# taz.de -- Untersuchungsausschuss Cum-Ex-Betrug: Für dumm verkauft
       
       > Cum-Ex-Steuertricks verursachten 10 Milliarden Euro Schaden. Grüne und
       > Linke werfen der Bundesregierung „eklatantes Versagen“ vor.
       
 (IMG) Bild: Auch gegen die ehemalige WestLB läuft ein Verfahren
       
       BERLIN taz | Mit völlig unterschiedlichen Einschätzungen geht der
       Untersuchungsausschuss des Bundestages zu den Cum-Ex-Steuergeschäften zu
       Ende. Der grüne Finanzexperte Gerhard Schick sieht in den Transaktionen von
       Banken und Investoren eine Kombination aus „Gier, organisierter
       Kriminalität und Staatsversagen“. Er reichte – wie der Linken-Abgeordnete
       Richard Pitterle – am Montag ein Sondervotum zum Abschlussbericht des
       Ausschusses ein. Die Große Koalition aus Union und SPD formuliert in ihrem
       Bericht dagegen: „Dieser Untersuchungsausschuss war nicht erforderlich.“
       
       Bei den Geschäften wurden Aktien mit (cum) und ohne (ex)
       Dividenden-Anspruch gehandelt. Die Besitzer der Aktien zahlten
       beispielsweise einmal Kapitalertragsteuer für die erhaltene
       Gewinnausschüttung, ließen sich die Steuer aber mehrfach vom Finanzamt
       zurückerstatten. Möglich wurden die lukrativen Tricks, indem Investoren
       ihre Aktien im Umkreis des Termins der Dividenden-Zahlung schnell hin und
       her verkauften. Rechtlich waren dadurch zum gleichen Zeitpunkt mehrere
       Leute im Besitz derselben Aktie.
       
       Allein zwischen 2005 und 2011 dürfte der Schaden zulasten der öffentlichen
       Hand etwa 10 Milliarden Euro betragen haben. Das Bundesverfassungsgericht
       hat inzwischen festgestellt, es bestehe der „hinreichende Tatverdacht der
       besonders schweren Steuerhinterziehung“.
       
       Nach Schicks Angaben laufen bundesweit 29 Ermittlungsverfahren. Mehrere
       Namen von Banken werden genannt, darunter die ehemalige WestLB. Die
       Finanzämter versuchen nun, einen Teil des Geldes zurückzuholen. Das mit den
       Cum-Ex-Geschäften verwandte Modell Cum-Cum könnte zu weiteren Verlusten für
       den Staat in Höhe von 5 Milliarden Euro führen. Der Untersuchungsausschuss
       endet offiziell im Juni. Die beiden Sondervoten sind dann Teil des
       kompletten Abschlussberichts.
       
       ## Finanzministerium ließ sich für dumm verkaufen
       
       Schick wirft dem ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und
       seinem Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) vor, nach Hinweisen von
       Tippgebern nicht schnell genug gegen die fragwürdigen Praktiken
       eingeschritten zu sein. Das Finanzministerium habe den Unternehmen nicht
       rechtzeitig klar gemacht, dass die Geschäfte gegen die Gesetze verstoßen.
       Auch verfügte das Finanzministerium über zu wenig gut ausgebildetes
       Personal und musste sich deshalb auf die Einschätzung von Lobbyverbänden,
       unter anderem des Bundesverbandes Deutscher Banken, verlassen.
       
       „Die Bankenverbände wirkten intensiv und zum Schaden des Steuerzahlers auf
       die Gesetzgebung ein“, resümiert der grüne Abgeordnete. Einfach gesagt: Das
       Bundesfinanzministerium ließ sich für dumm verkaufen.
       
       Auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sieht Schick
       „eklatantes Versagen“. Die dem Finanzministerium unterstehende Behörde sei
       nicht rechtzeitig tätig geworden, als sie Hinweise bekommen habe.
       
       ## „Alle Vorwürfe sind widerlegt“
       
       Im zwischen Union und SPD abgestimmten Text des Abschlussberichts heißt es
       dagegen: „Alle Vorwürfe sind widerlegt.“ Es sei immer klar gewesen:
       „Cum-Ex-Geschäfte waren und sind rechtswidrig. Bestimmte Marktakteure“
       hätten ihre Anlagestrategie aber „bewusst (…) verschleiert“. Fazit: „In den
       Behörden wurde sach- und pflichtgemäß gearbeitet.“
       
       Das muntere Treiben der Banken, Aktienbesitzer, Fonds, Wirtschaftsprüfer
       und Anwälte bei Cum-Ex dauerte bis Ende 2011. Dann schob ein neues Gesetz
       dieser Steuergestaltung den Riegel vor. Nach Einschätzung der Großen
       Koalition ist das mit der Investmentsteuerreform 2016 auch für
       Cum-Cum-Geschäfte gelungen. Als eine Konsequenz aus der Affäre fordern die
       Grünen ein neues Gesetz zum Schutz von Tippgebern, sogenannten
       Whistleblowern, aus dem Finanzbereich.
       
       8 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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