# taz.de -- SPD zofft sich wegen Ceta: Showdown oder Kompromiss?
       
       > Die freihandelsfreundliche Parteiführung trifft auf die kritische Basis.
       > Gabriel will eine Niederlage verhindern – und das Abkommen durchbringen.
       
 (IMG) Bild: Wo steht die Basis? Sigmar Gabriel will das Freihandelsabkommen, viele SPD-Mitglieder sind skeptisch
       
       BERLIN taz | Die Zeiten, als Handelspolitik nur ein Thema für wenige
       Experten war, sind vorbei: Wenn die Delegierten des SPD-Konvents – so heißt
       bei den Sozialdemokraten der „kleine Parteitag“ – am Montag in Wolfsburg
       zusammenkommen, werden sie sich über mangelndes Interesse nicht beschweren
       können. Fans und Gegner von Ceta, dem Freihandelsabkommen zwischen der EU
       und Kanada, werden genau beobachten, was der Konvent beschließt – denn sein
       Votum ist mitentscheidend dafür, ob und wie es mit Ceta weitergeht.
       
       Bisher stehen sich zwei Positionen recht unversöhnlich gegenüber. Auf der
       einen Seite der Parteivorstand: Er erklärt in seinem Leitantrag zum
       Konvent, angesichts der großen „Fortschritte“ sei eine Zustimmung zu Ceta
       im EU-Ministerrat „gerechtfertigt“. Und auch mit dem Plan der
       EU-Kommission, das Abkommen schon vorläufig anzuwenden, bevor die
       nationalen Parlamente zugestimmt haben, ist die Parteispitze einverstanden.
       
       Lediglich der besonders umstrittene Investitionsschutz, mit dem Unternehmen
       gegen Gesetze klagen können, von denen sie sich diskriminiert fühlen, soll
       von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden. Um den Kritikern
       entgegenzukommen, findet sich zwar auch im Vorstandsantrag die Forderung,
       Ceta noch an einigen Punkten nachzubessern. Doch das soll im Rahmen der
       Ratifizierung in den Parlamenten passieren.
       
       Auf der anderen Seite stehen 49 weitere Anträge, die die Ratifizierung oder
       die vorläufige Anwendung von Ceta ablehnen. Sie stammen nicht nur von
       diversen regionalen SPD-Gliederungen, sondern auch von wichtigen
       bundesweiten Gruppen wie den Jusos, der einflussreichen Arbeitsgemeinschaft
       für Arbeitnehmerfragen oder der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer
       Juristinnen und Juristen. Diese beschreibt in ihrem Antrag beispielsweise
       ausführlich, welche Gefahren ihrer Ansicht nach vom geplanten permanenten
       Handelsgericht ausgehen – und fordern als Konsequenz, „auf europäischer und
       nationaler Ebene eine vorläufige Anwendbarkeit, die Unterzeichnung und die
       Ratifizierung von Ceta in der Fassung vom 20.02.2016 abzulehnen“. Einige
       Anträge fordern auch einen Mitgliederentscheid über Ceta.
       
       ## Ein Kompromiss ist denkbar
       
       Wie viele Delegierte sich mit der Aussicht auf mögliche spätere Ergänzungen
       von Ceta im parlamentarischen Verfahren zufriedengeben, ist im Vorfeld
       schwer einzuschätzen. SPD-Chef Sigmar Gabriel bemüht sich nach Kräften
       darum, die Kritiker von der Ernsthaftigkeit dieser Pläne zu überzeugen: Er
       ist in dieser Woche eigens nach Kanada gereist, um der dortigen Regierung
       Zugeständnisse abzuringen. Beim Konvent in Wolfsburg soll die kanadische
       Handelsministerin Chrystia Freeland die Delegierten persönlich über die
       Ergebnisse informieren.
       
       Die Kritiker halten diese Ankündigungen für Augenwischerei. Nachdem an
       diesem Samstag bereits in sieben Städten gegen Ceta demonstriert wird,
       wollen AktivistInnen auch direkt vor dem Konvent an die Glaubwürdigkeit der
       Partei appellieren – und eine Ablehnung von Ceta verlangen.
       
       Auch wenn die Positionen schwer vereinbar scheinen, ist ein Kompromiss
       denkbar, mit dem ein Teil der Kritiker wohl leben könnte: Gabriel könnte
       grünes Licht für die Zustimmung im Ministerrat und die Unterzeichnung von
       Ceta durch die Bundesregierung bekommen – doch im Gegenzug dürfte das
       komplette Abkommen erst angewendet werden, wenn auch die nationalen
       Parlamente zugestimmt haben. Das würde die Wahrscheinlichkeit, dass die
       Forderungen der deutschen SPD tatsächlich umgesetzt werden, deutlich
       erhöhen.
       
       ## Der Trick mit der Vorläufigkeit
       
       Dafür plädiert die Grundwertekommission der Partei, die beim Vorstand
       angesiedelt ist und von Gesine Schwan geleitet wird. Wegen „der
       grundsätzlichen Bedeutung dieses Abkommens und den weiter bestehenden
       Unklarheiten“ wäre ein Verzicht auf das vorläufige Inkrafttreten „sachlich
       begründet erforderlich und ein Akt politischer Klugheit“, heißt es in einer
       Stellungnahme, die die Kommission in dieser Woche veröffentlichte.
       
       Mit diesem Vorschlag leben könnte auch der Vorsitzende der
       parlamentarischen Linken der SPD, Matthias Miersch, der Ceta in der
       Vergangenheit scharf kritisiert hatte. „Das ist eine Lösung, hinter der
       sich die Partei versammeln kann“, sagte er der taz. „Durch den
       vollständigen Verzicht auf die vorläufige Anwendung wird den Parlamenten
       wirklich ein Hebel in die Hand gegeben, die erforderlichen Änderungen
       durchzusetzen.“
       
       18 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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