# taz.de -- Kolumne Globetrotter: Schnupperkurs Sprachenvielfalt
       
       > Spricht man mit Kamerunern über den Reichtum ihrer Sprache, hört man
       > Sätze wie: „Ich bin duala geboren, bassa aufgewachsen, fang verheiratet.“
       
 (IMG) Bild: Mutet babylonisch an, befindet unsere Autorin
       
       Nach fünfjähriger Abstinenz als Französischlehrerin befand ich mich
       kürzlich wieder in der Situation, Unterricht geben zu dürfen. Meine
       Schülerin war nett. Wegen ihrer Berufung an ein kulturpolitisches Institut
       in Marokko wollte sie ihre Kenntnisse auffrischen.
       
       Als eine der Grammatikübungen im Lehrbuch mit dem Satz endete: „Und was ich
       am liebsten mag, ist die französische Sprache“, konnte ich mir nicht
       verkneifen zu bemerken: „Das klingt jetzt echt sehr nach plumper
       Frankreichwerbung.“ Meine Schülerin musste auch lachen und fragte leicht
       spöttisch: „Ist das etwa Propaganda?“
       
       Darauf erzählte ich ihr, wie ich gerade wegen eines anderen Jobs viele in
       Berlin ansässige Kameruner kennengelernt hatte und durch sie erfuhr, dass
       es in ihrer Heimat an der zentralafrikanischen Westküste über 250 Sprachen
       für etwa 20 Millionen Einwohner gibt. Dabei beherrschen die meisten
       mindestens zwei bis drei Sprachen fließend, zusätzlich zu Französisch und
       Englisch. Eine Frau resümierte ihre Kenntnisse in etwa so: „Ich bin buala
       geboren, bassa aufgewachsen, fang verheiratet.“ Selbstverständlich.
       
       Täglich Französisch gesprochen wird weltweit von über 200 Millionen
       Menschen – nicht zuletzt in einigen ehemaligen Kolonien, wo die Sprache
       weiterhin als Amts- oder Lehrsprache gilt. Die Art und Weise, wie die
       Sprache dennoch gepflegt, geschützt wird, als wäre sie vom Aussterben
       bedroht – so kommt es mir manchmal vor –, ist grenzwertig hysterisch.
       
       Am nächsten Tag treffe ich P. aus Kamerun, der seit anderthalb Jahren in
       Berlin lebt und frage ihn, wie die Sprachenvielfalt bei ihm
       aufrechterhalten wird. P. dazu: „Die Muttersprache pflegt man vor allem im
       Kreis der Familie – das mache ich auch weiterhin am Telefon so oder wenn
       ich jemanden aus meiner Gegend treffe.“
       
       ## Die Vielfalt der Sprachen retten
       
       „Allzu gut ist es um die Sprachenvielfalt nicht bestellt“, widerspricht S.
       ein paar Tage später. „Französisch hat viel kaputt gemacht. Es gibt zwar
       schon einige Initiativen, um den Reichtum zu erhalten, die werden
       allerdings nicht vom Staat gefördert.“
       
       Kamerun habe neben Französisch und Englisch zusätzliche Verkehrssprachen,
       klärt er mich auf. „Abhängig von der Region kann man sich zum Beispiel auf
       Bassa oder Fulfulde gut verständigen.“ Auch deswegen würden viele Kameruner
       mehrere Sprachen beherrschen müssen.
       
       Als ob das nicht babylonisch genug sei, erzählt mir R. von seinen
       Deutschkursen. Dort hat er Landsleute kennengelernt, die durch die Wüste
       und das Mittelmeer bis nach Deutschland gekommen sind.
       
       „Die Reise dauert manchmal mehrere Jahre. Auf dem langen Weg lernen sie
       Arabisch, Spanisch oder Italienisch.“ Wegen der Ablehnung, die viele dann
       hier erfahren, frage sich so mancher, ob es sich wirklich lohnt, auch noch
       Deutsch zu lernen. Gute Frage.
       
       Elise Graton ist freie Journalistin und Übersetzerin in Berlin
       
       20 Oct 2016
       
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 (DIR) Elise Graton
       
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