# taz.de -- EMtaz: Das ultimative Island-ABC: Von Asgeir bis Zlatan
       
       > Super-Fußballer, Super-Schafe, Super-Politiker, Super-Sänger,
       > Super-Isländer: Kein Wunder, dass sie jetzt EM-Favoriten sind. Ein A-Z
       > vom EMtaz-Team.
       
 (IMG) Bild: Und nicht vergessen: In der EM-Qualifikation warf Island schon die Niederlande raus
       
       Asgeir Sigurvinsson – genau, da war doch was. Es gab schon früher Isländer,
       die wegen ihres gepflegten Umgangs mit dem Fußball bewundert worden sind.
       Sigurvinsson war in den 1980er Jahren einer der besten Spielmacher der
       Bundesliga. Er spielte beim FC Bayern München und führte den VfB Stuttgart
       1984 zur deutschen Meisterschaft. Im Kicker-Sprech jener Jahre wurde er als
       „Eismeer-Zico“ bezeichnet.
       
       Banken – jahrelang hatten Islands Banken Geld aus aller Welt mit hohen
       Zinsen angezogen. In der Finanzkrise brach dann das Kartenhaus in sich
       zusammen. Kein Grund für Expremier Gunnlaugsson, nicht über seine Frau Geld
       im Steuerparadies Panama zu verstecken.
       
       Captain Aron Gunnarsson hat nicht nur den beeindruckendsten Bart im Team
       der Isländer, er ist auch der beste Handballer dieses Turniers. Zwei Tore
       breitete er mit seinen gewaltigen Einwürfen vor. Was ihm gegen Österreich
       schon einmal gelang, wiederholte er im Spiel gegen England.
       
       Dreisprung – der erste olympische Erfolg der Isländer war eine
       Silbermedaille im Dreisprung bei den Spielen 1956 in Melbourne: die
       Geburtsstunde des isländischen Spitzensports. Vilhjálmur Einarsson sprang
       16,26 Meter, nicht zufällig die Größe eines Strafraums. Eine Goldmedaille
       erreichten die Isländer nie. Auf die zweite Silbermedaille musste Island
       bis 2008 warten. Die gewannen natürlich die Handballer.
       
       Energie haben die Fußballer genug. Die Insulaner auch. Dank Erdwärme und
       Windkraft decken sie ihren Strombedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren
       Quellen. Da bleibt sogar was übrig, um Gehwege zu heizen. Wäre ja schlimm,
       wenn im Winter ein Fußballer ausrutschen und sich die Beine brechen würde.
       
       Fische sind eine wichtige Nahrungsquelle der Isländer. EU-Fischfangquoten
       mögen sie daher gar nicht – und zogen deshalb ihr Beitrittsgesuch zur
       Europäischen Union zurück. Lieber allein im Atlantik bleiben, als um jede
       Gräte feilschen müssen.
       
       Gummi, Ben, eigentlich: isländischer TV-Fußballkommentator namens Gudmundur
       Benediktsson. Durch wahnsinnig grelle, ergreifende Jubelschreie – im
       Diskant endend – global berühmt geworden. Ein Countertenor unter den
       Sonoren seines Geschäfts. Absolut freundlicher Mann, der auch gern als
       Trainer arbeitet.
       
       Handbolti ist das isländische Wort für Handball. In dieser Ballsportart
       sind Isländer schon lange Spitze. 1961 waren sie zum ersten Mal bei einer
       WM dabei und wurden prompt Sechste. 2010 holten sie den Europameistertitel.
       Seit dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in
       Peking gilt Island als große Handballnation. Natürlich war es ein Trainer
       aus Island, der den deutschen Handballsport in diesem Winter zu neuem Ruhm
       geführt hat: Dagur Sigurdsson.
       
       Iceland heißt Island treffenderweise auf Englisch. Die Insel am Polarkreis
       ist eiskalt: In der Hauptstadt Reykjavík beträgt die
       Jahresdurchschnittstemperatur gerade mal 4,5 Grad. Ohne den Golfstrom wäre
       es noch kälter. Der formt auch regelmäßig das Island-Tief, das Mitteleuropa
       viel Regen bringt. Jetzt zum Beispiel.
       
       Jammern. Frauen wie Björk, die über New Yorker Clubeinsätze auch in
       Europas Hipstermilieus bekannt gewordene Sängerin, verstehen ihre Einsätze
       an Mikrofonen nicht als Einladung zum Elfengesang, sondern zum Jammern und
       Winseln und Kreischen. Absolut adorabel und auf die Dauer enervierend
       zugleich, weil sie alle Klischees über das Islandweibliche bedient. Sogar
       Lars von Trier hat sie für einen Film angeheuert.
       
       Klubs der Spieler. In Island dauert die Saison von Mai bis Oktober und wird
       auch parallel zur laufenden EM ausgetragen, eine reine Profiliga gibt es
       nicht. Macht aber nichts, alle Spieler der EM-Mannschaft spielen im
       Ausland: Aarhus GF, AIK Solna, IFK Göteborg, KSC Lokeren, AC Cesena,
       Hammarby IF, FK Krasnodar, Odense BK, Malmö FF, FC Basel, Charlton
       Athletic, Cardiff City FC, Udinese Calcio, Swansea City, GIF Sundsvall, IFK
       Norrköping, 1. FC Kaiserslautern, FC Augsburg, Molde FK, FC Nantes.
       
       Lämmer. Es gibt deutlich mehr Schafe (500.000) als Einwohner (320.000) auf
       Island. Die Bauern hätten also schneller eine Mannschaft zusammengestellt
       als Lars Lagerbäck, der Trainer der Nationalmannschaft.
       
