# taz.de -- Linkspartei mit eigenem Kandidaten: Steinmeier nicht mehr alternativlos
       
       > Der renommierte Armutsforscher Christoph Butterwegge soll für die
       > Linkspartei als Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl antreten.
       
 (IMG) Bild: Dass seine Chancen bei der Bundespräsidentenwahl nicht die größten wären, ist ihm bewusst
       
       BERLIN taz | Die Linkspartei will den Kölner Armutsforscher Christoph
       Butterwegge als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt aufstellen. Das
       erfuhr die taz aus Parteikreisen. Er sei „grundsätzlich bereit“, am 12.
       Februar in der Bundesversammlung anzutreten, bestätigte Butterwegge der
       taz.
       
       Offiziell soll seine Nominierung am Montag nach den Gremiensitzungen der
       Linkspartei bekannt gegeben werden. Damit würde der 65 Jahre alte
       Politikwissenschaftler gegen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)
       antreten, auf den sich Union und SPD als künftigen Bundespräsidenten
       geeinigt haben.
       
       Laut Informationen der taz wird Butterwegges Kandidatur sowohl von der
       Parteispitze um Katja Kipping und Bernd Riexinger befürwortet, als auch von
       Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, den Vorsitzenden der
       Bundestagsfraktion. Erst Ende Oktober war Butterwegge als Professor
       emeritiert worden. „Ich gehe jetzt in den Unruhestand“, sagte der
       65-Jährige damals der taz.
       
       Bereits vor der Wahl des derzeitigen Amtsinhabers Joachim Gauck 2011 war
       Butterwegge als Präsidentschaftskandidat der Linkspartei im Gespräch
       gewesen. Seinerzeit lehnte der Parteilose entsprechende Anfragen jedoch ab,
       weil er sich und der Partei eine interne Kampfabstimmung gegen die spätere
       Kandidatin Beate Klarsfeld und die Journalistin Luc Jochimsen ersparen
       wollte.
       
       Dass er jetzt seine Bereitschaft erklärt hat, gegen Steinmeier anzutreten,
       hat seinen Reiz. Denn die politischen Biografien der beiden weisen auf sehr
       unterschiedliche sozialdemokratische Lebenswege hin. Auch Butterwegge war
       bis 2005 Mitglied der SPD gewesen. Doch die vom damaligen Kanzleramtschef
       Steinmeier entscheidend mitverantwortete Agenda 2010 von Gerhard Schröder
       gab ihm den Rest. Es war das Ende einer langen, schwierigen Beziehung.
       
       ## Hassliebe SPD
       
       Das erste Mal trat Butterwegge im Juli 1970 in die Partei ein. Damals war
       er noch Abiturient. Er engagierte sich bei den Dortmunder Jusos und galt
       schnell als großes politisches Talent. 1974 kam er als Vertreter des linken
       Stamokap-Flügels in den Bezirksvorstand. Und mit dem jungen Schröder saß er
       damals im Bundesausschuss der Parteijugend.
       
       1975, dem Jahr des Parteieintritts Steinmeiers, verließ Butterwegge das
       erste Mal die SPD. Allerdings nicht freiwillig: Die Partei schloss ihn aus
       – wegen Linksabweichlertums. Zum Verhängnis geworden war ihm ein Artikel in
       den damals DKP-nahen Blättern für deutsche und internationale Politik, in
       dem er sich kritisch über die Politik von Bundeskanzler Helmut Schmidt
       geäußert hatte. Den Rausschmiss hatte der Parteirechte Hermann Heinemann
       betrieben, der mächtige Chef des SPD-Bezirks Westliches Westfalen und
       spätere NRW-Arbeits- und Sozialminister.
       
       Aber wie der zwei Jahre später ausgeschlossene Ex-Juso-Chef Klaus Uwe
       Benneter konnte auch Butterwegge nicht von seiner Hassliebe SPD lassen.
       1983 stellte er seinen Wiederaufnahmeantrag. Vier Jahre später und nach
       persönlicher Fürsprache Gerhard Schröders gab die Partei 1987 seinem
       Begehren statt. Anders als Benneter, dem Schröder bereits 1983 die Rückkehr
       ermöglicht hatte, setzte Butterwegge allerdings in den Folgejahren nicht
       auf den Aufstieg im Politbetrieb, sondern arbeitete an seiner
       wissenschaftlichen Karriere. Nach Lehraufträgen an diversen Hochschulen und
       einer Vertretungsprofessur an der Fachhochschule Potsdam wurde er
       schließlich 1998 an die Uni Köln berufen.
       
       Ein Rückzug in den universitären Elfenbeinturm war das jedoch nicht. Seine
       wissenschaftliche Tätigkeit nutzte Butterwegge stets für politische
       Interventionen. Als scharfer Kritiker des Neoliberalismus prangerte er in
       zahlreichen Veröffentlichungen das Auseinanderdriften der Gesellschaften in
       Reiche und Arme, Privilegierte und Benachteiligte an. Frühzeitig warnte er
       überdies vor den Gefahren des Rechtspopulismus und -extremismus. Auch in
       der taz veröffentlichte er immer wieder Gastbeiträge.
       
       „Ich begreife mich eben auch als politischer Politikwissenschaftler“,
       begründet Butterwegge sein Engagement. Er halte es für notwendig, dass
       Politikwissenschaftler klar erkennbar machen, wo sie politisch stehen, und
       nicht so tun, als würden sie über den Dingen stehen. „Wenn ich in den
       Medien, in der Öffentlichkeit wissenschaftliche Erkenntnisse vertrete, dann
       greife ich damit auch in politische Auseinandersetzungen ein“, sagt er.
       „Und ich bin mir dessen bewusst und ich bekenne mich dazu.“
       
       ## Der Linkspartei nahe
       
       Seit seinem SPD-Austritt ist Butterwegge parteilos. Allerdings hat er nie
       ein Geheimnis daraus gemacht, dass er der Linkspartei nahe steht. Seine
       Frau Caroline Butterwegge saß von 2010 bis 2012 für die Partei im
       nordrhein-westfälischen Landtag und würde dorthin auch gerne nach der
       Landtagswahl im Mai wieder zurückkehren.
       
