# taz.de -- Kommentar Präsidentschaftskandidatur: Stabilitätsfalle Steinmeier
       
       > Die vier großen Parteien sind aufgewühlt und suchen bei Frank-Walter
       > Steinmeier nach Halt. Doch der ist der falsche Kandidat für diese Zeit.
       
 (IMG) Bild: Einer zum Festklammern: Die Bundesregierung setzt auf Steinmeier
       
       Sensationelle Woche für die Größen der Politik: SPD-Chef Sigmar Gabriel
       setzt Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsidenten durch – clever
       taktiert! Nach einer Meinungsumfrage sehen 60 Prozent der Deutschen das
       nicht als Niederlage für Angela Merkel – gekonnt umgebogen! Horst Seehofer
       ist der eigentliche Präsidentenmacher, weil er seine CSU zur Ordnung rief –
       super moderiert! Die Grünen werden Steinmeier, den sie „weltoffen und
       verbindend“ finden, noch einmal vortanzen lassen – perfekt dosiert!
       
       CDU, CSU, SPD, Grüne tun alle glücklich, weil sie doch noch etwas von dem
       bekommen haben, was sie am meisten vermissen: Halt. Ein Jahr vor der
       Bundestagswahl sind die vier Parteien aufgewühlt. Vom Schrecken in München,
       in Nizza oder in Istanbul. Von den rechten Bewegungen in Europa. Vom
       innerparteilichen Streit. Nun haben sie einen Kandidaten zum Festklammern.
       Sie suchen Halt bei einem Außenminister, der ruhig, besonnen und erfahren
       ist, [1][beim stabilen Steinmeier]. Aber dieser Kandidat passt eben nicht
       in diese Zeit. Der Richtige ist manchmal der Falsche.
       
       Denn die Entscheidung umgibt die bleierne Aura der Großen Koalition. In
       deren Logik gibt es keinen Ausfallschritt und kein Risiko. Auf der Suche
       nach Stabilität läuft die Große Koaliton samt Grünen in die Falle.
       
       Man muss ja der Linkspartei dafür dankbar sein, dass sie wenigstens [2][den
       Armutsforscher Christoph Butterwegge gefunden hat als Kandidaten fürs
       Bundespräsidentenamt]. Die Freien Wähler aus Bayern wollen die
       gesellschaftlichen Verwerfungen vom Fernsehrichter Alexander Hold
       verhandeln lassen, na ja. Chancen haben beide nicht.
       
       ## Mutlosigkeit der Mächtigen
       
       Echten Wettbewerb hätten nur Union, SPD und Grüne organisieren können. Dass
       sie dies nun versäumen, liegt nicht bloß daran, dass Merkel Leute abgesagt
       haben. Den Mächtigen fehlt der Mut. Sie schwitzen. Das ist ein Problem.
       Denn die Retros, Rechtspopulisten und Rassisten leben von der Angst. Wenn
       die anständigen Parteien Angst haben, so wird die AfD das riechen. Sie wird
       aggressiver. Aber gegen die Angstpartei darf man nicht ängstlich agieren.
       
       Selbst die Kanzlerin zuckelt und zockelt herum. Huhuhu, wann verkündet sie
       bloß, dass sie wieder antritt?, gruselt sich der Berliner Politbetrieb.
       Huhuhu, wann ist bloß der richtige Moment?, scheint sie sich zu fragen.
       Vielleicht traut sie sich am Sonntag.
       
       Merkel hat neuerdings ein Wahlversprechen. Trump treibt sein Unwesen bald
       im Weißen Haus. Putin und Erdoğan spielen ihr brutales Spiel. In Paris
       wartet der zerrupfte François Hollande auf die Wahl im April. In Rom
       bibbert Matteo Renzi vor dem Verfassungsreferendum, das ihn den Job kosten
       kann. Und in London laviert Theresa May dem Brexit entgegen. In der Nacht
       der US-Wahl ist Merkel ein Versprechen für 2017 zugefallen: Stabilität.
       
       Wird so das Wahljahr in Deutschland laufen? Die AfD schürt Angst – und
       Angela Merkel setzt dagegen die Angst vor dem Chaos? Der Kanzlerin gelänge
       es auf diese Weise wahrscheinlich, möglichst viele Stimmen
       zusammenzukratzen. Die AfD würde auch wachsen. Das Märchen, dass sie die
       einzige Alternative ist, trägt sie im Namen. Dieses Märchen ist ein
       Verkaufsschlager. Die Rechten haben nichts lieber, als dass es nur eine
       interessante Bruchlinie gibt im Jahr 2017: AfD gegen alle anderen.
       
       Aber Schwarz oder Weiß – das ist eine toxische Logik. Merkel oder AfD.
       Clinton oder Trump. Freiheit oder Sicherheit. Brexit: ja oder nein.
       Flüchtlinge: rein oder raus. Entweder – oder. Alles oder nichts.
       
       Das ist die Logik, die die Vielfalt erstickt. Die Politik darf sie nicht
       fördern, sie muss ihr entgegentreten. Und die Parteien müssen die
       Diversität der Gesellschaft abbilden, programmatisch wie personell. So
       haben wir sie eingerichtet, diese vielfältige Republik. Sie lebt nicht von
       Geschlossenheit. Sondern von Aufgeschlossenheit. Man nennt das: die offene
       Gesellschaft.
       
       18 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Georg Löwisch
       
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