       Milchgesichter. Isländer machen gern Urlaub im Tropical Island in
       Brandenburg. Wegen Vitamin-D-Mangel trinken sie außerdem jeden Morgen ein
       Glas léttmjólk D-vítamínbætt. So entsteht die legendäre Alabasterblässe der
       Mittelsturm-Milchbubis aus dem Möðrudalsöræfi.
       
       Nazis. 450 registrierte Faschos gab es 1934–1944. Ziel: Arierherrschaft,
       Holocaust, Abschaffung des Althing (ältestes bestehendes Parlament). Das
       Hakenkreuz war bis 1990 das Logo der Reederei Emskip. International wird
       das Gebrüll der Fußballfans als „urwüchsig“ verharmlost. Wissenschaftler
       fordern seit Jahren eine unabhängige Kommission zur Aufklärung des
       möglicherweise auf faschistische Tendenzen hinweisenden „Uh“.
       
       Olympia. Mit vier gewonnen Medaillen (zweimal Silber, zweimal Bronze) steht
       Island im ewigen Medaillenspiegel der modernen Olympischen Spiele gemeinsam
       mit dem Libanon und Singapur auf Platz 96. Zu den Winterspielen 2014 in
       Sotschi hat Island keine Athleten entsandt, aber sicher nicht wegen
       Schneemangels auf der Insel. Mit Platz 53 im Riesenslalom der Männer war
       Björgvin Björgvinsson vier Jahre zuvor in Vancouver der beste Isländer. Bei
       den Sommerspielen von London 2012 schieden Islands Handballer im
       Viertelfinale gegen Ungarn aus. Vier Jahre zuvor hatte Island noch Silber
       gewonnen. Damit ist es das kleinste Land, das je Edelmetall in einer
       Teamsportart gewonnen hat. Fußball in Rio spielen sie aber nicht.
       
       Pall Oscar: isländischer ESC-Sänger („Minn hinsti dans“) 1997, der erste
       offen schwule ESC-Performer. Stark respektierte Halbgottheit im
       isländischen Showgeschäft. Der Mann, der diese queere Familienshow auf
       neue, vorher schon exzellente Quotenhöhen trieb (von 75 auf 89 Prozent
       zuletzt).
       
       Quote: Mag es matriarches Erbe sein oder einfach die Neigung zum
       Vernünftig-Unvermeidlichen: Island hat für alle öffentlichen Dienste eine
       Geschlechtsquote; Frauen sind absolut gleichbestimmend auf diesem Flecken
       im Nordatlantik. Die europäische erste Präsidentin war eine Isländerin:
       Vigdis Finnbogadóttir, 1980 gewählt.
       
       Rasen gibt es wegen des langen Winters kaum. Bis vor 20 Jahren spielte man
       vor allem auf Ascheplätzen. Dann schaute man sich von den Norwegern ab, wie
       es im Norden anders gehen könnte, und baute Kunstrasenplätze und elf
       Hallen: sieben mit großen Feldern, vier mit kleinen Plätzen. Seitdem kann
       das ganze Jahr über trainiert werden.
       
       Sprache. Klinisch rein ist sie und soll sie bleiben, die isländische
       Sprache. Nichts Fremdes reinlassen, weswegen für moderne Phänomene eigene
       Wörter erfunden werden. Ein Computer heißt „Tölva“, was so viel wie
       Zahlenvorhersager bedeutet.
       
       Trainer. Der Schwede Lars Lagerbäck (67) und Heimir Hallgrímsson (49)
       bilden das einzige gleichberechtigte Trainerduo dieser EM. Seit 2013 stehen
       sie gemeinsam an der Linie. Während Lagerbäck die Spieler auf Englisch
       anspricht, besorgt Hallgrímsson die Kommunikation auf Isländisch. Sie
       lassen ein 4-4-2 spielen, das vor dem Turnier als eine Art Steinzeitfußball
       verspottet wurde. Nach dem Viertelfinaleinzug lacht niemand mehr über
       dieses System.
       
       Underdog. Irgendwas stimmt nicht mit den Isländern. Nur weil man sie für
       Elfen hält, die als Zahnarzt arbeiten, findet die Welt sie sympathischer
       als Profifußballer. Und am Ende kommt raus, dass sie Katzen essen, und dann
       wirft man sie wieder raus aus der Kuschelecke. Aber erst mal dürfen sie am
       Sonntag gegen Frankreich ran.
       
       Vulkane. Alle fünf Jahre sehen die Islander rot, und zwar immer dann, wenn
       einer der noch 30 aktiven Vulkane ausbricht.
       
       Wale. Hm, lecker!
       
       X-Games. Glíma ist die isländische Variante des Ringens und über 1.000
       Jahre alt und geht auf die Wikinger zurück. Wer das wichtigste Turnier
       gewinnt, ist der Glímukóngur: Der Glimakönig. Vier Regeln sind anders: Die
       Gegner müssen aufrecht stehen (upprétt stasa). Sie umkreisen einander
       ständig (stígandinn). Sie dürfen sich nicht schubsen oder aufeinanderfallen
       (nis). Die Gegner sollten sich über die Schulter anschauen, nicht in die
       Augen. Glíma bedeutet übersetzt Flackern.
       
       Ysa. Das ist Schellfisch, eine landesytypische Spezialiät, wird gern auch
       mit Rhabarbermarmelade als Beilage serviert.
       
       Zlatan. Ist leider Schwede. Kann man nix machen.
       
       28 Jun 2016
       
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