       Dass im Falle seiner Nominierung Butterwegges Chancen bei der
       Bundespräsidentenwahl nicht die größten wären, ist ihm selbstverständlich
       bewusst. Gleichwohl gelte es, ein politisches Zeichen zu setzen. Ihm sei
       „wichtig, dass es eine linke Alternative für eine sozialere Politik in der
       Bundesrepublik gibt“, sagte Butterwegge der taz.
       
       Eine gerechtere Gesellschaft sei nur möglich, wenn offensiv die
       „Verteilungsschieflage“ und die daraus resultierende soziale Spaltung
       thematisiert würde. „Wir brauchen endlich wieder die Diskussion über eine
       Umverteilung von oben nach unten.“ Dazu wolle er seinen Beitrag leisten.
       
       17 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundespräsident
 (DIR) Frank-Walter Steinmeier
 (DIR) Die Linke
 (DIR) Bundesversammlung
 (DIR) Agenda 2010
 (DIR) Hartz IV
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Joachim Gauck
 (DIR) Interview
 (DIR) Engagement
 (DIR) Christoph Butterwegge
 (DIR) Christoph Butterwegge
 (DIR) Bundespräsident
 (DIR) Lesestück Meinung und Analyse
 (DIR) Thilo Sarrazin
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Steuerreform
 (DIR) Hartz IV
 (DIR) Hartz IV
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Armutsforscher zu Folgen von Corona: Kardinalproblem Vermögensverteilung
       
       Corona wirkt wie ein Brennglas, sagt der Armutsforscher Christoph
       Butterwegge. Das eigentliche Ungleichheitsvirus sei aber der
       Neoliberalismus.
       
 (DIR) Debatte Joachim Gauck: Der Polterpräsident
       
       Joachim Gauck ging an die Schmerzgrenze und rettete damit die Würde seines
       Amts: Denn gute Präsidenten sind schlechte Schleimer.
       
 (DIR) Wege aus der Armut: „Bildung ist kein Wundermittel“
       
       Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge über Bremens
       Handlungsspielräume im Kampf gegen Armut
       
 (DIR) Studie über freiwilliges Engagement: „Methodisch unzulänglich“
       
       Der Freiwilligen-Survey der Bundesregierung hat „mehr mit Science Fiction
       als mit Science zu tun“, kritisiert der Wissenschaftler Roland Roth.
       
 (DIR) Butterwegge über Bundespräsidentschaft: „Ich vertrete SPD-Überzeugungen“
       
       Christoph Butterwegge ist sicher, dass man Reichtum antasten muss.
       Rechtspopulisten würde er als Präsident klare Kante zeigen.
       
 (DIR) Präsidentschaftskandidat der Linken: Butterwegge gibt den Anti-Etablierten
       
       In einem Interview empfiehlt sich Armutsforscher Christoph Butterwegge als
       Alternative zum herrschenden Politikbetrieb. Er will die soziale Frage als
       eigenen Schwerpunkt setzen.
       
 (DIR) Lob des Berufspolitikers: Nicht ohne seine Lehrjahre
       
       Über den Typus des Berufspolitikers wird oft die Nase gerümpft. Dabei zeigt
       diese Woche doch sehr klar, wie dringend wir ihn brauchen.
       
 (DIR) Kommentar Präsidentschaftskandidatur: Stabilitätsfalle Steinmeier
       
       Die vier großen Parteien sind aufgewühlt und suchen bei Frank-Walter
       Steinmeier nach Halt. Doch der ist der falsche Kandidat für diese Zeit.
       
 (DIR) Essay Rechtspopulismus und Armut: Selbst schuld
       
       Rechtspopulisten geben vor, sich für „die da unten“ zu interessieren. Dabei
       verachten sie Armut. Thilo Sarrazin ist ihr wichtigster Wegbereiter.
       
 (DIR) Debatte AfD und Populismus: Stolz auf den „Wirtschaftsstandort D“
       
       Bei der AfD gehen Neoliberalismus und Rechtspopulismus eine Synthese ein.
       Auch deshalb ist die Partei so erfolgreich.
       
 (DIR) Ökonomische Ungleichheit in Deutschland: Das Zauberwort heißt Umverteilung
       
       Für ein neues Armutsverständnis: Wer das Elend von Flüchtlingen zur
       Messlatte für Armut macht, verhindert eine Debatte über Ungleichheit.
       
 (DIR) Debatte Erbschaftsteuer für Firmenerben: Ein Lehrstück des Lobbyismus
       
       Die Wirtschaft macht Druck bei der Neuregelung der Erbschaftsteuer für
       Firmenerben. Diese beschäftigt Ende der Woche Bundestag und -rat.
       
 (DIR) Zehn Jahre Hartz IV: Leben im Suppenküchen-Staat
       
       Die Armut unter den Erwerbslosen ist seit der Einführung von Hartz IV
       gestiegen, kritisiert die Linke. Sie will das Konzept durch eine
       Mindestsicherung ersetzen.
       
 (DIR) Zehn Jahre Hartz IV: Wer wenig hat, dem wird genommen
       
       Die Sozialreform ist seit zehn Jahren in Kraft. Die frühere
       Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann und der Politologe Christoph
       Butterwegge ziehen eine Bilanz.