# taz.de -- Der Weg des Fluids: Freispruch fürs Fracking
       
       > Die Bundesanstalt für Geowissenschaften sieht durch Fracking aus
       > Schiefergestein weder das Grundwasser bedroht noch das Erdbebenrisiko
       > erhöht.
       
 (IMG) Bild: Angeschmiert: Bundesgeowissenschaftler halten Fracking-Angst für unbegründet.
       
       HAMBURG taz | Die umstrittene Förderung von Erdgas und Erdöl aus
       Schiefergestein ist für das Grundwasser nicht in besonderer Weise
       gefährlich. Das haben Modellrechnungen der Bundesanstalt für
       Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ergeben. Auch das Risiko von Erdbeben
       sei gering, heißt es in der kürzlich veröffentlichten Studie
       „[1][Schieferöl und Schiefergas in Deutschland]“. Die Studie sei eine
       „ungeeignete Grundlage für eine wissenschaftliche Diskussion über
       Fracking-Gefahren“, konterte der Bundesverband Bürgerinitiativen
       Umweltschutz (BBU) postwendend.
       
       Mit dem Fracking wird Öl und Gas gefördert, das nicht in großen Blasen im
       Untergrund gespeichert ist, sondern im Gestein festsitzt. Es ist Gegenstand
       eines [2][Gesetzgebungsverfahrens] auf Bundesebene, das seit der ersten
       Lesung in Bundestag und Bundesrat im Mai 2015 aber nicht weitergekommen
       ist.
       
       Nach dem Gesetzentwurf der schwarz-roten Bundesregierung sollen für das
       bereits seit Jahrzehnten in Deutschland praktizierte sogenannte
       konventionelle Fracking aus Sandstein in Zukunft strenge Auflagen gelten.
       Das [3][unkonventionelle Fracking] von Erdgas aus Schiefergestein soll mit
       Ausnahme von Projekten zu Forschungszwecken in mindestens 3.000 Metern
       Tiefe komplett verboten werden. Die rot-grünen Landesregierungen
       Niedersachsens und Schleswig-Holsteins lehnen auch diese Ausnahme ab.
       
       Die Forscher der BGR haben mit Modellrechnungen ermittelt, wie sich
       Frack-Flüssigkeit und Lagerstättenwasser nach einem Frack im Untergrund
       ausbreiten würden. Die mit Sand und Chemikalien versetzte Frack-Flüssigkeit
       dient dazu, Risse ins Gestein zu sprengen und offen zu halten, so dass Öl
       und Gas frei werden. Lagerstättenwasser ist Wasser, das in der gleichen
       Schicht wie das Erdgas liegt und mit diesem zu Tage gefördert wird. Es ist
       mit natürlich vorkommenden Schwermetallen, Salzen und Kohlenwasserstoffen
       belastet. Nach Angaben des Mineralölkonzerns Exxon ist im deutschen
       Schiefer kein Lagerstättenwasser zu erwarten.
       
       Die BGR differenziert zwischen tief liegendem Grundwasser, das dem
       Lagerstättenwasser ähnelt und höher liegendem, aus dem wir unser
       Trinkwasser fördern. Unterm Strich stellt die BGR fest, „dass eine
       Gefährdung der nutzbaren Grundwasserleiter durch den Aufstieg von
       Fracking-Fluiden bei den in Norddeutschland anzutreffenden geologischen
       Gegebenheiten äußerst unwahrscheinlich ist“.
       
       Der höchste Aufstieg bei einem simulierten Frack in 1.700 Metern Tiefe sei
       bei einem System offener Klüfte oberhalb des Fracks mit 215 Metern
       errechnet worden. Bei einer Langzeitsimulation über 300 Jahre würde die
       Flüssigkeit 500 Meter aufsteigen. Die beim Fracking selbst entstehenden
       Risse reichten maximal 50 Meter in die Höhe und 200 Meter seitwärts. Das
       ergebe „einen großen vertikalen Sicherheitsabstand zu den nutzbaren
       Grundwasserleitern“, findet die BGR.
       
       Den Berechnungen zufolge erzeuge ein solches Fracking auch nur minimale
       Erdstöße, die an der Erdoberfläche nicht wahrnehmbar seien. Das entspreche
       der Erfahrung in Niedersachsen, wo bisher kein zeitlicher Zusammenhang
       zwischen Frack und Erdstoß festgestellt worden sei. Allerdings, so räumen
       die Gutachter ein, sei der Untergrund bei jedem Projekt daraufhin zu
       untersuchen, ob ein Frack zwar nicht direkt ein Erbeben erzeuge, aber eines
       auslösen könnte.
       
       Im Vergleich zu anderen bergbaulichen Tätigkeiten sei die durch das
       Fracking erzeugte Seismizität gering, urteilt auch das Umweltbundesamt in
       einem [4][Positionspapier 2014]. Dort heißt es auch unter Verweis auf
       Erfahrungen aus den USA, dass das Grundwasser vor allem durch Schäden und
       Fehler bei den Bohrungen verunreinigt worden sei.
       
       Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz kritisiert, dass die BGR
       zwar einräume, dass Fracking in „geologischen Störzonen“ größere Erdbeben
       auslösen könne. Das spiele aber bei der späteren Urteilsbildung keine
       Rolle.
       
       Irreführend sei der Hinweis, im Zusammenhang mit den 327 Fracks in den
       vergangenen Jahrzehnten in Niedersachsen sei keine
       Grundwasserverunreinigung bekannt geworden. „Tatsächlich hat es nie ein
       systematisches Monitoring gegeben, so dass auch keine Daten vorliegen“,
       kritisiert der BBU. Außerdem gebe es kein nationales oder europäisches
       System, das Fehler beim Bohren verhindere oder Schäden daraus begrenze,
       während das bei chemotechnischen Anlagen Standard sei. „Für eine
       Legitimation von Fracking ist die Studie ungeeignet“, findet der BBU.
       
       26 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/Abschlussbericht_13MB_Schieferoelgaspotenzial_Deutschland_2016.html
 (DIR) [2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw19_de_fracking/371864
 (DIR) [3] http://www.bmwi.de/DE/Themen/Industrie/Rohstoffe-und-Ressourcen/fracking.html
 (DIR) [4] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/gutachten-2014-umweltauswirkungen-von-fracking-bei
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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