die linke
       Morena-Partei des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López
       Obrador als Alternative zur PRD antritt, dürften beide nur etwa zehn
       Prozent der Stimmen bekommen. Der Boykottaufruf wird sie am stärksten
       treffen.
       
       5 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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