# taz.de -- Menschenrechtverletzungen in der Türkei: Mit nichts zu rechtfertigen
       
       > Nirgends sonst seien 2015 Menschenrechte dermaßen verletzt worden wie in
       > der Türkei, sagt Human Rights Watch. Und fordert massiven Protest.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen der Türkei vor dem Bundeskanzleramt
       
       ISTANBUL taz | Der Zusammenbruch der Zivilgesellschaft, Despotismus,
       Verbreitung von Angst und die Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat
       sind für Human Rights Watch (HRW) die schlimmsten
       Menschenrechtsverletzungen 2015, wie [1][aus ihrem am Mittwoch
       vorgestellten Jahresbericht hervorgeht]. Kenneth Roth, Vorsitzender, sagte,
       es sei kein Zufall, dass HRW sich für die Präsentation des Berichts
       Istanbul ausgesucht habe, denn leider sei gerade die Türkei ein
       besorgniserregendes Beispiel für die Häufung von
       Menschenrechtsverletzungen.
       
       Nirgendwo sonst, so Kenneth Roth und Emma Sinclair, die
       Türkei-Verantwortliche von HRW, habe es 2015 einen solchen Rückschlag
       gegeben wie in der Türkei. Die Kriminalisierung jeder Opposition gegen die
       immer despotischer auftretende Regierung und den Staatspräsidenten Recep
       Tayyip Erdoğan, die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und die
       Missachtung des Rechts auf Leben in den kurdischen Gebieten sei dramatisch
       geworden.
       
       HRW spricht der türkischen Regierung nicht das Recht ab, sich gegen
       Angriffe der PKK zu verteidigen. Allerdings sei die Art und Weise, wie die
       Sicherheitskräfte vor allem in den letzten beiden Monaten in den
       Stadtzentren von Diyarbakır, Cizre und Silopi vorgegangen seien, mit keinen
       Anti-Terror-Maßnahmen zu rechtfertigen. Dabei unterdrücke die Regierung
       systematisch Angaben über getötete Zivilisten, die nach Informationen
       anderer Menschenrechtsorganisationen bereits in die Hunderte gehen.
       
       Sinclair beklagte, dass viele Türken nichts von den Zuständen im Südosten
       wüssten, weil die Zensur Berichte darüber verhindere. „Das Jahr 2015 war
       gekennzeichnet durch die schlimmste Repression gegen die Presse, die ich in
       der Türkei je erlebt habe“, sagte sie. Wie zum Beleg ihrer Aussage wurde am
       Mittwoch bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen Can Dündar und Emre
       Gül, die beiden leitenden Redakteure der Zeitung Cumhuriyet, eine
       lebenslange Haftstrafe fordert. Beide sitzen seit zwei Monaten im
       Gefängnis, weil sie über illegale Waffentransporte nach Syrien berichtet
       haben.
       
       Anerkennend äußerte sich Roth über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge durch
       die Türkei. Gleichzeitig problematisierte er die angestrebte Kooperation
       mit der EU, sofern sie sich darauf beschränken sollte, Flüchtlinge an der
       Einreise in die EU zu hindern.
       
       Sowohl Kenneth Roth wie auch Emma Sinclair beklagten, dass die EU zu den
       Menschenrechtsverletzungen in der Türkei schweige. „Der neue Despotismus,
       die Repression gegen die Zivilgesellschaft und die Gewalt gegen Kurden
       machen die Türkei immer instabiler. Es wäre im besten Interesse der EU,
       massiv dagegen zu protestieren. Ein völliger Zusammenbruch des
       Rechtsstaates und der Demokratie in der Türkei hätte auch für die EU
       schlimme Folgen.“
       
       27 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hrw.org/world-report/2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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